Foodfachzeitung im Internet
Freitag, 13. Dezember 2024
News, Tipps, …
Druckansicht15.04.2024
FORSCHUNG: Nutri-Score beeinflusst Kaufverhalten

Wenn Lebensmittel mit dem sogenannten Nutri-Score gekennzeichnet sind, entscheiden sich Käufer anders – so das Ergebnis einer Studie der ISM unter Leitung von Prof. Dr. Jens Kai Perret. Auch wenn Experten aus der Lebensmittelindustrie den Nutri-Score in seiner Funktion kritisch beurteilen, denken die Befragten vor der Kaufentscheidung bei Produkten mit Siegel eher darüber nach, ob ein Produkt gesund ist als ohne Kennzeichnung. Nahezu ein Viertel entscheidet sich aufgrund des Nutri-Scores für das vermeintlich gesündere Lebensmittel. Alter und Geschlecht spielen keine Rolle.

Die Politik beschäftigt sich bereits seit Jahren damit, die Bevölkerung bei einer gesünderen Lebensweise zu unterstützen. So soll bis 2025 der Anteil von Zucker, Fett und Salz in vielen Fertigprodukten reduziert werden. Zu diesem Zweck wurde der Nutri-Score eingeführt, ein sogenanntes Front-of-Package Label, das mittels einer fünfstufigen Farb- und Buchstabenskala einen Überblick über die Nährwertbewertung eines Produkts geben soll. Aber welchen Einfluss hat eine solche Kennzeichnung auf das Kaufverhalten der Konsumenten?

Die Studie unter Leitung von Prof. Jens Kai Perret zeigt klar: Das Siegel beeinflusst die Kaufentscheidung in Richtung gesünderer Produkte. Bei der Befragung wurde 296 Probanden ein Fragebogen mit insgesamt 24 Fragen vorgelegt. Vorab wurden sie gefragt, ob sie den Nutri-Score kennen. Drei von vier der Befragten (73 Prozent) gaben an, das Label bereits zu kennen und über seine Bedeutung Bescheid zu wissen. Ergebnis der Befragung: Die Teilnehmer legen offensichtlich Wert auf eine gesunde Ernährung. Sie wählen das bessere bzw. gesündere Produkt, wenn sie die Bewertung über den Score vorliegen haben (23,6 Prozent). Weder Geschlecht noch Alter haben in diesem Fall einen signifikanten Einfluss auf die Kaufabsicht.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass der Nutri-Score es schafft, die deutsche Bevölkerung in ihren Ernährungsgewohnheiten deutlich zu beeinflussen, und externe Studien belegen, dass er dies auch wesentlich besser vermag als vergleichbare Front-of-Package-Label – die vereinfachte Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite verpackter Lebensmittel“, resümiert Perret.

Kennzeichnet der Nutri-Score wirklich gesunde Lebensmittel?

In einer weiteren Interviewstudie mit 23 Experten aus der Lebensmittelindustrie und Konsumenten aus unterschiedlichen Generationen wird die tatsächliche Relevanz des Nutri-Score als Kennzeichnung gesunder Lebensmittel hinterfragt. Gerade Industrieexperten sprechen dem Nutri-Score zwar eine Signalwirkung zu, betonen allerdings ganz deutlich die Breite der Optionen, die sich Unternehmen bieten, um darauf Einfluss zu nehmen und ein gutes Rating zu erzielen. So könnte daraus eine Art Nutritional Greenwashing werden. Nicht jedes mit einem guten Nutri-Score ausgezeichnete Produkt ist also auch automatisch gesund. Ein genauer Blick auf die Inhaltsstoffe lohnt. Umgekehrt ist nicht jedes Produkt mit einem mittleren Nutri-Score automatisch schlecht.

In Westeuropa ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln durch den Nutri-Score, ausgehend von Frankreich, bereits etabliert. Aber wie sieht es auf dem amerikanischen Kontinent aus, zumal hier wesentlich mehr Menschen unter Fettleibigkeit leiden als in Europa? In Belize zum Beispiel ist bald jeder Dritte fettleibig, laut Angaben der Regierung aus dem Jahr 2023. Das nahmen die Forscher der ISM als Basis für eine weitere qualitative Studie über die Akzeptanz des Nutri-Scores in Belize – aufbauend auf der Studie mit deutschen Teilnehmern. Gerade die Grösse dieses kleinen Staates erlaubt es, bereits mit kleinen Stichproben einen breiteren Teil der Bevölkerung abzubilden.

