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Scharf würzen und den Brand löschen
Scharfe Speisen sind heute «in», auch in der Schweiz. Welche Scharfstoffe gibt es und wie entschärft man eine Überdosis?

Chemisch betrachtet gibt es mehrere Arten von Scharfstoffen, aber der stärkste und wichtigste für die Herstellung von Würzmischungen ist Capsaicin, die Schärfe der Chilischote. Sie erhöht beim Essen den Speichelfluss sowie die Magensaftabsonderung und treibt Schweiss auf die Stirn. Beim Hautkontakt erweitert es die Blutgefässe, daher rötet sich die Haut.

Da diese Empfindung nicht auf eine tatsächliche Temperaturerhöhung zurückgeht, können auch kalt genossene scharfe Speisen als „heiss“ wahrgenommen werden. Die Schärfe von Speisen wird nur zusätzlich unmittelbar durch ihre Temperatur mitbestimmt. Scharf gewürzte Speisen schmecken umso schärfer, je heisser sie serviert werden.

Diese Schärfewahrnehmung gilt nicht - wie süss und sauer - als Geschmacksstoff sondern als Schmerzfaktor: Capsaicin reizt die Wärme- und Schmerz-Sensoren des Nervensystems, aber der «Schmerz» ist eine Art Leerlauf des Nervensystems. Capsaicin ist der schärfste aller Scharfstoffe.

Scharfe Produkte sollte man langsam degustieren, da die Schärfeempfindung mit Verzögerung eintritt und nachhängt. Auch scharfe Speisen sollte man nicht zu rasch essen. Das Schärfeempfinden ist individuell. Einige Menschen können reines Capsaicin bis zu einer millionsten Verdünnung noch wahrnehmen.

Scharfe Gewürze im Überblick

Chilipulver ist die getrocknete und gemahlene tropische Chilifrucht. Sie enthält bis über 1 % Capsaicin, welches an den Scheidewänden der Schote in kleinen öligen Tropfen oder Kristallen abgeschieden wird. An deren Zahl kann der Schärfegrad abgeschätzt werden. Capsaicin ist der schärfste aller Scharfstoffe und hängt lange im Mund nach. Reines Capsaicin ist bis zu einer Verdünnung von 1 : 100'000 noch spürbar.

Paprika ist eine Verwandte der Chilipflanze. Rosenpaprika ist der hellste und schärfste, weil bei seiner Herstellung auch die Samen und Scheidewände mitvermahlen werden. Peperoncini sind kleine scharfe Paprikaschoten.

Pfefferkörner sind die Früchte des tropischen Pfefferstrauches. Sein Scharfstoff Piperin kommt bis zu 8% in den Körnern vor, aber wirkt rund 15 mal schwächer als Chilischärfe. Grüner Pfeffer ist die unreif geerntete Frucht und milder als weisser. Der schwarze hat die stärkste Pfeffernote und am meisten Schärfe. Das ätherische Öl verflüchtigt sich rasch, die Schärfe bleibt jedoch erhalten.

Rosa Pfeffer ist botanisch gesehen kein Pfeffer sondern die Beere des peruanischen Schinusbaumes. Er schmeckt pfefferig aber nicht scharf. Rosa Pfeffer ist nicht unumstritten, steht er doch im Verdacht, Erbrechen und Durchfall zu verursachen.



Weisser Pfeffer ist milder als schwarzer.


Cayennepfeffer ist eine Chiliart mit langen, roten, scharfen Schoten, die in den USA angebaut wird. Über ihren Ursprung ist nur bekannt, dass sie nicht von Cayenne stammt.

Piment oder Nelkenpfeffer sind die unreifen Beeren eines karibischen Baumes. Er besitzt leichte pfefferartige Schärfe und einen süsslichen Geschmack mit Muskat- und Zimtnote.

Piquanté-Frucht: kugelförmig, rot, süss-scharf. Im Glas unter der Marke «Peppadew». Weil die südafrikanische rote und leicht scharfe Peperoni-Verwandte frisch nicht haltbar ist, kommt sie nur als Konserve in den Handel.


Peppadew aus Südafrika: auch bei uns als Apero sehr beliebt, oft mit Frischkäse gefüllt.


Senf enthält scharfes schwefelhaltiges Senföl, das sich im Fett löst und bei längerer Aufbewahrung verdunstet. Senföle sind flüchtig und reizen die Augen.

Meerrettich weist Senföl auf, welches Geschmack und Schärfe enthält. Es besitzt eine starke hautreizende Wirkung.

Ingwer enthält brennend scharfes Gingerol, welches wie Capsaicin Schweissausbrüche verursacht.

Tabascosauce ist abgesehen von der Schärfe eher langweilig und essiglastig. Ihr Erfolg ist mehr auf gutes Marketing und einen tiefen Preis als auf besonderen Geschmack zurückzuführen.

Auch andere Kontinente kennen Chilisaucen: Die nordafrikanische Variante heisst Harissa, indonesische Sambalsaucen enthalten Chili und Zwiebeln, chinesische Hoisinsaucen Chili und Soja. Auch Curry enthält Chili: Der schärfste indische Curry heisst Vindaloo.



Currypaste ist ein öllösliches Geschmacks-Konzentrat



So löscht man den Chili-Brand

Die besten Methoden gegen Chilischärfe bestehen im Trinken von Milch oder dem Essen von Milchprodukten wie Käse oder Joghurt. Das in diesen Lebensmitteln enthaltene Fett löst das Capsaicin und mindert damit die Schmerzempfindung. Unter anderem deswegen sind vor allem mexikanische Gerichte oft mit Käse überbacken. „Bei einer Überdosis Chili kann man den Mund mit Milch spülen“ empfiehlt man am Tox-Zentrum Zürich.

