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An Weihnachten Pasteten auf den Teller
Pasteten sind Weihnachts-Spezialitäten. Früher wollte man Fleisch unter dem Pastetenteig verstecken, heute verwendet man edle Zutaten für die Festtage. Aber auch Nose-to-Tail-Zutaten eignen sich.


Richelieu-Pastete der Genfer Metzgerei «du Palais» mit Goldmedaille des Regionalprodukte-Wettbewerbs


An Fürstenhöfen stellten Pasteten einst den Höhepunkt eines Festmahls dar. Sie waren wegen ihrer aufwändigen Herstellung lange Zeit ein Gericht zum Repräsentieren, für dessen Zubereitung Pastetenbäcker zuständig waren. Heutzutage ist in der Schweiz die Herstellung von Pasteten und Terrinen auf wenige Spezialisten konzentriert. Die Herstellung verlangt zwar viel handwerkliches Können, aber das damit erworbene Know-how bietet Metzgereien und Gourmetrestaurants die Möglichkeit, sich am Markt zu profilieren.

Zu einer Industrialisierung oder Automatisierung kam es bei der Herstellung von Pasteten und Terrinen nicht. Spezialisierte Hersteller setzen auf Arbeitsteilung, die sich bei Saisonspitzen bewährt. Ein Beispiel: «Le Patron» arbeitet in der Vorweihnachtszeit mehrschichtig mit 450 Mitarbeitenden im Vergleich zu 220 während des Jahres. «Im Dezember herrscht bei uns der absolute Ausnahmezustand», ist bei der Firma zu hören. «Fast 20‘000 Pasteten verlassen täglich unser Haus».



Handwerkliche aber rationelle Pastetenproduktion bei «Le Patron».


Die Orior-Tochter setzt auf das Know-how der Metzger, Bäcker und Köche unter den Mitarbeitern und auf eine minutiöse Arbeitsteilung mit fein abgestimmten Abläufen im Herstellprozess. 96 Arbeitsschritte sind bis zur fertigen Pastete erforderlich! Die Herstellung der Farce aber auch die Behandlung des Mürbteigs braucht viel handwerkliches Geschick.

Regionale Vorlieben

Pasteten und Terrinen sind in der Westschweiz allgemein beliebter. Umsatzmässig kaufen Westschweizer Kunden bei Le Patron gleich viele Pasteten wie die zahlreicheren Kunden der Deutschschweiz. Bei Terrinen liegt der Westschweizer Anteil noch höher. Bei den Sorten gibt es regionale Vorlieben: Westschweizer mögen auch Produkte mit einer gröberen Struktur. In der deutschen Schweiz laufen Produkte mit feinen Farcen besser.

Gemäss Le Patron wollen die Konsumenten bei Terrinen und Pasteten am ehesten in der Wildsaison etwas Neues ausprobieren, so etwa Hirsch-Pastete mit Marroni und Johannisbeersulz oder Hasen-Terrine mit Zwiebelconfit und Quittengelée. Stark im Trend sind Minis in Tranchen für Apéros. Vor allem das Abpacken der Einzeltranchen in Tiefzugschalen unter Schutzatmosphäre ermöglichte den Pasteten den Siegeszug in die Kühlregale der Frische-Convenience. Gemäss Stohler erreichen rund zwei Drittel der Produkte in dieser Verpackungsart die Konsumenten.


Terrinen der Neuenburger Metzgerei Schwartz aus Fleisch
vom Schwein, Kalb oder Wild, Speck und Schweineleber in
tiefkühlbeständiger Kunststoffform.


In der betrieblichen Hygiene sind einige kritische Punkte zu beachten. So ist der Sulz zwischen Farce und Teigdeckel ein idealer Nährboden für Mikroorganismen. Beim Backen muss die Kerntemperatur 72 Grad erreichen. Das Wichtigste sind allerfrischeste Rohwaren für das Grundbrät. Auch die moderne Technik bietet Möglichkeiten: So liess der kleine Premiumhersteller Stocker’s Degusta in Interlaken eine eigene Terrinenform aus Polyethylen entwickeln, welche für die Garung im Steamer wie auch im Wasserbad in Frage kommt. Zudem ist die Form mikrowellen- und tiefkühlbeständig.

Einige Metzgereien stellen selbst Pasteten und Terrinen aus Hausspezialität her, so etwa die Genfer «Boucherie du Palais». Ein ganz anderes Geschäftsmodell vefolgt der im jurassischen Glovelier wohnhafte Yves Joliat. Der Artisan-Traiteur besitzt keinen Laden, produziert nur auf Anfrage Pasteten und liefert sie tranchiert auf Platten direkt etwa zur Hochzeitsgesellschaft oder ans Firmenbankett. Der nebenbei auch als Berufsschullehrer tätige Joliat schwört auf Ultra-Frische und wechselt die Zutaten saisongerecht ab. (GB)



Absinth-Pastete der Genfer Metzgerei «du Palais» (Vidonne).


