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.BÄCKEREI: Wie entsteht Brot mit Charakter?
Kürzlich war «Brot mit Charakter» ein Tagungsthema der Vereinigung der Backbranche VdB. Was bedeutet dies und wie stellt man Charakterbrot her?



Daniel Amrein, Inhaber der «eigenbrötler Backwerke» im Luzernischen Wauwil referierte an der VDB-Tagung in Regensdorf ZH unter dem Titel «Mit der VDB-CH am Puls der Zeit des Backwarenmarkts». Er verkauft seine Brote auch am Wochenmarkt in Luzern


Viele Brote werden in der Schweiz heute erfolgreich als Gourmetprodukt vermarktet, sowohl von handwerklichen wie auch industriellen Bäckereien. Auch wenn für den Verkaufserfolg auch die Ofenfrische eine wichtige Rolle spielt: Familie Schweizer liebt charaktervolle Produkte. Dies gilt ja nicht nur für Brot sondern auch für Käse, Wein, Kaffee und Schokolade. Zum Thema des Backwarenmarktes hat die Vereinigung der Backbranche VDB am 15.3.2019 eine Tagung veranstaltet. Vertreter von gewerblichen und industriellen Bäckereien sowie der Wissenschaft referierten und diskutierten, wie man gutes Brot macht.

Brot bezieht seinen Charakter aus den Mehlsorten und hier stehen Urgetreidearten im Trend. Innovative Bäckereien züchten eigene Sauerteige. Sogar Aroma-Weinhefen halten in Bäckereien Einzug wie an der FBK-Messe kurz nach der VDB-Tagung festzustellen war. Beim Backen entstehen willkommene Röstaromen (es sei denn eine Kruste sei unerwünscht). Gourmethandwerker schwören auf den Holzbackofen, der auch Raucharomen stiftet.

Einer dieser Gourmet-Handwerksbäcker ist Daniel Amrein, Inhaber der «eigenbrötler Backwerke» im Luzernischen Wauwil. An der VDB-Tagung sprach er zum Thema «Brot mit Charakter» und erklärte wie der Charakter entsteht: Er züchtet eigene Sauerteige, mahlt selber Getreide, fokussiert auf Urgetreide wie Urdinkel, Emmer, Einkorn, Kammut, verwendet Vorteige und Lang-Teigführungen aber keine käuflichen Backmischungen und backt im Holzofen. Seine Brote seien so gefragt, dass er stolz von neuen Kunden verlangen kann, «dass sie sich bei ihm bewerben und zu einer Degustation zu ihm kommen, damit er sieht, wie sie mit seinem Brot umgehen. Ich habe zuviele Anfragen».



Die Zürcher Starköchin Meta Hiltebrand, ebenfalls Referentin an der VDB-Tagung, backt selber Brötchen in ihrem Restaurant: «nicht besser aber anders». Sie ist überzeugt: «Brot ist Emotion», aber «Brot stellt in der Gastronomie ein grosses Problem dar, weil die Gäste erwarten, dass sie es gratis erhalten. Es muss aber dennoch gut und frisch sein». Sie setzt die Frische-Grenze bei 4 Stunden an.


Für «Brot-Professor» und VDB-Präsident Michael Kleinert, Dozent für Backwarentechnologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, besitzt ein Brot dann einen «starken» Charakter, «wenn es besondere sensorische Eigenschaften hat, die es aus der Mittelmässigkeit hervorhebt und wenn es besondere Zutaten enthält, die zusammen mit langer Reifezeit der Teige und dem Backprozess ein vielfältiges Aromaprofil entstehen lassen». Aber er gibt dem Charakter auch eine Marketing-Dimension. Wichtig sei auch «eine lebhafte und interessante Geschichte über Herkunft der Zutaten und die hohe Kunst des Knetens, Gärens und Backens von diesem Brot. Und dass der Blick auf die erste Scheibe eine Idee im Kopf entstehen lässt, was sich hervorragend mit diesem Brot kombinieren liesse (feine Konfi, Frischkäse mit Kräutern oder ein kräftig geräucherter Schinken».