Ebenso verhält es sich mit Alkohol, auch dieser löst das Capsaicin. Eine andere Möglichkeit zur Schmerzlinderung ist das Essen von trockenem Brot. Hierbei wird der Speichel und somit auch das Capsaicin vom Brot aufgesogen und kann geschluckt werden, ohne weiter die Rezeptoren zu reizen. Gegen Nachbrennen im Magen-Darm hilft Aktivkohle. Und „auch Schnaps kann das Brennen im Mund löschen, da sich Capsaicin im Alkohol löst“. Der seinerseits „brennende“ Alkohol kann natürlich mit Wasser gelöscht werden.

Der Versuch, die Wirkung von Chili durch Trinken von Wasser oder anderen Getränken zu mildern, ist zumeist vergebens. Obwohl die Rezeptoren für das Hitzeempfinden verantwortlich für scharfe Gewürze sind, bewirken Getränke ausser einer Kühlung, die kurzfristig zu einer Besserung führen kann, zumeist eher eine Verteilung des Capsaicins und somit einen entgegengesetzten Effekt: nämlich ein noch stärkeres Brenngefühl.

Bei intensivem Hautkontakt durch das Rüsten der Schoten können Verbrennungen entstehen, von Rötungen bis Blasenbildungen. In diesem Fall muss man die Hände mit warmem Wasser und Seife oder Essig waschen. Da Capsaicin die Schleimhaut reizt, darf es nicht in die Augen gelangen. Geschieht es trotzdem, hilft nur zehn Minuten Spülen mit warmen Wasser. Beim Essen kann man keine schädliche Dosis von Capsaicin aufnehmen, dafür sorgen rechtzeitig unsere Geschmacksnerven.

Capsaicin wird für Pfeffersprays zur Selbstverteidigung verwendet: Der Angesprayte empfindet echten Schmerz, wird aber nicht verletzt. Scharf-Essen ist demzufolge Nervenkitzel im wahrsten Sinn des Wortes. Capsaicin wird auch in Heilmitteln verwendet, vor allem in Salben gegen Muskelschmerzen, um die Durchblutung anzuregen. In der traditionellen Medizin Chinas und Indiens spielen Rezepturen mit Pfeffer eine grosse Rolle. Auf diese Weise behandelt man Erkältung, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und verdorbenen Magen. In Ostasien gilt Chili gar als Aphrodisiakum.

Der offizielle Schärfegrad

Die Schärfe von Chilies wird in „Scoville-Einheiten“ gemessen; dabei handelt es sich ursprünglich um eine subjektive Masszahl, die durch Geschmacks­vergleich zwischen unterschiedlich verdünnten Chiliextrakten festgelegt wurde. Allerdings bestimmt man die Stärke von Chilies heute meist mittels HPLC (high performance liquid chromato­graphy oder Hochleistungs­flüssig­chromato­graphie), deren Resultate sich mit der traditionellen Scoville-Skala grob korrelieren lassen:

Demnach entsprechen 15 Scoville-Einheiten ungefähr einem ppm an Capsaicin plus Capsaicinoiden. Die schärfsten Kultivare (Capsicum chinense) bringen es auf 200000 bis 300000 Scoville-Einheiten, während die immer noch extrem scharfen Thai-Chilies kaum 100000 erreichen. Handelsübliche Formen wie der jalapeño (der Standardchili in den Vereinigten Staaten) oder der italienische peperoncino liegen generell unter 5000 Scoville-Einheiten. Scoville-Angaben beziehen sich üblicherweise auf getrocknete Chiles; im frischen Zustand sind sie wegen des Wassergehaltes um ungefähr eine Grössenordnung milder.

Obwohl es Tabellen mit Daten über die Schärfe verschiedener Chili-Kultivare gibt, darf man deren Genauigkeit nicht überschätzen: Chilies sind sehr variabel in ihren Inhaltsstoffen, sogar Früchte, die zur selben Zeit von der selben Pflanze geerntet wurden, können sich in ihrer Schärfe dramatisch unterscheiden.

Chilies enthalten mehr oder minder dieselben Geruchs- und Geschmacksstoffe wie Paprika, aber ihr Gehalt an Capsaicin (dem Amid von 3-Hydroxy-2-methoxy-benzylamin mit 8-Methyl-6-nonensäure) und verwandten Verbindungen (in ihrer Gesamtheit als Capsaicinoide bezeichnet) ist wesentlich höher und kann bei den in Europa und Asien üblichen Arten bis zu 1% (entspricht 150000 Scoville-Einheiten) betragen.

Die unterschiedlichen Capsaicinoide tragen unterschiedlich viel zur Schärfe bei, doch die konventionellen analytischen Methoden liefern immer die Summe aus Capsaicin und Capsaicinoiden; daher ist der analytisch bestimmte „Capsaicingehalt“ nicht immer ein verlässliches Mass für die physiologisch empfundene Schärfe.

Dihydrocapsaicin, das wichtigste Capsaicinoid, macht etwa ein Drittel der gesamten Capsaicin-&-Capsaicinoid-Fraktion aus. Andere Capsaicinoide (nor-Dihydrocapsaicin, homo-Dihydrocapsaicin, homo-Capsaicin) treten nur in Spuren auf. Die Art Capsicum chinense gilt als die schärfste Chili-Art; typische Capsaicinkonzentrationen liegen bei 2% oder 300000 Scoville. Eine proprietäre Sorte davon (Red Savina Habanero) hielt für einige Jahre unangefochten den Weltrekord mit gemessenen 3.7% Capsaicin (577000 Scoville). Obwohl keine spätere Messung diesen hohen Wert bestätigen konnte, sind diese Früchte auf jeden Fall atemberaubend scharf! (Uni Graz)

(gb)

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