Foodfachzeitung im Internet
Admin aufrufen
Samstag, 14. Dezember 2024
Report
Druckansicht 22.12.2017
Alternativen zur umstrittenen Foie gras
An den Festtagen kommen Delikatessen auf den Tisch wie die zartschmelzende Foie gras. Gänseleber wurde schon in der Antike geschätzt. Heute wird sie industriell und tierquälerisch produziert, aber es gibt Alternativen wie «freiwilliges oder sanftes Stopfe


Foie gras, eine Delikatesse par excellence, hier im Pariser Gourmetshop Fauchon. Die Produktionsweise ist allerdings sehr verpönt.


Die Römer fütterten schon vor 2000 Jahren Gänse mit in Wein und Honig gekochten Feigen, um die aromatische Leber zu produzieren. Die heutige Stopfleber (Fettleber, Foie gras) steht jedoch seit langem unter Beschuss: Durch Zwangsfütterung vergrössert man bei Gänsen und Enten die Leber oft sogar mit industriellen Methoden. Nicht nur für Tierschützer sondern auch für die «Slow Food»-Vereinigung, welche eigentlich kulinarische Qualität und Traditionen hochhält, ist diese Produktion unethisch und inakzaptebel. Die Gourmet-Bewegung lehnt sowohl die Stopfmethode ab wie auch die Massenhaltung bzw die industrielle Verarbeitung.

Als Fettleber oder Foie gras werden allgemein Gänse- und Entenlebern bezeichnet, die grösser sind als normale, die je nach Quelle ca 50g oder 300g wiegen und eine dunkelrote Farbe haben. Fettlebern dagegen wiegen ein Mehrfaches und sind blass-gelblich. Weil Foie gras so sensationell gut schmeckt, suchen Spitzenköche nach Alternativen. «Stopfleber hat ein Aroma, das man nicht kopieren kann», sagte Hanna Trasmundi-Fiechter von der auf Geflügel spezialisierten Metzgerei Fiechter in Volketswil in einem kürzlich erschienenen Bericht des Tagesanzeigers. Zwar könne man mit viel Butterzugabe auch aus ungestopfter Leber köstliche Terrinen herstellen - doch wer Stopfleber als gebratene Tranche möge, habe keine Alternative.

Ungestopfte Imitationen

Einige Profiköche lancieren Imitationen aus ungestopfter Enten- und Gänseleber, so zB Peter Brunner, früher Küchenchef in Kaisers Reblaube in Zürich. Er entwickelte ein Rezept für Entenleberterrine, die ähnlich schmeckt und schmilzt dank Butterzugabe in grosser Menge. Brunner verriet dem Tagesanzeiger das Rezept seiner Entenleber-Terrine (nachstehend). Kalt verzehrt sind Geschmack und Konsistenz vergleichbar mit Foie gras aber eine warme Zubereitung ist nicht möglich, da sofort die Butter herausschmelzen würde.

Im Rahmenprogramm des Slowfood Markets in Zürich im November 2017 fand ein Kochatelier statt mit der Demonstration eines «natürlichen Entenlebermousse». Inbar Zuckerberg, Küchenchefin des Restaurants Kaisers Reblaube und Nachfolgerin von Peter Brunner zeigte die Herstellung des Entenlebermousse à la Peter Brunner aus natürlich gewachsenen Entenlebern d.h. von nicht gestopften Enten, Eigelb und viel Butter, gemixt und pochiert.. «Gänseleber könnte man auch verwenden, aber diese hat ein Imageproblem», meint sie.



Inbar Zuckerberg, Küchenchefin im Gourmetrestaurant Kaisers Reblaube, zeigte im Koch-Atelier des Slowfood Markets die Herstellung von Entenlebermousse aus ungestopften Entenlebern, Butter und Eigelb. www.kaisers-reblaube.ch


Tipps zur Verarbeitung und Rezepte für Foie gras aus normaler Stopfleber gibt der deutsche Gourmetkoch und Kochbuch-Autor Achim Schwekendiek: Stopfleber wird meistens zu Pasteten oder Terrinen verarbeitet und dabei oft mit Trüffeln aromatisiert. Sie kann aber auch in Scheiben geschnitten und kurz gebraten werden. Dabei muss man sie mit wenig Fett braten, nicht zu heiss und nicht zu lange. Je fester und grösser die Lebern sind, umso mehr Fett enthalten sie und lassen sich schlechter braten. Entenstopfleber reagiert viel empfindlicher auf Hitze als Gänsestopfleber. Man pochiert sie mit Vorteil sousvide in einem Tuch gebunden, je nach Grösse 18 bis 24 Minuten. Nachher kann man sie kalt oder warm verarbeiten.