Es wurden elf Interviews mit Teilnehmern aus verschiedenen Berufsgruppen geführt, die zeigten, dass ein allgemeines Interesse an gesunder Ernährung vorhanden ist. So gaben zehn von elf Befragten an, dass gesunde Ernährung eine wichtige Rolle in ihrem Leben spiele, ungesunde Lebensmittel aber oft einfacher zugänglich seien. Ein gesunder Lebensstil mit Sport und gesunder Ernährung ist den meisten nach eigenen Angaben zwar wichtig, bei der Auswahl von Lebensmitteln entscheiden die Befragten dann aber nach Verfallsdatum und Preis.

Die schnell erfassbare Farbgestaltung auf dem Label Nutri-Score könnte helfen, gesundheitliche Aspekte der Lebensmittel besser zu erkennen und diese zu kaufen. Finanzielle Nöte stehen der Wahl des gesünderen Lebensmittels allerdings – mit oder ohne Label – entgegen. Aktuell wird diese Studie auf grössere Länder in Lateinamerika, wie Mexiko und Kolumbien, ausgeweitet. Zudem haben die Befragten nur ein mittleres Mass an Vertrauen in das Label, da das Etikett die Lebensmittel gesünder aussehen lassen könnte, als sie tatsächlich sind. Daher wäre es wichtig, dass die Verbraucher den Nährstoffgehalt der Verpackung selbst überprüfen, anstatt einem Etikett blind zu vertrauen.

Studienleiter Prof. Dr. Jens Kai Perret widerspricht und betont: „Die Studie in Belize verdeutlicht ein Problem, das auch in Deutschland und Westeuropa vorherrscht: Ein grosser Teil der Bevölkerung ist der Meinung, dass er über genügend Wissen über gesunde Ernährung verfügt und daher kein Siegel benötigt, um seine Essgewohnheiten zu steuern. Entwicklungen in den Ernährungsgewohnheiten widersprechen dieser Wahrnehmung allerdings deutlich.“ (International School of Management ISM)
(gb)

News, Tipps, … – die neuesten Beiträge
11.12.2024
dTIPP: Top 5 Weihnachtsgewürze für Backwaren
09.12.2024
dKOMMENTAR: Zeitenwende durch künstliche Intelligenz
05.12.2024
dNEWS: Café crème-Gastropreis wieder gestiegen
04.12.2024
dFORSCHUNG: Veganer Eiweissschaum-Ersatz aus Erbsen
02.12.2024
dTIPP: Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen aber noch geniessbar
01.12.2024dNEWS: Alkoholfreies Bier weiterhin im Trend
29.11.2024dWISSEN: Bei Marzipan und Krokant auf Nachhaltigkeit achten
27.11.2024dTIPP: Hype um Dubai-Schokolade - selber machen statt Schlange stehen
26.11.2024dFORSCHUNG: Futterprägung durch Zuckerkonsum beim Kleinkind
23.11.2024dSAISON: Zwiebel in einer Produktionskrise
22.11.2024dNEWS: Preisschwankungen nicht wegen Nahrungsmittel-Spekulation
21.11.2024dNEWS: Promarca prämiert innovativste Lebensmittel
15.11.2024dWISSEN: Vielseitige Reissorten
14.11.2024dNEWS: Beat Eggs als «Metzger des Jahres 2024» ausgezeichnet
12.11.2024dNEWS: Revision der NOVA-Verarbeitungsgrad-Klassifikation
11.11.2024d FORSCHUNG: Fermentierte Apfelblüten als Functional Food
07.11.2024dNEWS: Hohe Gesundheitsgefahr durch Coffeinpulver-Überdosierung
05.11.2024dNEWS: Veganes darf Wurst oder Schnitzel heissen gemäss EuGH
04.11.2024dSAISON: Herbstrübe nicht nur für Räbeliechtli
03.11.2024dNEWS: Offiziell beste Bäcker-Konditor-Confiseur-Produkte prämiert
31.10.2024dNEWS: Bundesrat verabschiedet Anti-Foodwaste-Massnahmen
30.10.2024dNEWS: Migros senkt Obst/Gemüse-Preise und fördert Eigenmarken
24.10.2024dTREND: Teigwaren aus Schweizer Dinkel legen zu
23.10.2024dWISSEN: Maniok und Yamswurzel richtig verarbeiten
20.10.2024dTIPP: Gastromesse Goûts & Terroirs 2024
17.10.2024dTIPP: Swiss Bakery Trophy 30.10.-3.11.2024
16.10.2024dKOMMENTAR: Gesundheitskosten senken mit Zuckersteuer
14.10.2024dSAISON: Vitamin- und proteinreicher Rosenkohl
13.10.2024dKOMMENTAR: Politik und Wirtschaft beeinflussen Ernährungsempfehlungen
07.10.2024dKOMMENTAR: Was dürfen Nahrungs-Ergänzungsmittel (nicht) enthalten?
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland