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Mild aber triebhaft sei der Sauerteig
Am Anfang der Brot-Geschichte steht der Fladen. Schon vor 7000 Jahren backten die Ägypter Getreidebrei in dieser Form, aber ob sie die Fladen säuerten, ist umstritten. Vermutlich entstand erst mit der Zeit dank Gärung ein schmackhaftes und lockeres Brot.


Die Zürcher Bäckerei Vierlinden ist spezialisert auf Bio- und Sauerteig-Brote

Sauerteigbrote sind urtümliche Brotsorten und dank des würzigen Geschmacks von Liebhabern geschätzt. Vor allem in Deutschland aber auch in der Schweiz gibt es Bäckereien, welche die komplizierte Herstellung beherrschen. Eine davon ist die Zürcher Vierlinden-Bäckerei. Bäckereichef Christoph Huber verwendet entweder gäraktives, säurebildendes Backferment aus Deutschland oder, als Rarität im Bäckergewerbe, einen selbst gezüchteten Sauerteig.

«Unsere Brote schmecken damit milder als deutsche», betont Huber. Ein solcher Teig ist aber kein normiertes Industriefabrikat: Man muss mit Schwankungen rechnen und stetig daran arbeiten. Dafür erhält das Brot einen individuellen, urtümlichen Geschmack.

Die Vierlinden-Filialen verkaufen Sauerteigbrote zweimal pro Woche, in Zukunft möchte Huber sie jedoch täglich anbieten. Sie enthalten Vollkornmehl aus Roggen oder mit Weizen gemischt und werden ohne Hefe gegärt. Hubers Team stellt ebenfalls Vollkorn-Brote mit sowohl Sauerteig als auch Hefe her. Aber die meisten Vierlinden-Brotsorten wie Nussbrot oder Dinkelbrot enthalten Backferment, einige auch Hefe. Huber mahlt Weizen und Roggen in seiner eigenen Steinmühle, verwendet Demeter-Bio-Zutaten und backt die Brote im Holzofen.

Mehrstufiger Sauerteig ist Geduldssache

Wie man Sauerteig züchtet, bleibt das Geheimnis der meisten Bäcker. Einige verwenden geraffelte Äpfel, andere Traubenmost. Huber verrät seine komplizierte Methode: Er mischt Roggenmehl mit Wasser und Joghurt, lässt die Joghurtbakterien gären und frischt den Ansatz täglich mit Mehl und Wasser auf. Aus der Luft gelangen auch wilde Hefen hinein. Dieser «Sauerteig-Chef» sollte am Ende seiner einwöchigen Ruhezeit in fünf Stunden sein Volumen verdoppeln. Dann gilt er nach den Masstäben der Bäckerei-Fachschule Richemont als ausgereift und «triebhaft».



Sauerteig gibt es auch als standardisiertes Flüssig-Halbfabrikat wie im Bild von der deutschen Firma Böcker.


Beim Teig ist Triebhaftigkeit also ein Zeichen von gesundem Charakter. Den «Chef» verkrümelt Huber mit so viel Mehl, dass er im Kühlschrank haltbar wird. Um ihn wieder zu aktivieren, verdünnt er ihn mit der zehnfachen Mehl- und Wassermenge und lässt ihn zwanzig Stunden ruhen sprich gären. Diesen «Hebel» mischt er in die dreifache Mehl- und Wassermenge und hält nun den «grünen» Brotteig in den Händen. Bevor er den Teig backt, lässt er ihn nochmals ruhen, damit er aufgeht. Das aufwändige Prozedere verbessert den Brot-Geschmack und verlängert die Frischhaltung. Bild: in der Bäckerei Vierlinden.

Mikroskopien von ägyptischen Brot-Ausgrabungen der Dynastie um 2850 v. Chr. deuten eher auf kompakte als gesäuerte und gelockerte Teige hin. Erst später und wohl durch Zufall entdeckte der Mensch, dass Getreidebrei beim Stehen lassen spontan zu gären beginnt. Heute weiss man, dass dabei Milchsäure-Bakterien über die Luft hineingelangen. Gesäuerte Brote schmeckten viel besser, waren lockerer und leichter verdaulich. Wer die Kunst des Sauerteig-Gärens beherrschte, konnte begehrte Brote backen. So entstand in biblischer Zeit der Bäckerberuf. Als um 1300 v. Chr. die Israeliten aus Ägypten auszogen, kannten sie das gesäuerte Brot. Man kann es im Alten Testament nachlesen.

Römer und Griechen verbesserten die Backkunst und verhalfen ihr zur Ausbreitung nach Nordeuropa. Die Kelten im heutigen Frankreich und Spanien, wo schon früh Wein und Weizen bekannt war, verwendeten bereits um 200 v.Chr. Traubenmost-Schaum, um die Teiggärung anzustossen. Bis im Mittelalter assen unsere Vorfahren auch in Europa nebst Getreidebrei fast nur Sauerteig-Fladenbrote.

Eine Alternative entstand erst im 19. Jahrhundert durch die Entdeckung der Hefe. Auch diese gibt dem Brot einen guten Geschmack, aber zusätzlich mehr Volumen, denn sie produziert Kohlensäuregas. Aber Hefen verlängern die Frischhaltung nicht, dies können nur die Säuren, indem sie beim Backen die Stärke spalten. (GB)

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(gb)

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