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.KONDITOREI: Geheimnis des cremigen Zuckerfondants erforscht
Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung und die TU Berlin haben Zuckerfondant unter der Lupe genommen und erlauben neue Einblicke in die Eigenschaften der süssen Konditoreiwaren-Glasur. Der Schlüssel ist die Zuckerkristallisation.

Zucker ist der Hauptbestandteil – und diesen schmeckt man deutlich: Sogenannter „Fondant“ oder Schmelzfondant, der auf Amerikanern oder auch bei Petit Fours als Glasur verwendet wird – nicht zu verwechseln mit dem ausrollbaren Fondant, der bei Motivtorten zum Einsatz kommt. Für viele ist der „Amerikaner“ – ein Gebäck mit süssem, weisslichen Überzug – eine Kindheitserinnerung beim Bäcker. Doch in der Glasur steckt viel Physik und Chemie.

Das Forschungsteam von Thomas Vilgis vom MPI für Polymerforschung aus dem Arbeitskreis von Kurt Kremer hat sich die mikroskopischen Eigenschaften des Modell-Fondants, der nur Zucker und Wasser enthält, bei seiner Erzeugung näher angesehen und ein unerwartetes Verhalten hinsichtlich seiner Zähflüssigkeit festgestellt. Ihre Ergebnisse könnten aber für noch weitere Prozesse in der Lebensmittelindustrie relevant sein, wie z. B. die Herstellung von zuckerreduzierten Glasuren.

Fondant wird hergestellt, indem Zucker mit Wasser vermischt wird. Durch Erhitzen in die Nähe des Siedepunktes kann noch mehr Zucker darin gelöst werden, als dies bei Raumtemperatur der Fall ist. Kühlt man die Mischung danach schnell ab, erhält man eine sogenannte „übersättigte“ Zuckerlösung. Diese hat mehr Zucker gelöst, als normalerweise bei dieser Temperatur möglich. Die Folge davon: Rührt man diesen zähflüssigen Sirup schnell um, entstehen darin mikroskopische Zuckerkristalle - man erhält Schmelzfondant.


Herstellung von Fondant. Mit den Ergebnissen des Max-Planck-Instituts könnte in Zukunft der industrielle Herstellungsprozess von Fondant optimiert werden. Und sie könnten für weitere Prozesse in der Lebensmittelindustrie relevant sein, wie z. B. die Herstellung von zuckerreduzierten Glasuren.


Diesen Herstellungsprozess haben die Forschenden um Vilgis nun im Labor mit einem Laborkneter nachgestellt. Diese High-Tech-Mixer ist in der Lage, während des Knetens die Zähflüssigkeit mit hoher Präzision zu messen. Gleichzeitig entnahmen sie zu verschiedenen Zeitpunkten des Knetprozesses Proben, um diese unter einem Mikroskop zu untersuchen und so mit der Zähflüssigkeit korrelieren zu können.

Hierbei haben sie festgestellt, dass die Mischung während des Kristallisierens zunächst stark zähflüssig wird, bevor sie ihren weniger zähflüssigen Endzustand erreicht. „Wir haben im Mikroskop gesehen, dass sich zum Zeitpunkt des Kristallisierens zunächst auch recht grosse Zuckerkristalle bilden, die im Bereich von 40-50 Mikrometern liegen“, so Thomas Vilgis. „Damit haben diese Mikrokristalle eine Grösse, dass man den Fondant auf der Zunge als leicht körnig empfinden würde“.

Rührt man nun weiter, erniedrigt sich die Zählflüssigkeit wieder und die Kristalle werden kleiner. „Man kann sich das so vorstellen, dass die grösseren Kristalle aneinander reiben. Je weiter man aber rührt, in desto kleinere Bruchstücke zerfallen sie“, erklärt Hannah Hartge, Erstautorin des Papers und Doktorandin bei Vilgis. Erst wenn der Punkt maximaler Zähflüssigkeit überschritten ist, kann der Fondant als cremig-süsser und glänzender Überzug verwendet werden.

Die Forschenden haben das Experiment in Abhängigkeit verschiedener Prozessparameter wie Temperatur oder Zuckergehalt durchgeführt: „Unsere Arbeiten zeigen das Zusammenspiel von Kristallisationsgeschwindigkeiten und Prozessparametern. So können wir Struktur und Funktion vorhersagen", sagt Hartge. "Bislang waren Lebensmittelsysteme wie Fondants kaum im Fokus der wissenschaftlichen Forschung, insbesondere der Physik." Ihre Ergebnisse könnten es erlauben, bei der Herstellung von Fondant oder auch anderen, ähnlichen Lebensmittelsystemen, Prozessparameter zu optimieren, und so das entsprechende Lebensmittel schneller und mit höherer Energieeffizienz herzustellen.

Die Wissenschaftler*innen konnten das Experiment auch mit einem einfachen theoretischen Modell beschreiben, der sogenannten „Nukleationstheorie“ bzw. „Keimbildungstheorie“. „Wir waren erstaunt, dass diese fast 100 Jahre alte Theorie das Experiment sehr gut beschreiben konnte – obwohl sie eigentlich für nicht-bewegte Flüssigkeiten geschaffen wurde, anders als unsere gerührte Fondantmasse“, so Vilgis.

Grund hierfür, so die Forschenden, ist, dass die Bewegung der Zuckermoleküle verglichen mit der Knetbewegung viel langsamer vonstatten geht und die Zuckermoleküle somit als „fast ruhend“ angesehen werden können. Für die industrielle Fertigung könnten die nun im renommierten Journal „Physics of Fluids“ veröffentlichten Ergebnisse helfen, die Prozesse bei der Fondantherstellung zu optimieren. (Max-Planck-Institut für Polymerforschung und Technische Universität Berlin)
(gb)

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