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Druckansicht03.09.2007
Von Chioggia-Randen bis Stiefelgeiss-Pastete
Mit einer bescheidenen Starthilfe des WWF und viel Idealismus wurde die die Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, Pro Specie Rara, im Jahr 1982 zur Erhaltung von bedrohten einheimischen Nutzpflanzen und -tieren gegründet. Wo steht sie heute?


Mit publikumsattraktiven Projekten, wie der Zucht von Wollschweinen, der Rettung der Stiefelgeissen, deren letzte Exemplare bereits dem Metzger versprochen waren und den legendären «Acht-Wochen-Nüdeli»-Kartoffeln aus dem alpinen Ackerbau gewann Pro Specie Rara rasch an Sympathien und Gönnern. Nur die legendäre Freiburger Kuh konnte nicht mehr aufgespürt werden. Der letzte schwarzfleckige Muni soll um 1980 in Payerne geschlachtet worden sein.

Heute kann sich die Organisation auf über zweitausend aktive Mitglieder und mehr als sechstausend Gönner abstützen. Seit 2003 fördert Coop die Pro Specie Rara durch den Verkauf von Produkten und eine breit angelegte Kampagne zum Aufbau als Markenprodukte. Gastronomie und freier Detailhandel werden durch die Eichberg Bio AG beliefert.

Wie Béla Bartha, Geschäftsführer der Pro Specie Rara im Gespräch mit foodaktuell.ch darlegte, bietet das mit einer Tier- und Pflanzenschau auf dem Waisenhausplatz in Bern gefeierte Jubiläum auch Anlass, das rasche Wachstum der Organisation kritisch zu hinterfragen. Während Pro Specie Rara auf nationaler Ebene zu einer starken Marke wurde und selbst für Bundesbern international als Vorzeigemodell dient, sieht Bartha die Zukunft in einer besseren regionalen Verankerung.



Keine «Wollmilchsauen» aber die alte Rasse der Wollschweine, deren Zucht Pro Specie Rara fördert.

Eine solche besteht im Kanton St. Gallen, wo die Organisation gegründet wurde, in Graubünden und im Aargau. In der übrigen Schweiz sind es einzelne Personen, die durch lokale Initiativen zum Erfolg der Pro Specie Rara beitrugen. Bartha strebt eine vermehrte Zusammenarbeit mit der von Kantonen und Bund geförderten Vermarktung von Regionalprodukten an und mit vergleichbaren internationalen Institutionen wie Slow Food. Nachholbedarf besteht jedoch in der Westschweiz.

Pro Specie Rara schuf eigenes Label, dem bis heute etwa zweihundert Produzenten verpflichtet sind. Sie verfolgen in etwa dieselben Anforderungen wie das Demeter-Biolabel, doch liegt das Schwergewicht auf der nachhaltigen Produktion von traditionellen Nutzpflanzen und Tieren und ihrer Verarbeitung nach überlieferten Rezepten.

Die Produzenten erhalten gegen einen bescheidenen Betrag über Pro Specie Rara Zugang zu den Vertriebskanälen von Coop und Eichberg Bio AG, einer in Zukunft noch auszubauenden Internet-Plattform und einem attraktiven Programm an Messen, Märkten und Events. Dass die Produkte auf Bauernmärkten meist gartenfrisch verkauft werden, aber in Verkaufsständern von Coop oft nicht mehr so frisch sind, ist eine der Herausforderungen, der sich Coop, Produzenten und Pro Specie Rara stellen müssen.



Stiefelgeiss-Pastete in der Metzgereikette Kauffmann.


Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung der Genressourcen (NAP) dürften auch die letzte Gemüsesorte und die ausgefallenste Ziegenrasse inventarisiert sein. Doch Bartha und sein Team haben für die kommenden Jahre zwei weitere, neue Tätigkeitsfelder abgesteckt. Bereits an ihrer Jubiläums-Ausstellung in Bern wurden Blumen aus Bauerngärten gezeigt, die ab 2008 über die Gartencenter von Coop als Samen oder Setzlinge vertrieben werden. Erfolgversprechend ist ein erst im Entwurf vorliegendes Projekt zur Erhaltung von Heilkräutern und Medizinalpflanzen.

Die Ausstellung in Bern fällt durch Zufall mit der Eröffnung einer internationalen Konferenz der FAO zum Schutz der Genressourcen in Interlaken zusammen. Pro Specie Rara reagierte flexibel lagerte und einen Teil der Nutztierschau auf die Interlakener Höhenmatte aus. Bartha ist stolz auf seine Züchter, die ihre Tiere kurzfristig und sozusagen in Eigenregie den Delegierten aus aller Welt vorzeigen. Doch er lässt durchblicken, wie schwierig es ist, eine durch Idealismus von unzähligen Einzelpersonen zur international bekannten Organisation auf Kurs zu halten.
Text: Dr. David Meili


Jeden Monat stirbt eine Nutztier-Rasse aus

Mehr als 20 Prozent der Nutztier-Rassen sind weltweit bedroht: Dies steht laut der Nachrichtenagentur SDA in einem Bericht, den die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am Montag, 3. September in Interlaken BE präsentierte.In den letzten sechs Jahren ist monatlich eine Rasse ausgestorben. Diese Entwicklung sei alarmierend, warnte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf laut SDA anlässlich der Eröffnung der internationalen Konferenz zum Erhalt der Nutztiervielfalt.

Die weltweite Nachfrage nach Fleisch, Milch und Eier lasse die Massenproduktion enorm wachsen, schreibt Diouf im Vorwort des Berichts. Immer mehr Bauern würden importierte Tiere züchten. So machen heute 15 Tierrassen 90 Prozent aller Nutztiere aus. Die FAO hat Delegierte aus über 120 Ländern eingeladen, um einen globalen Aktionsplan zum Erhalt der Nutztier-Vielfalt zu erarbeiten. Zudem soll eine "Erklärung von Interlaken" die Länder zur angemessenen Bewirtschaftung tiergenetischer Ressourcen verpflichten. Bundesrätin Doris Leuthard wird am Dienstag, 4. September an der Konferenz erwartet (LID 3. September 2007)
(gb)

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