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METZGEREI: Das Geheimnis der Rohwurst-Starterkulturen
Seit Urzeiten wird die Stabilität von Fleischwaren durch Fermentation, Pökeln und Trocknen verbessert. Kulturen von Mikroorganismen bilden ferner Aromen, Textur und Farbe.


Starterkulturen bauen den Zucker im Fleisch zu Milchsäure um und bewirken dadurch das für die Reifung notwendige Absäuern der Rohwurst. Katalase baut Peroxide ab, die sonst die Farbbildung negativ beeinflussen können. Schimmelkulturen auf luftgetrockneten Würsten verhindern unerwünschte Schimmelpilze der Umgebung, verzögern Trockenränder und stiften Aromen.


Fermentation ist eine der ältesten und gesündesten Techniken der Haltbarmachung. Aus frischem Fleisch, Fett, Salz, Gewürzen wird mit der Zeit durch Reifung, d.h. Fermentation und Abtrocknung eine stabile und schmackhafte Rohwurst. Die Fermentation geschieht heute normalerweise durch Starterkulturen. Dies sind meist Mischkulturen aus hochspezialisierten Bakterienstämmen. Sie nehmen im komplexen System der Rohwurst viele Aufgaben wahr: So bewirken sie etwa, dass die Reifeprozesse standardisiert ablaufen.

Glykogenreserven im Gewebe und der zugegebene Zucker werden von Milchsäurebakterien zu Milchsäure verstoffwechselt, welche die Matrix ansäuert und den pH-Wert absenkt. Das Enzym Katalase baut Peroxide ab, die ansonsten die Farbbildung der Rohwurst negativ beeinflussen können. Ferner sorgt der gesamte Reifeprozess bei der Rohwurstproduktion für die Geschmacksbildung. Aromabildende Mikroorganismen erzielen den sortentypischen Geschmack, der von mild bis kräftig variieren kann. Die Produkte werden ferner mehr oder weniger stark getrocknet, wodurch das Wasser aus dem Innern an die Produktoberfläche wandert, dort verdunstet und die Wasseraktivität (aw-Wert) senkt.

Durch auf die Starterkultur abgestimmte Gewürze erhalten die sensorisches Geschmacksprofil. Ursprünglich wurden Rohwürste ohne zusätzliche Zugabe von Mikroorganismen hergestellt. Eine «Hausflora» bildete sich, die aus den Rohmaterialien (v.a. Fleisch), von Gerätschaften und aus Produktionsräumen stammte. Solche spontane Fermentationen sind aber mit Risiken verbunden, die von Fehlaromen bis zur Gesundheitsgefährdung führen können.

Neben dem Aromaerlebnis ist Lebensmittelsicherheit das höchste Gebot bei der Herstellung. Bei fehlenden konservierenden Massnahmen ist die Sicherheit und mikrobiologische Stabilität roher Fleischprodukte schnell in Gefahr. Daher ist es unerlässlich, die Hygienesicherheit zu jedem Zeitpunkt der Reifung zu gewährleisten. Dies ist die Aufgabe der Schutzkulturen: Dies sind Bakterien, Schimmelpilze und Hefen, die das Wachstum verderbniserregender und pathogener Mikroorganismen hemmen, diese verdrängen oder abtöten.

Rohes Fleisch begünstigt das Wachstum verschiedener auch unerwünschter Mikroorganismen insbesondere aufgrund seines pH-Wertes (etwa 5,6 – 6,1 bei Schweinefleisch und etwa 5,6 – 6,5 bei Rindfleisch), seines hohen aw-Wertes (etwa 0,99) und seines hohen Proteingehalts (etwa 22 g/100 g bei magerem Rind- und Schweinefleisch) Heute kommen in der Regel Milchsäurebakterien als Schutzkulturen zum Einsatz, da sie als unbedenklich gelten. Entscheidend ist die richtige Abstimmung von Starterkulturen, Reifemittel und Würzung, um eine sichere Herstellung von Rohwurstspezialitäten zu garantieren.

Was leisten Starter- und Schutzkulturen?

