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Wie gesund ist Chilischärfe wirklich?
Capsaicin, der Chili-Scharfstoff, bewirkt keine Geschmacks- sondern eine Schmerzempfindung. Und es wird ihm nachgesagt, antibakteriell, geschmacksverstärkend und Herz-schonend zu wirken. Stimmt das?


Die Chilipflanze stammt ursprünglich aus dem Amazonasgebiet. Mit der Entdeckung Südamerikas und der Kolonialsierung gelangte sie später auf den nordamerikanischen Kontinent und in den fernen Osten. Notabene: erst 1950 wurde der Gemüsepaprika gezüchtet, der fast keine Scharfstoffe mehr enthält.


Zunächst scheint es unsinnig, Speisen scharf zu würzen, wenn dadurch Schmerzempfindungen ausgelöst werden. Theorien erklären, warum in Ländern wie Mexiko und Indien aus Gewohnheit scharf gegessen wird: Eine sagt, dass im heissen Klima die schweisstreibende Wirkung des Chiligewürzes (alias Cayennepfeffer) Kühlung verschafft. Eine andere weist darauf hin, dass der Chili-Scharfstoff Capsaicin Darmparasiten hemmt. Dies dürfte ein unbewusster Nutzen des üppigen Chilikonsums in Regionen mit Hygieneproblemen sein.

Sicher ist: Capsaicin reizt die Nerven, die für die Schmerz- und Wärmewahrnehmung verantwortlich sind. Das nehmen wir als Schärfe und als Brennen wahr. Der Körper reagiert auf diesen Reiz mit stärkerer Durchblutung (Wärmegefühl) und mit Schwitzen.

Die Chilischote bildet am Stengelansatz mehr, und in den weisslichen Scheidewänden am meisten Capsaicin. „An der Spitze ist die Schote am mildesten, dort sollte man sie zuerst degustieren“. Die Kerne bilden kein Capsaicin, nehmen es aber von den benachbarten Scheidewänden auf. Die Pflanzen produzieren Scharfstoffe zu ihrem eigenen Schutz, um Fressfeinde abzuwehren.

Ferner wirken Scharfstoffe als Geschmacksverstärker: Die gereizten Rezeptoren in den Schleimhäuten werden besser durchblutet, somit auch die benachbarten Geschmacksnerven, welche dadurch wiederum empfindlicher für die eigentlichen Geschmacksrichtungen süss, sauer, bitter, salzig und umami sind.

Wirkt scharfes Essen antibakteriell?

Studien zeigen, dass das Capsaicin positive Eigenschaften für den Körper hat. Es sorgt beispielsweise für die Ausschüttung von Endorphinen („Glückshormonen“). Capsaicin hilft auch bei Verdauungsstörungen, denn es regt den Speichelfluss und die Magensaftsekretion an. Allerdings wirkt das Capsaicin nicht so keimhemmend, wie oft behauptet, haben weitere Studien ergeben. Bei normalem Chili-Konsum reicht die Wirkstoff-Konzentration zum Abtöten von Bakterien in der Regel nicht aus, einfach mehr davon essen sollte man aber auch nicht: Dann drohen Magenprobleme und Durchfall. «Ein alleiniger „Gesundmacher“ ist scharfes Essen also nicht», sagt Harald Seitz, Ernährungswissenschaftler im Bundeszentrum für Ernährung BZfE.



Capsaicin hemmt schon in einer 10’000-fachen Verdünnung gewisse Bazillenarten. Die Hemmwirkungen übertragen sich jedoch nicht auf den Menschen, da wir die Gewürze in zu geringen Mengen aufnehmen.


Chili soll möglicherweise das Risiko für kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen (Störungen der Blutversorgung des Gehirns) verringern. Das jedenfalls legen Ergebnisse einer Studie aus Italien nahe. Die Sterblichkeit lag bei den Teilnehmenden, die ihr Essen regelmässig mit Chilipfeffer würzten, deutlich niedriger als bei Personen, die niemals oder selten Chilipfeffer verwendeten.

Allerdings: Es handelt sich um eine retrospektive Assoziationsstudie. Diese kann mögliche Kausalzusammenhänge zwar nahelegen, jedoch nicht endgültig nachweisen. „Die Frage ist, ob man tatsächlich mit so einer simplen Massnahme wie dem scharfen Würzen das kardiovaskuläre Risiko in einem relevanten Ausmass reduzieren kann“, so der Neurologe Professor J. David Spence vom Stroke Prevention and Atherosklerosis Research Center, London, Ontario.

Biologisch scheint der protektive Effekt scharfer Gewürze aber zumindest teilweise plausibel. Denn für den wesentlichen Wirkstoff der Chilischote (Capsaicin) wurden in experimentellen wie klinischen Studien günstige Effekte auf Funktionen des Herzkreislaufsystems und auf metabolische Vorgänge sowie antientzündliche Wirkungen nachgewiesen. Entscheidend scheine aber das komplette Ernährungsmuster und weniger eine einzelne Nahrungskomponente zu sein, so Spence. Besonders günstig sei eine mediterrane Kost, reich an Früchten, Obst, Fisch und Vollkorn. „Mit einer Prise Tabasco wird man aus Fastfood kein gesundes Essen zaubern können.“

Wie misst man den Schärfegrad?

Der «offizielle» Schärfegrad wird durch Analysen ermittelt und in Scoville-Einheiten ausgedrückt. Eine milde Sauce liegt bei 1000 Scoville, die schärfste «Habanero»-Sauce kann bis 500'000 Scoville reichen. 15 Scoville-Einheiten entsprechen ungefähr 1 ppm an Capsaicin inklusive Capsaicinoiden. Gewürzhersteller verwenden eine Skala von 1 bis 120. Ein Schärfegrad von 20 wird von Europäern schon sehr scharf empfunden. (Infos teilweise von der Uni Graz und von BZfE)
(gb)

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