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.ERNÄHRUNG: Was bieten exotische Superfrüchte wirklich?
Açai, Acerola, Aronia, Goji & Co. sind sogenannte Powerbeeren, deren Inhaltsstoffe besondere Gesundheitsvorteile versprechen. Doch was steckt wirklich in diesen «Superfoods»?

Sie sollen das Krebsrisiko reduzieren, die Abwehrkräfte stärken oder auch beim Abnehmen helfen. Die Rede ist von Açai, Acerola, Aronia, Goji, Maqui und Noni, jenen Früchtchen aus Übersee, die seit einiger Zeit als "Powerbeeren" und "Superfood" hoch bejubelt werden. Getrocknet oder als Pulpe, als Saft oder Marmelade, in Pulver- oder Kapselform erobern sie die Regale von Apotheken, Reformhäusern und Supermärkten. Scheinbar unaufhaltsam bahnen sie sich ihren Weg in die Herzen und auf die Einkaufslisten von ernährungsbewussten Verbraucher*innen. Besonders der Online-Handel ist als Vertriebsweg beliebt. Die Käufer*innen sind bereit, für die Produkte ziemlich tief in die Tasche zu greifen. Gesundheit aus der Natur – wer will das nicht?

Wer jedoch genauer hinschauen und wissen will, was in den Exoten und hinter den angepriesenen Wunder-Wirkungen steckt, der hat ein Problem: Verlässliche Informationen oder gar wissenschaftliche Studien sind rar. Die versprochenen Gesundheitswirkungen der Früchte sind in der Regel irreführend und daher unzulässig, weil sie wissenschaftlich nicht belegt sind. Dasselbe gilt für Angaben, die eine Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten versprechen. Zumal diese bei Lebensmitteln ohnehin generell verboten sind. Hier einige Warenkunde-Informationen und ernährungsphysiologische Bewertungen zu Açai, Acerola, Aronia, Goji, Maqui und Noni:

Açai-Beere

Die dunkelvioletten bis schwarzen, gut ein Zentimeter grossen Açai-Früchte mit dem säuerlich-bitteren Geschmack und dem recht grossen, ungeniessbaren Kern sind in Brasilien beheimatet. Dort wachsen sie an Kohlpalmen (Euterpe oleracea) und werden frisch oder als Saft verzehrt. Damit sie den Transport in unsere Breiten überstehen, werden die Beeren gefriergetrocknet oder das Fruchtmark wird mit Wasser verdünnt zu Pulpe verarbeitet. Auch Fertigprodukte wie Joghurt, Schokolade oder Mischgetränke mit Açai sind im Handel.

Die beworbene Eigenschaft der Açai-Beeren sticht ins Auge: Der dunkle Pflanzenfarbstoff Anthocyan macht die Steinfrucht aus. Er kann antioxidativ wirken und die Körperzellen vor freien Radikalen schützen. Gleichzeitig enthalten die exotischen Beeren viele Vitamine und Mineralstoffe, allen voran Calcium, welche den Stoffwechsel ankurbeln sollen.

Dass Açai-Beeren jedoch Anti-Aging-Wundermittel oder Schlankmacher sind, das ist wissenschaftlich bislang weder erwiesen noch widerlegt. Hinzu kommt: Die Açai-Beere kann nichts, was heimische Früchte nicht auch könnten. Ihr Gehalt an Anthocyanen wird beispielsweise von Holunder, schwarzen Johannisbeeren oder Rotkohl deutlich überflügelt. Und die enthalten zudem noch deutlich weniger Kalorien. Wunder sollte man von den Beeren also nicht erwarten, schaden werden sie aber auch nicht.

Acerola-Beere

In ihrer Heimat Mittel- und Südamerika wachsen die Acerola-Beeren an immergrünen Sträuchern. Die hell- bis dunkelroten Steinfrüchte erinnern an unsere heimischen Kirschen, sind jedoch mit ihnen nicht verwandt. Die sehr saftigen, leicht säuerlichen Beeren verderben innerhalb weniger Tage nach der Ernte. Sie werden deshalb vorrangig als Saft, aber auch in getrockneter Form oder als Pulver exportiert und gerne als Zusatz in Fruchtsaftmischungen eingesetzt. Darüber hinaus wird Acerola vor allem als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet.

Die Acerola-Beere war einer der Vorreiter im "Wunder-Beeren"-Boom. Sie zählt zu den Vitamin-C-reichsten Früchten überhaupt und wird daher als kraftvolles Stärkungsmittel für das Immunsystem und die körpereigenen Abwehrstoffe gehypt. Eigentlich muss aber niemand Acerola essen, um seinen täglichen Bedarf an Vitamin C zu decken. Dieses Vitamin ist in so vielen Nahrungsmitteln enthalten, dass ein Mangel selten vorkommt. Überschüssiges Vitamin C kann der Körper nicht speichern, es wird ungenutzt ausgeschieden. Acerola ist also nicht mehr und nicht weniger als eine Erweiterung des Speiseplans. Die geschmackliche Abwechslung hat allerdings ihren Preis: Denn die Acerola-Sträucher blühen selten und entwickeln entsprechend wenige Früchte.