Milchsäurebakterien sind bei den heute üblichen Fermentationstemperaturen (über 18 C) wichtig für die Sicherheit von Rohwurst, auch bei nur schwach gesäuerten Erzeugnissen. Kulturen, die katalase-positiven Kokken enthalten, wirken den negativen Effekten von Milchsäurebakterien auf die Sensorik der Produkte entgegen. Allerdings ist gemäss der Uni Fulda die Wirkung von Starterkulturen bei Kaltreifung gering.

Der Einsatz geeigneter Milchsäurebakterien-Stämme als Schutzkulturen kann insbesondere bei gegarten Fleischerzeugnissen die Produktsicherheit verbessern, wenn die Kulturen die Prävalenz von Listeria monocytogenes vermindern und das Produkt möglichst wenig sensorisch verändern. Denn gegarte Fleischerzeugnisse können beim anschliessenden Aufschneiden und Verpacken leicht rekontaminiert werden.

Bacteriocine, die von einigen Milchsäurebakterien-Stämmen im Produkt gebildet werden, können zur erwünschten Wirkung beitragen. Allerdings sollte dies nicht überbewertet werden, vor allem nicht bei Rohwurst. Und dem Einsatz bacteriocinbildender Kulturen sind auch lebensmittelrechtlich Grenzen gesetzt.

Die wichtigsten Rohwurstkulturen

Ein Bericht der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft DLG beschreibt den Einfluss von ausgewählten Kulturen und der Salzzugabe auf die Reifung von Rohwurst: Im Verlauf der Reifung unterstützen und optimieren ausgewählte Mikroorganismenkulturen die komplexen mikrobiologischen und enzymatischen Prozesse auf vielfältige Weise. Anhand der Funktionen, Anwendungen und Klassifizierung kann man die eingesetzten Stämme in vier Gruppen unterteilen: Milchsäurebakterien, Staphylokokken, Hefen, Edelschimmel.

In der Gruppe der Milchsäurebakterien sind in erster Linie Laktobazillen und Pediokokken von Bedeutung. Sie wandeln Zucker in Milchsäure um, bilden Aromakomponenten und spielen als dominierende Flora in Rohwürsten und Rohpökelwaren eine wichtige Rolle im Nährstoffwettbewerb und unter Aspekten der Konkurrenzflora. Die Geschwindigkeit der Absäuerung ist dabei stammspezifisch und nicht zuletzt abhängig von der Temperatur sowie der Art der zugesetzten Zucker.

Milchsäure ist ein antimikrobiell wirkendes Stoffwechselprodukt wie notabene auch Essigsäure. Je schneller sie gebildet wird, desto schneller nimmt der pH-Wert ab und eine Vielzahl an unerwünschten Mikroorganismen werden in ihrer Aktivität gehemmt oder gar reduziert. Darüber hinaus führt die Ansäuerung der Fleischmatrix zur Löslichkeit und Koagulation der Proteine. Die Fähigkeit der Texturbildung und der Wasserbindung werden dadurch ganz wesentlich beeinflusst, ebenso wie die Wasserabgabe und der Abtrocknungsprozess.

Da Milchsäurebakterien gut an die Fleischumgebung angepasst sind, stabilisieren sie das mikrobielle Ökosystem der Fleischprodukte und haben dadurch einen hemmenden Einfluss auf unerwünschte Keime wie Verderbniserreger und pathogene Mikroorganismen. Sie konkurrieren mit der minderzähligen Flora um Raum und produzieren Stoffwechselprodukte – wie organische Säuren – und unterdrücken somit unerwünschte Mikroorganismen.

