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Tessiner Olivenöl ist nun offiziell «kulinarisches Erbe»

Auch im Tessin gibt es Olivenöl. 2020 wurden 2000 Liter Olio d’oliva extravergine aus Oliven gepresst, die auf eigenem Boden gewachsen und gereift sind, heisst es in einer Medienmitteilung. Das Olio d’oliva ticinese ist nun ins Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz aufgenommen worden. Im Tessin sind gemäss Zählung bis Mitte 2021 rund 7700 Olivenbäume erfasst worden, dies mit steigender Tendenz, denn die Klimaerwärmung begünstigt den Anbau. Dennoch bleibe das Tessiner Olivenöl eine Rarität (LID)

Wer den Olivenbaum ins Tessin gebracht hat, ist nicht klar. Pensionierte Legionäre aus Julius Cäsars Gallienfeldzug sollen am Comersee Ölbäume gepflanzt haben. Ob sie noch weiter an den Ceresio, den Luganersee zogen, ist möglich, aber nicht erwiesen. Doch Comer- und Luganersee kommen sich sehr nahe, ausserdem gab es damals keine Landesgrenze wie heute. Möglich ist auch, dass der Olivenbaum aus wilden Olivenbäumen (Oleaster) gezüchtet wurde.

Das älteste bekannte Dokument, in dem Oliven im Tessin erwähnt werden, ist eine Akte aus Campione (heute Campione d'Italia) aus dem Jahr 769. Olivenöl brauchte man vor allem als Brennstoff für Lampen. 1494, 1600 und 1709 zerstörte Frost die Olivenbäume fast komplett. Später opferte man sie Maulbeerbäumen, um die Seidenraupenzucht zu forcieren. Gegen Ende der 1980er Jahre wurde der Olivenanbau reaktiviert – nun aus kulinarischen Gründen. Bis Mitte 2021 sind im Tessin nach einer umfassenden Zählung im Sotto- und Sopraceneri knapp 7700 Olivenbäume erfasst worden, Tendenz steigend (die Klimaerwärmung begünstigt den Olivenanbau). Dennoch bleibt Tessiner Olivenöl eine Rarität.

Das Olio d’oliva ticinese wird durch Kaltpressung (nach EU-Norm maximal 27°C) der Früchte von Ölbäumen (Olea europaea L. 1753) hergestellt, die im Tessin wachsen. Es handelt sich um ein Olio extravergine di oliva, filtriert oder unfiltriert. Olivenöl presst man aus den Früchten des Olivenbaums. Im Tessin sind bis Mitte 2021 (Stichtag 30.6.) 7652 Olivenbäume gezählt worden: im Sottoceneri 71 Prozent (5465 Bäume), im Sopraceneri 29 Prozent (2187, inkl. 140 Bäume im Misox). Die meisten stehen einzeln oder in kleinen Gruppen. Zusammenhängende Haine findet man in Gandria, Gudo, Coldrerio und Sonvico.

Das Tessin bildet für die Lebensbedingungen des kälteempfindlichen Olivenbaums eine klimatische Randzone. «Flora Helvetica» zum Lebensraum des Olivenbaums: «Felsige Hänge, Gebüsche, kultiviert und im südlichen TI selten verwildert» (5. Auflage, 2012).

So war der Ölbaum im Tessin nie ein Hauptprodukt der Landwirtschaft, sondern wurde zur Gewinnung für Lampenöl angepflanzt; dennoch wichtig genug, um in Dokumenten erwähnt zu werden. Zahlreiche Belege, zumeist Verkaufsakten, bestätigen die Präsenz des Ölbaums über die Jahrhunderte. In den Jahren 1494, 1600 und 1709 wurden die Olivenhaine im Tessin fast komplett von Frost zerstört. Da der Olivenbaum langsam wächst, konnten die Haine nicht von einem Tag auf den andern instandgesetzt werden.

Der Olivenbaum verlor an Bedeutung, an seiner Stelle wurden in Lugano und im Mendrisiotto Maulbeerbäume gepflanzt, um Seidenraupen zu füttern: mit feinen Stoffen liess sich Geld verdienen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wuchs das Interesse in der Schweiz generell an cuisine du terroir und produits du terroir. Ende der 1980er Jahre revitalisierten Bernardino Caverzasio, Bauer und Landbesitzer, und der Weinproduzent und -händler Claudio Tamborini den Colle degli Ulivi (Olivenhügel) in Coldrerio nahe Mendrisio. 1993 pflanzten sie 380 Bäumchen und ein Jahr später pressten sie aus den Oliven der älteren Bäume wieder Öl. Nicht für Lampen, sondern für die Küche.

2020 produzierten die beiden Tessiner Ölmühlen in Sonvico (Bianchi) und Losone (Delea) rund 2000 Liter Olivenöl; Oliven aus dem Tessin, die in Italien gepresst werden, exklusive. Die Verkaufspreise decken die Produktionskosten keineswegs (2021). Die Freude am Tessiner Olivenöl ist um ein Mehrfaches grösser als seine wirtschaftliche Bedeutung. Sie kann sich aber durch Erweiterung der Anbauflächen steigern, was angesichts der Klimaerwärmung eine logische Alternative zu Kulturen bedeutet, denen es zu heiss wird. (Kulinarisches Erbe der Schweiz https://www.patrimoineculinaire.ch/Produkte#471
(gb)

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