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Ukrainekrieg und Folgen für Schweizer Landwirtschaft

Russland und die Ukraine sind die Kornkammern Europas und wichtige Dünger-Exporteure auf dem Weltmarkt. Für die Schweizer Landwirtschaft hat der Krieg in Osteuropa vorerst begrenzte Folgen. Was längerfristig passiert, ist aber nicht absehbar.

Preisschübe beim Getreide – vor allem beim Weizen – Lieferengpässe oder -ausfälle wirken direkt auf die Nahrungsmittel. Brot und Teigwaren werden in nächster Zeit voraussichtlich spürbar teurer. Aber auch die Versorgung mit Mais, Soja, Sonnenblumen-Rohöl und anderen Nahrungsmittelgrundstoffen wird schwieriger. Russland und die Ukraine gehören zu wichtigen Exporteuren dieser lebensnotwendigen Güter.

Höhere Konsumentenpreise?

Wie reagiert der Detailhandel – ist mit Auswirkungen auf das Lebensmittelsortiment in den Läden zurechnen? «Dies ist aktuell nicht der Fall», sagt Kevin Blättler, Mediensprecher bei Coop. «Die Bedeutung von Produkten aus der Ukraine ist bei Coop marginal. Wir setzen auf ein breites Sortiment und eine längerfristige Lagerplanung. Generelle Engpässe sind kein Thema.»

Mittelfristig werden bei Coop keine Auswirkungen auf die Preise oder auf die Beschaffung von Gütern erwartet. «Die letztjährige Ernte ist bereits in unseren Lagern», sagt der Coop-Sprecher. «Längerfristig gilt es die Entwicklung abzuwarten.» Gibt es bei Coop einen Plan B um die Auswirkungen des Ukraine-Krieges abzufedern? «Wir haben eine Taskforce einberufen, welche die Situation genau beobachtet und gegebenenfalls Massnahmen umsetzt», sagt der Mediensprecher.

Auch die Migros hat die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf das Ladensortiment unter Kontrolle. «Die Rohstoffsituation ist bekanntermassen bereits angespannt und der Krieg in der Ukraine wird nicht zu einer Entspannung beitragen, im Gegenteil», sagt Medienstellen-Leiter Marcel Schlatter. «Unsere Produktionsbetriebe beziehen in der Tat relevante Mengen an Sonnenblumenöl aus der Ukraine, es lässt sich im Moment aber noch nicht abschätzen, wie stark wir von Lieferausfällen betroffen sein werden. Wir sind im Moment daran, uns einen Überblick zu verschaffen und mögliche Alternativen zu prüfen.»

Preiserhöhungen im Laden könnten per se nicht ausgeschlossen werden, sagt der Medienstellen-Leiter. Wegen der Probleme in der globalen Logistik sowie aufgrund von Ernteausfällen habe es bereits Anfang Jahr bei einigen Produkten Preiserhöhungen gegeben. Wenn immer möglich beziehe die Migros ihre Produkte aus der Schweiz, sagt Marcel Schlatter. «Bei den Lebensmitteln stammen heute rund 70 Prozent des Angebots von hier. Aufgrund des knappen Angebots ist eine Steigerung aber nicht so einfach möglich.»

Bei den Landi-Läden wird laut Fenaco damit gerechnet, dass es bei gewissen Produkten wegen des Konflikts in der Ukraine zu Lieferschwierigkeiten kommen könnte, beispielsweise bei Gartenholz, Brennstoffen und Metallwaren. Bereits jetzt werde nach entsprechenden Alternativen gesucht, heisst es. Der Konflikt in Osteuropa und die Weltwirtschaftslage gemeinhin sorgten für den weiteren Anstieg der bereits erhöhten Preise für Rohstoffe und Energie. Dies wirke sich auf die Beschaffungs- und Logistikkosten der Landi-Läden aus. Soweit möglich würde dieser Anstieg kompensiert, wo es aber nicht möglich sei, müssten punktuelle Preiserhöhungen vorgenommen werden.

Die Schweizer Landwirtschaft dürfte bei der Ukraine-Krise mit einem blauen Auge davonkommen. Jedenfalls beurteilt das BLW die Auswirkungen des Krieges in Osteuropa gegenwärtig nicht als dramatisch. «Die Versorgung mit lebenswichtigen Nahrungsmitteln ist derzeit sichergestellt», sagt BLW-Sprecherin Florie Marion. Die Inlandproduktion trage wesentlich zur Selbstversorgung bei. Gleichwohl seien aber auch Importe nötig. Ob und in welchen Bereichen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf Importe mit Nahrungsmittel zu erwarten seien, werde derzeit umfassend analysiert. Sollten Engpässen auftreten, dann stünden Pflichtlager für Grundnahrungsmittel zur Verfügung.

Fatale Folgen für grosse Teile der Welt

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges können aber für grosse Teil der Welt fatale Folgen haben, denn Russland und die Ukraine richten mehr als einen Viertel der jährlichen Weltproduktion von Weizen aus. Durch Zerstörung der Ernte in der Ukraine und harte Sanktionen gegen Russland explodieren die Brotpreise und Getreidelieferungen werden knapp oder fallen ganz aus.

Die hauptsächlichen Importeure von Brotgetreide sind arme Länder in Afrika, Nordafrika und Westasien. Dazu gehören Ägypten, Libyen, Tunesien, Jemen, der Libanon, die Türkei, Indonesien, die Philippinen und Bangladesch. Die Versorgung dieser bevölkerungsreichen Länder mit Grundnahrungsmitteln ist gefährdet. Agrarexperten und Hilfsorganisationen schlagen Alarm. Das Welthungerproblem wird sich weiter ausdehnen.

Um die landwirtschaftliche Produktion und die Lieferketten nach dem Krieg wieder herzustellen, braucht es Zeit. Experten gehen davon aus, dass die Erholung beim Weizen länger dauert als bei Erdöl und Gas. Daher bleiben die globalen Agrarmärkte für neue Krisen anfällig, auch wenn andere Teile der Welt ihre Produktion steigern. Die Weizenversorgung ist seit längerem problematisch. Schlechte Ernten sorgen für halbleere und leere Lager. Wegen Corona sind die Lieferketten bereits gestört worden und die Energie- und Frachtpreise stiegen.

Auch wenn die Französische Revolution 1789 durch die Erhöhung des Brotpreises ausgebrochen war und in der Folge vielerorts für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sorgte, wird das jetzt kein Trost sein für die Menschen, die sich kein Brot mehr kaufen können. (LID)
(gb)

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