Das Wachstum von Staphylococcus aureus ist zum Beispiel in bei Raumtemperatur gelagerten geslictem Rohschinken bis zum Ende der Haltbarkeitsdauer gehemmt, wenn die Scheiben mit Pediococcus acidilactici und Staphylococcus carnosus beimpft wurden. Darüber hinaus beeinflusst die über die Milchsäurebakterien induzierte Absäuerung – selbst im geringen Umfang von lediglich 0,2 pH Einheiten – die Ausbildung der Umrötung, indem die Nitrit-Myoglobin-Reaktion unterstützt wird

Koagulase-negative Staphylokokken

Koagulase-negative Staphylokokken (S. carnosus und S. xylosus) und andere Arten der Micrococcaceae-Familie (wie zum Beispiel Kocuria), die Nitrit- und Nitratreduktasen produzieren, sind verantwortlich für die Umrötung der fermentierten Fleischprodukte. Diese Enzyme reduzieren Nitrat zu Nitrit, das so zu Stickoxid (NO) reduziert wird. NO bindet sich ans Eisenion des Myoglobins und bildet das Pigment, das für die typische rote Farbe fermentierter Fleischprodukte verantwortlich ist, d.h. Nitrosomyoglobin.

Durch Staphylokokken gebildete Katalase baut die Peroxide der Fleischprodukte ab und trägt so dazu bei, die Farbe zu stabilisieren, Oxidation zu verringern und Ranzigkeit zu verzögern. Darüber hinaus spaltet die erzeugte Protease die Proteine der Matrix zu kleineren Proteinen, Peptiden und Aminosäuren. Dieses Enzym, das für die Ernährung der Bakterien sehr wichtig ist, lässt ein angenehmes Aroma entstehen. Die Lipolyse trägt ebenfalls zur Aromaentwicklung während der Fermentation bei, da sie Fettsäuren freisetzt, die dann zu Aromaten wie Ketone und Aldehyde oxidieren

Die Keimzahl der koagulase-negativen Staphylokokken in den Rohfleischmatrizes ist für gewöhnlich recht niedrig, weshalb der gezielte Einsatz ausgewählter Staphylokokkenstämme sowohl im Bereich der Produktion von Rohwurst als auch von Rohpökelwaren einen wertvollen Beitrag für standardisierte Reifungsprozesse und Produkte liefert

Hefen und Schimmelpilze

Hefen sind oft an der Oberfläche fermentierter Würste feststellbar. Aufgrund ihrer lipolytischen und proteolytischen Aktivitäten fördern sie in erster Linie die Aromaentwicklung. Und Schimmelpilzkulturen bilden auf der Oberfläche luftgetrockneter Würste das typische weisse Mycel, das für schimmelpilzgereifte Rohwürste charakteristisch ist. Infolge von Verdrängung und Wettbewerb hemmt und unterdrückt Edelschimmel das Wachstum unerwünschter und möglicherweise toxinbildender Schimmelpilze der Umgebungsflora. Dieses Schimmelpilzmycel hat zudem eine regulierende Wirkung auf die Trocknungsvorgänge und verhindert bzw. verzögert somit die Bildung von Trockenrändern.



Schimmelpilze spalten Proteine sowie Fette und bilden somit aromaaktive Spaltprodukte. Die Proteolyse erhöht im Lauf der Fermentation den pH-Wertes, was die typische, weiche Textur schimmelgereifter Produkte zur Folge hat.


Schimmelpilzkulturen wie Penicillium nalgiovense oder Penicillium candidum zeigen ausgeprägte proteolytische und lipolytische Aktivitäten, die für die Bildung des charakteristischen Aromaprofils verantwortlich sind. Die Proteolyse führt im Laufe der Fermentation zu einem Anstieg des pH-Wertes, was die typische, weiche Textur schimmelpilzgereifter Produkte verursacht.

Zugabe von Kochsalz

Zu guter Letzt hemmt oder verzögert der Salzgehalt gepökelter Fleischprodukte (von 1,7 % bis über 3 %) das Wachstum mancher endogener Mikroorganismen. Trotzdem ist eine grosse Vielfalt an salztoleranten Mikroorganismen in einer solchen Umgebung prinzipiell vermehrungsfähig. Hierzu gehören sowohl nützliche Mikroorganismen, die für die Fermentation verantwortlich sind, ebenso wie unerwünschte Keime, die Verderbnis auslösen können oder unerwünschte biogener Amine bilden. Notabene: Starterkulturen können den sensorischen Eindruck von salzreduzierten Produkten verbessern gemäss einer Studie von Agroscope, d.h. von Säuerungskulturen freigesetzte Peptide erhöhen die Salzigkeit. (GB)
(gb)

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