Aronia-Beere

Die dunkelblaue, innen rote Aronia-Beere stammt ursprünglich aus Nordamerika. Mittlerweile wird der mannshohe Apfelbeeren-Strauch zunehmend auch in Deutschland angebaut. Auf knapp 1000 Hektar wurden in Deutschland im Jahr 2019 etwa 1200 Tonnen Aronia-Beeren geerntet, so die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Anders als die meisten anderen "Powerbeeren" ist die Aronia-Frucht so zumindest in einigen Regionen frisch erhältlich. Mit ihrem herb-bitteren Aroma wird sie gerne zu Konfitüre oder Brotaufstrich, Joghurt oder Desserts verarbeitet. Frisch oder getrocknet kommen die Beeren ins Müsli oder auch in Backwaren.

Die Aronia-Beere ist auch als schwarze Apfelbeere bekannt. Genau wie die Açai-Beere verdankt sie ihren Ruhm besonders den üppig enthaltenen sekundären Pflanzenstoffen Anthocyane. Zudem enthält sie viel Vitamin C und hat hohe Gehalte an Eisen, Folsäure und Jod. Dank dieser Nährstoff-Zusammensetzung soll die Aronia-Beere Krebserkrankungen vorbeugen, bei Leber- und Nierenleiden den Körper entgiften, Verdauungsbeschwerden lindern, den Blutdruck und den Cholesterinspiegel regulieren und sich günstig auf das Herz-Kreislauf- und Immunsystem auswirken.

All diese Wirkungsbehauptungen sind jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Sie dürfen daher in der Werbung nicht verwendet werden. Die Kerne der Aronia-Beeren enthalten geringe Mengen des Pflanzengiftes Amygdalin. Dieses kann bei der Zerzetzung im Körper Blausäure freisetzen. Diese Mengen sind jedoch so gering, dass der regelmässige Verzehr kleiner Portionen frischer Aroniabeeren unbedenklich ist.

Goji-Beere

Die leuchtend rote, eiförmige, kleine Goji-Beere ist die Frucht des asiatischen Bocksdornstrauches. Er wird vor allem in China in grossem Stil angebaut. Die süss-sauren Beeren kommen getrocknet, als Pulver oder Saft, in Kapseln und Tabletten, sowie in weiterverarbeiteten Produkten wie Müsli, Gelee oder Joghurt in den Handel.

Frische Beeren sind hierzulande im Handel kaum zu bekommen. Da Bocksdornsträucher im Garten gut gedeihen, kann man sie selbst kultivieren. Im eigenen Garten sorgen sie für biologische Vielfalt und liefern Beeren-Snacks für Menschen und Tiere.

Reichlich Vitamine A, C und E, Proteine, dazu viel Eisen, Calcium und Magnesium, und ausserdem Ballaststoffe und Antioxidantien – die Goji-Beere strotzt nur so an wertvollen Inhaltsstoffen. Entsprechend werden ihr Allround-Talente zugeschrieben. Sie soll die Abwehrkräfte stärken, Zellverfall und Gewebeschäden vorbeugen, die Verdauung und das Gedächtnis fördern, das Nervensystem, die Knochenentwicklung, die Blutbildung und das Muskelwachstum unterstützen.

All diese gesundheitsförderlichen Effekte sind jedoch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, so das National Institute of Health in Bethesda (USA). Es gibt sogar einige Gründe, die Beeren mit Vorsicht zu geniessen: In zahlreichen Goji-Produkten werden immer wieder Rückstandsüberschreitungen von Pestiziden festgestellt, weshalb hier eine verstärkte EU-Einfuhrkontrolle stattfindet. Zudem warnt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor Wechselwirkungen mit gerinnungshemmenden Medikamenten.

Maqui-Beere

Die Maqui-Beere ist auch als Chilenische Weinbeere bekannt. Sie ist die Frucht des bis zu vier Meter hohen Maqui-Baumes. Das Ölfruchtgewächs ist in den gemässigt-tropischen Regenwäldern im chilenisch-argentinischen Grenzgebiet weit verbreitet. Die heidelbeer-ähnlichen, tief violetten kleinen Beeren sind roh essbar, lassen sich jedoch schlecht lagern. Die Mapuche-Indianer verarbeiten sie seit Jahrhunderten zu Getränken. Nach Europa werden Maqui-Beeren zumeist als Saft oder als Pulver exportiert und vorrangig zu Nahrungsergänzungsmitteln weiterverarbeitet.