In der Tat ist ein einzigartiger Charakter ein perfektes Marketinginstrument und ein Erfolgsfaktor par excellence etwa beim Wein. Und dieser hat mit seinem Jahrgangscharakter auch einen fast unschlagbaren Vorsprung. Kleinert schrieb kürzlich ein Buch über die Brotsensorik («Die Sprache des Brotes»), das viele weitere Aspekte zum Thema Brot enthält wie zB Historisches, Herstellung und Qualität, Food Pairing, Handhabungstipps und Best pratice-Beispiele von Bäckereien (siehe nachstehender Buchtipp mit Leseprobe).


«Brot-Professor» Michael Kleinert (links) konstatierte an der Tagung, dass immer mehr tiefgekühlte Brote in Bake-off-Stationen am Verkaufspunkt fertig gebacken und ofenfrisch verkauft werden.


An einer früheren VDB-Tagung im 2010 referierte Prof. Dr. Jürgen-Michael Brümmer, Brotexperte an der Fachhochschule D-Detmold über «Backwarenaroma in handwerklicher und hochtechnischer Backwarenherstellung». Sein Fazit: Brotaroma kann man (noch) nicht zusetzen, man muss es sich ergären, ersäuern und optimal erbacken! Seine Erklärungen und Tipps: Drei wichtige Säulen bilden die Ursache für eine mögliche und intensive Aromabildung bei Backwaren: Rohstoffe, Fermentationstechnik und Teigführung, sowie thermische Reaktionen während des Backprozesses. Die Rohstoffe bewirken für sich allein betrachtet noch den geringsten Einfluss, bilden aber wichtige Grundlagen für die besonders herauszustellende Fermentationstechnik. Bei den Fermentationen und beim Backen sind die wichtigsten Faktoren Zeit und Temperatur.

Alles was zu sehr verkürzt also beschleunigt schadet dem Brotaroma. Ebenso verhält es sich mit dem Faktor Volumen. Alles was Brot-Volumen überstrapaziert schadet dem Brotaroma. Auch das Krumenbild steht in Relation zum Brotaroma. Alles was eine gewisse Grobporigkeit zur Folge hat, wirkt sich auch meistens günstig auf das Aromaprofil bei Backwaren aus. Oder andersherum, Feinporigkeit steht meist mit geringeren Möglichkeiten der Aromabildung in Zusammenhang. Geruchlich vorteilhaft sind Massnahmen, die tendenziell zu grobporiger Krume führen, was sich auch insbesondere bei der Kälteanwendung von Weizenkleingebäcken zeigt, wenn anschliessend ausreichend gebacken wird.

Der abschliessende Backprozess rundet dann die vorher eingeleiteten Massnahmen ab, allerdings kann auch er nicht mangelnde Aromastoffbildung während der Teigführung total korrigieren. Allerdings, wenn der Backprozess nicht optimal ist, bleiben auch alle Vorteile der Aromabildung ungenutzt. Nur einige Minuten zu wenig Backzeit bei Brot und Kleingebäck können stundenlange Bemühungen um Führungsvarianten und beste Brotaromabildung hinfällig machen. Aus diesem Grunde gilt auch für das Backen, kühler und länger ist besser als kurz bei erhöhten Backtemperaturen. Während der Geschmack eines Brotes zutatendominant ist, und Brotaroma führungs- und fermentationsbedingt, erfahren beide durch den Backprozess ihre Vollendung. (GB)


Oft bedeutet «warm» für den Konsumenten «frisch». Ofenfrische Brote können süchtig machen. Ein hochwertiges Brot bleibt aber länger als einen Tag frisch und schmeckt auch noch am nächsten Tag.



Buchtipp:
Die Sprache des Brotes

Brotqualität erkennen und diese von der Krume über die Kruste, vom Geruch bis zum Geschmack wertig beschreiben. Ein Arbeitsbuch für Bäckermeister/innen, Fachverkäufer/innen, Gastronomen, Foodblogger und jeden anderen Menschen, der sich beruflich und/oder aus einer persönlichen Leidenschaft heraus mit Brot beschäftigt.
Die Sprache des Brotes.
Autoren: Michael Kleinert, Bernd Kütscher.
ISBN: 9783875152128, Matthaesverlag, www.matthaes.de

«delikatessenschweiz.ch» präsentiert eine Leseprobe: Indem Mehl, Wasser, Salz und weitere Backzutaten sowie ein Lockerungsmittel wie Hefe, Sauerteig oder deren Kombination zu einem Teig verarbeitet und einem anschliessenden Backprozess unterzogen werden, entsteht ein Produkt, das unter den Sammelbegriff Backwaren fällt. Der Backprozess wird benötigt, damit das Rohprodukt Teig zu einem geniessbaren Lebensmittel mit bestimmten sensorischen Eigenschaften wird. Gemäss der Rezeptur und deren Verarbeitungsmethoden wird zwischen Brot und feinen Backwaren unterschieden. Im Gegensatz zu Brot beinhalten die feinen Backwaren Zutaten wie Zucker, Fett, Ei, Früchte, Milch, Gewürze etc.