Früher: Verstecken und kaschieren

Einer der Vorzüge der Pastete besteht in ihrer Hülle: Das «Verstecken» von Fleisch unter dem Pastetenteig ermöglichte früher seinen Genuss auch in Fastenzeiten, wenn einem der Sinn einmal nicht nach Verzicht stand. Der grosszügige Einsatz intensiver Gewürze trug das seine zur Tarnung bei. Überdies liess sich auf diese Weise zähes und zu kurz gereiftes Fleisch verwerten und schlechter Geruch überdecken, so dass der Ahnungslose nicht realisierte, was er ass. Durch den Fleischwolf gedreht, allenfalls mit kleinen Fleischstücken versetzt und entsprechend gewürzt, konnten dabei so manche Jagdsünden kaschiert werden, wenn die Fleischqualität durch Hetzjagden Schaden genommen hatte.

Das Abschmecken der Farce mit oft mehr als 15 verschiedenen Gewürzen diente nicht nur der olfaktorischen Täuschung, sondern zeugte zu Beginn der Neuzeit vom Reichtum der Gastgeber, sich teure exotische Gewürze in grosser Menge leisten zu können. Zudem trugen Pfeffer, Zimt und Muskatblüte zur längeren Haltbarkeit bei. Während man früher alles verwendete, was man an Gewürzen vorrätig hatte, werden heute für Wildpasteten spezielle Gewürze wie Pfeffer, Paprika, Majoran, Thymian, Basilikum, Muskatnuss und -blüte, Lorbeer, Nelken und Wacholderbeeren bevorzugt. Pilzeinlagen wie Morcheln oder Trüffeln bringen zusätzliche Aromen ins Spiel.


Richelieupastete von Le Patron mit SFF-Goldmedaille 2013


Eine einfachere Variante der Pastete ist der angelsächsische Pie, bei dem man den Fleischteig in eine Backform füllt und nur noch mit einem Teigdeckel verschliesst. Die Terrine schliesslich wird - wie die in Förmchen pochierte Timbale - ganz ohne Teig und Hülle im Wasserbad gegart. Und grosse Jagdbankette boten einst auch Gelegenheit, die «Schwester» der Pastete, die Galantine, zur Hochform zu entwickeln: Nicht Teig umhüllt bei diesem klassischen Entree der gehobenen Küche die Farce, sondern Haut und Muskeln eines aufwändig entbeinten Tieres. Die knochenlose Hülle wird gefüllt und wieder in die alte Form gebracht. Im Gegensatz zur Pastete wird die Galantine jedoch nicht gebacken, sondern im Wasserbad gegart. (Auszug aus dem «grossen Buch vom Wild» von diversen Autoren, erschienen im Gräfe Unzer Verlag, www.gu.de).

Legehennen-Pastete im Stil von «Nose-to-tail»

Raffael Jenzer, Sohn des Arlesheimer Metzgermeisters Christoph Jenzer, macht derzeit die Berufslehre als Fleischfachmann im 3. Lehrjahr und bearbeitet ein sinnvolles Berufsmaturprojekt. Er hat eine Pastete aus nicht mehr nachgefragten Stücken der Legehenne entwickelt und will damit zeigen, dass es neben dem Pouletbrüstli noch eine fast vergessene Pouletleber gibt oder neben dem Ei das Fleisch der Legehenne. Schweizer Konsumenten kochen heute gern magere Kurzbratstücke, aber ein Suppenhuhn, welches man ein paar Stunden kochen muss, ist nicht mehr beliebt.

In der Schweiz werden von den zwei Millionen Legehennen rund ein Drittel nicht mehr gegessen sondern zu Biogas verarbeitet, obwohl sie schmackhaftes Fleisch haben. Auch die Pouletleber war früher eine beliebte Beilage zu Salat, heute jedoch schreckt schon der Name die meisten Leute ab.

Raffael Jenzer und sein Lehrkollege Tobias Baumann entwickelten daher aus Legehennenfleisch und Leber eine Pastete, um eine sinnvolle Spezialität zu kreieren (Bild). Auch für den Pastetenteig verwenden sie kein ökologisch umstrittenes Palmöl sondern Schweinefett vom Freilandsäuli.

Die Pastete enthält in der Farce 41% Legehennenfleisch von «Geflügel Gourmet», 6% Pouletleber von Kneuss, Poulethaut, Weisswein, Äpfel, Steinsalz, Gewürze, Milcheiweiss, Cognac, Senf, Hefeextrakt, Natriumnitrit. Und im Teig Weissmehl, Schweinefett vom Freilandsäuli, Butter, Wasser, Kochsalz. Der Verkaufsreis der Pastete ist ähnlich wie jener der Kalbfleischpastete.

«Geflügel Gourmet» entwickelte eine Schlachttechnik, um rationell und hygienisch Wurstfleisch zu gewinnen, ohne das Tier zu öffnen. Da mit dem Wurstfleischpreis der gesamte Schlachtprozess bezahlt werden muss, liegt das Wurstfleisch preislich auf ähnlichem Niveau wie Kalbs-Wurstfleisch. Kneuss dagegen schlachtet auf normale Art Masthühner und gewinnt daher auch die Leber, entsorgt jedoch mangels Nachfrage einen grossen Teil davon. Die beiden Lernenden hoffen mit ihrer Arbeit die Konsumenten wachzurütteln und ihr Kaufverhalten zu überdenken. Warum nicht am Weihnachtsessen eine feine Coq au vin Pastete zur Vorspeise statt einem Carpaccio vom Rindsfilet? (Text und letztes Bild: Christoph Jenzer, www.goldwurst.ch)
(gb)

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