Die Maqui-Beere ist ein Newcomer unter den "Wunderfrüchten". Daher ist das Wissen über sie besonders lückenhaft. Hersteller und Händler von Maqui-Produkten versprechen vor allem die Stärkung des Immunsystems, eine starke Entgiftungsfunktion und schlank machende Wirkung. Dieses Potential sollen die Beeren ihrem ausserordentlich hohen Anteil an Anthocyanen verdanken. Diese sekundären Pflanzenstoffe sollen in der Lage sein, im Körper freie Radikale zu neutralisieren.

Auf vielen Verpackungen wird mit dem hohen ORAC (Oxygen radical absorbance capacity)-Wert gelockt. Er gibt an, wie viele freie Radikale pro Gramm Maqui-Beeren unschädlich gemacht werden können. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weist nachdrücklich darauf hin, dass dieser Wert experimentell in Labortests ermittelt wurde. Ob und in wie weit die Ergebnisse auf den menschlichen Körper übertragbar sind, ist unklar.

Noni-Früchte

Die Noni-Frucht – auch Indische Maulbeere genannt – wächst an Maulbeersträuchern und -bäumen auf den polynesischen Inseln, auf Hawaii und an den Küsten von Mittelamerika und Madagaskar. Mehrere Früchte bilden dabei zusammen einen eigrossen, grünen, zapfenförmigen Verband. Aus den Steinfrüchten wird vor allem Saft hergestellt. Er wird gerne mit anderen Säften gemischt, weil der Geschmack der Noni-Frucht als streng, manchmal sogar unangenehm faulig empfunden wird. Auch getrocknete Blätter zur Teezubereitung, Noni-Püree, Saft-Trockenextrakt und Pulver sind als Novel Food zugelassen.

Produkte aus Noni-Früchten werden damit beworben, dass sie Heisshunger dämpfen können, Schmerzen stillen und vor Falten schützen. Auch bei Allergien, Schlaganfällen und Krebs sollen sie helfen können. All diese Wirkungsbehauptungen sind jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Sie dürfen daher in der Werbung nicht verwendet werden.

Entsprechend hat auch das wissenschaftliche Gremium der EU im Rahmen der Novel Food-Zulassung von Noni-Saft als Lebensmittel festgehalten, dass es keinerlei wissenschaftliche Beweise für eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung von Noni existieren, die über diejenige von anderen Fruchtsäften hinausgeht. Mehrfach diskutiert und untersucht wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Genuss von Noni-Saft und Leberschädigungen. In den empfohlenen Mengen hält das EU-Gremium genau wie das Bundesamt für Risikobewertung das Getränk für unbedenklich.

Fazit: Kostspielig und ökologisch bedenklich

"Powerbeeren" sind eine geschmacklich spannende, jedoch kostspielige Ergänzung im Speiseplan. Für eine gesunde Ernährung sind die Beeren nicht erforderlich. Wer sich abwechslungsreich und ausgewogen ernähren will, kann das mit heimischem Obst und Gemüse bestens tun.Oft werden sie mit verbotenen Aussagen über wissenschaftlich nicht belegte Gesundheitswirkungen oder gar heilende Effekte beworben. Und aus ökologischer Sicht sind die meisten von ihnen höchst bedenklich: Lange Transportwege gehören – bis auf die Aronia – bei allen dazu.

Frisch oder getrocknet, flüssig oder pulverisiert, als Kapsel oder in Fertigprodukten? Bis auf die Aronia-Beere, die zunehmend im deutschen Anbau Fuss fasst, sind die exotischen Kraftpakete frisch nicht zu bekommen. Also werden sie durch Konservierung transportfähig gemacht. Beim Trocknen wird ein Grossteil der enthaltenen Nährstoffe konserviert. Allerdings setzen einige Hersteller*innen Schwefeldioxid ein, um Schädlinge und Schimmel abzuwehren und die Farbe zu erhalten. Das kann Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Übelkeit verursachen.

Bei Säften, Smoothies und Tees ist die entscheidende Frage, wie hoch der Anteil der Beeren tatsächlich ist. Das muss in der Regel in der Zutatenliste stehen, zumindest in den Fällen, in denen die „Powerbeere“ werblich auf dem Etikett hervorgehoben ist. Zu Pulver werden die Beeren durch Sprüh- oder Gefriertrocknung verarbeitet. Gefriertrocknung ist die schonendere und kompliziertere Behandlungsmethode. Das schlägt sich im höheren Preis nieder.

In Kapsel- oder Tablettenform versprechen die Früchte den schnellen, allerdings kostspieligen Gesundheitskick zwischendurch. Tatsächlich sind gesundheitsförderliche Wirkung solcher Mittel wissenschaftlich nicht belegt. Als Vitamin- oder Mineralstofflieferant eignen sich Obst oder Gemüse besser. Auch in Fertigprodukten wie Müesli, Joghurt oder Marmelade sind oft weit weniger Beeren enthalten, als die Werbeaufdrucke glauben lassen wollen. Ein Blick auf die Zutatenliste schafft hier in der Regel Klarheit. (BZfE)
(gb)

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