Einerseits gibt es die indirekte Teigführung, bei der zuerst ein Vorteig, in der Schweiz auch Hebel genannt, hergestellt und nach einer bestimmten Reifezeit dem Teig zugegeben wird. Andererseits besteht die Möglichkeit der direkten Teigführung, bei der auf einen Vorteig verzichtet und nur der Hauptteig erstellt wird. Die dritte Variante ist die Sauerteigführung. Hier wird dem Hauptteig eine bestimmte Menge Sauerteig zugegeben. Die Methode der Wahl hat sehr unterschiedliche Folgen. Die direkte Teigführung hat den Vorteil der Arbeitszeiteinsparung. Der indirekten Teigführung, wie auch dem Sauerteig, wird ein komplexeres Aroma sowie eine verlängerte Haltbarkeit zugeschrieben. Eine weitere Möglichkeit ist das Arbeiten mit einer Gärunterbrechung, respektive mit dem Einsatz einer Tiefkühlung. Weiterhin werden sogenannte Vorstufen eingesetzt, die das Aroma und den Geschmack des Brotes beeinflussen:

Einfluss der Prozesse auf das Brotaroma

Aromastoffe sind mehr oder weniger flüchtige Komponenten, die bereits in geringen Konzentrationen wirksam sein können. Für das Brotaroma sind mehrere Hundert chemische Verbindungen verantwortlich, die als Einzelkomponenten durchaus ganz andere Aromaeindrücke vermitteln können. So wurden in Vorteig, Teig, Schwaden und im Brot bis jetzt über 300 Verbindungen gefunden. Schon im Jahr 1974 wurde eine umfassende Liste dieser Verbindungen erstellt. Mehrheitlich handelt es sich um Säuren, Alkohole, Ester, Ketone und Aldehyde. In der Krume dominieren Aldehyde, Alkohole und Ketone, und in der Kruste sind die Pyrazine als Maillard-Reaktionsprodukte zu finden. Da seit dieser Studie zahlreiche neue Rohstoffe für das Brotbacken entdeckt wurden und heute breit Verwendung finden, ist davon auszugehen, dass ein Brot heute sogar bis zu 500 verschiedene Aromastoffe enthalten kann.

Das Aroma eines Brotes entsteht in zwei Phasen. Die erste Phase ist die Teigbereitung und -führung, die zweite Phase der Backprozess. Die Zusammensetzung des Aromaspektrums und damit das gesamte Geschmacksbild hängt von der Backzeit und Backtemperatur ab. Die optimale Krustenbildung ist eine Voraussetzung für ein aromatisches, wohlschmeckendes Brot mit einer langen Haltbarkeit. Etwa 80 Prozent des Brotaromas kommen aus der Kruste! Doch schon im Mehl und in anderen Brotzutaten befinden sich gewisse Aromastoffe sowie deren Vorstufen. Im Teig erfolgt die Bildung der Aromastoffe über biochemisch-enzymatische Reaktionen, und während des Backprozesses finden chemisch-thermische Reaktionen statt.

Entscheidende Komponenten des Brotaromas werden während der Verarbeitung gebildet. So entstehen die Aromastoffe in der Teigphase mehrheitlich aus den Nebenprodukten des mikrobiellen Stoffwechsels, etwa als Schlüsselaromastoffe der Hefegärung. An der Bildung typischer Aromastoffe der Brotkrume sind während der Teigführung sowohl die Lipidautoxidation als auch die Umsetzung von Kohlenhydraten und Aromavorstufen, insbesondere Aminosäuren, durch die Mikroorganismen oder mehleigene Enzyme beteiligt. Während des Backprozesses werden durch die Maillard-Reaktion weitere, insbesondere das Krustenaroma bestimmende Aromastoffe gebildet. Die vielen verschiedenen Möglichkeiten der Aromastoffbildung zeigen, wie komplex das Brotaroma und dessen Beeinflussung ist.
(gb)

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