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KOMMENTAR: Folgen des Volks-Nein zur Massentierhaltungsinitiative

Das Schweizer Stimmvolk hat der Massentierhaltungsinitiative mit 62 Prozent Nein-Stimmen eine klare Absage erteilt. Mit doch etwas über einer Million Ja-Stimmen zeigte die Abstimmung jedoch auch, dass das Anliegen grundsätzlich einige Sympathie geniesst. Der Schweizer Bauernverband plädiert nun für eine ganzheitliche Ernährungspolitik und die Befürworter der Initiative wollen Grossverteiler in die Pflicht nehmen.

An der Urne entschieden die Schweizer Stimmberechtigten letzten Sonntag, wie Schweizer Bäuerinnen und Bauern in Zukunft mit ihren Nutztieren umzugehen haben. Die Initianten wollten mit der Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» bewirken, dass die Haltungsstandards der hiesigen Nutztiere sich künftig an den Bio-Suisse-Richtlinien orientieren – mit einer Übergangsfrist von 25 Jahren. Damit wollten die Befürworter mehr Tierwohl und Umweltschutz erreichen, während die Gegner vor mehr Importen und vor einem Bauernsterben warnten und stets das bereits geltende strenge Tierschutzgesetz in der Schweiz hervorhoben.

Die hiesige Landwirtschaft degeneriere zu einer bodenunabhängigen industriellen Tierproduktion mit viel zu hohen Stickstoffemissionen: Das Futter insbesondere von Hühnern und Schweinen müsse auf den bereits knappen Ackerflächen zusätzlich produziert werden, lauteten die Argumente. Entsprechend sollte die Initiative den Weg für eine Schweizer Landwirtschaft bereiten, die den Bedürfnissen der Tiere Rechnung trage und die natürlichen Ressourcen schone.

Die Gegner monierten jedoch stets, dass die Initiative die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Lebensmitteln gefährde und eine geringere Produktion die Abhängigkeit vom Ausland noch vergrössern würde. Mit einem Nein zur Initiative helfe man, die Versorgung der Schweiz mit einheimischen Lebensmitteln zu sichern. Ausserdem verfüge die Schweiz bereits über ein einzigartig strenges Tierschutzgesetz und die Konsumentinnen und Konsumenten hätten bereits heute die Möglichkeit, sich an der Ladenkasse für mehr Tierwohl zu entscheiden, würden dieses aber noch sehr begrenzt nutzen. Die entsprechenden Labels hätten nach wie vor einen tiefen Marktanteil.

Schlussendlich fiel das Abstimmungsresultat recht deutlich aus: 1’798’962 Stimmberechtigte lehnten die Initiative ab, 1’062’674 Stimmberechtigte legten ein Ja in die Urne. Die Initiative scheiterte aber nicht nur am Volksmehr, sondern bereits am Ständemehr: 25 Kantone lehnten die Massentierhaltungsinitiative ab – einzig im Halbkanton Basel-Stadt gab es ein Ja für das Anliegen. Sowieso zeigte der Ausgang der Abstimmung einen Stadt-Land-Graben: In den Städten Zürich, Genf und Lausanne betrug der Ja-Anteil jeweils 53 Prozent, in Luzern sogar 54 Prozent und in der Stadt Bern war die Zustimmung mit 66 Prozent deutlich am grössten.

Anliegen ist nicht begraben

Sowohl Befürworter wie auch Gegner sind sich aber bewusst, dass die Diskussion rund um die Tierhaltung und Tierproduktion in der Schweiz so schnell nicht leiser werden wird. Beide Lager sehen dies aber auch als Chance: So liess der Schweizer Bauernverband verlauten, dass sich Bio-Lebensmittel und andere besonders tierfreundliche Labels über eine markante Steigerung des Absatzes bei tierischen Produkten freuen dürften und zahlreiche Bauernbetriebe ihre Tierhaltung auch umstellen würden, wenn alle Ja-Stimmenden das entsprechende Angebot in Zukunft auch nutzen würden. Die Ablehnung sei entsprechend auch eine Chance, den Worten Taten folgen zu lassen und die Schweizer Landwirtschaft stehe bereit, die Bestellungen auf den Kassenzetteln zu liefern.

Und auch die Befürworter an vorderster Front betonten, dass der öffentliche Diskurs zur Initiative doch gezeigt habe, dass es Zeit sei für eine progressive Agrarpolitik, die auch die Bedürfnisse der Tiere in der Landwirtschaft konsequent sicherstelle. Aktuell werde der Status Quo zwar noch zementiert und an den Problemen in den Schweizer Ställen vorbei politisiert. Mit der Kampagne sei aber auch ein längst überfälliger Dialog angestossen worden und auch die Schweizer Landwirtschaft sei nun angehalten, den beschönigenden Behauptungen Taten folgen zu lassen. Zudem müssten in Zukunft auch vermehrt die Grossverteiler in die Pflicht genommen werden und mehr Verantwortung wahrnehmen. Denn diese könnten massgeblich zu einer Veränderung beitragen.

Nur ein Bruchteil des Einkommens für die Ernährung

Im Abstimmungskampf wurde das Preisargument ins Feld geführt, es wurde vor massiv höheren Preisen für Lebensmittel gewarnt – gleichzeitig monieren die Bäuerinnen und Bauern regelmässig, dass die Preise für ihre Produkte zu tief sind. Tatsächlich geben Schweizerinnen und Schweizer heute im Vergleich zu früher mit gut 6 Prozent nur noch einen Bruchteil ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Scheint es daher nicht ein bisschen widersprüchlich, sich gegen höhere Lebensmittelpreise zu stemmen?

Dazu Urs Schneider, Kampagnenleiter des Schweizer Bauernverbands: «Das ist auf den ersten Blick tatsächlich ein Widerspruch und wir arbeiten auch nicht gerne mit diesem Argument. Wir haben aber Vorabklärungen gemacht und festgestellt, dass Regionalität, weniger Importe und eben auch das Preisargument stechen. Für einen Teil der Bevölkerung insbesondere in den Städten spielt der Preis durchaus eine Rolle und daher haben wir entsprechend auch darauf hingewiesen, dass wenn die Initiative angenommen worden wäre, die Lebensmittelpreise entscheidend gestiegen wären. Die Argumentation schliesst aber nicht aus, dass wir für die Bäuerinnen und Bauern bessere Preise wollen. Wir haben in diesem Rahmen nie gesagt, dass wir tiefere Preise wollen – wir wollen, dass ein höherer Anteil bei den Produzentinnen und Produzenten bleibt». (LID)
(gb)

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