Auch «lebensmittellexikon.de» nennt Wissenswertes und gibt Tipps: Die Qualität der Stopfleber hängt stark von der Jahreszeit ab. Im Winter bekommt man die beste Leber. Winterleber eignet sich besser für die Zubereitung von Parfaits oder Terrinen. Im Sommer sind die Lebern kleiner und haben einen geringeren Fettgehalt. Zudem sind sie stärker mit Adern durchzogen. Die Sommerlebern eignen sich eher zum Braten. Die Stopfleber ist sehr licht- und luftempfindlich. Hat sie im Anschnitt einen grauen Rand von etwa 0,5 mm, kann dies auf schlechte Lagerung oder Frischeverlust hindeuten.

Zum Transport werden Stopflebern meist vakuumiert. Bei dieser Verpackungsmethode können aber eventuell vorhandene Reste der Gallenflüssigkeit zu den Blutadern gelangen und sich so über die ganze Leber verteilen. Schonender aber umständlicher ist es die Leber in Pergamentpapier einzupacken und in mit Eis gefüllten Styroporkisten zu versenden.

Rüsten ist aufwändig

Vor der Verarbeitung sollte man die Leber auf grüne Flecken überprüfen. Diese stammen von der Galle und müssen grosszügig heraus geschnitten werden, da die Gallenflüssigkeit unangenehm bitter schmeckt. Und man sollte sie unter einem feuchten Tuch chambrieren, aber nachher rasch wieder kühlen. Zuerst Fett und Sehnen am Ansatz der Gallenblase auf der Innenseite der Leber entfernen und rundherum von der dünnen Haut befeien. Anschliessend die beiden Leberlappen vorsichtig auseinanderbrechen. Um die Leber von den Äderchen zu befreien muss jeder Lappen ein Stück weit aufgebrochen werden. Die sauber geputzte Leber kann wieder zusammengesetzt und in ihre ursprüngliche Form gebracht werden. Sie lässt sich nun weiterverarbeiten. Zum Braten wendet man die Leberscheiben leicht in Mehl und erhitzt sie in einer sehr heissen Pfanne auf beiden Seiten ohne Fettzugabe für nur wenige Sekunden.



Gebratene Stopfleber



Freiwillig eine Fettleber anfressen

Es gibt Mittelweg-Alternativen zwischen Stopfleber und Imitationen wie zB die italienische «Ficatum-Leber»: Die Gänse der Region Mortara fressen Feigen und Getreide à discretion und entwickeln immerhin 800 Gramm Leber, bei gestopften wäre es fast zwei Kilo. Mortara in der westlichen Lombardei sieht sich gern als "Gänsehauptstadt" Italiens, und der grösste Hit dort ist gemäss einem Bericht von «welt.de» die Gänsestopfleber. Man nennt sie aber «ungestopft» - denn Stopfen ist in Italien verboten. Der einzige Nachteil sei, dass das Mästen mehr Zeit in Anspruch nehme als die umstrittene Stopf-Technik: sechs Wochen statt nur zwei bis drei.

Viel Auslauf sollten die Tiere nicht haben, sonst setzen sie nicht genug Fett an. Man füttert sie entweder mit Mais oder ausschliesslich mit Feigen. Das Ergebnis sind zwei verschiedene Produkte: die normale Fettleber und die Feigenleber (Ficatum). Selbst für Gänseleberliebhaber sei es schwer, einen geschmacklichen Unterschied zur verpönten Stopfleber festzustellen - abgesehen davon, dass die Lebern etwas kompakter sind und auch ein bisschen weniger typischen, sanften Schmelz entwickeln.

Gewichtsverlust beim Braten

Mortara-Produzent Signore Palestro sieht das naturgemäss anders: "Gestopfte Leber ist minderwertig, das merkt man schon daran, dass sie beim Braten in der Pfanne viel stärker schrumpft." Seine Leber verliere beim Garen nur zehn Prozent ihres Gewichts - gestopfte dagegen fünfzig Prozent. Ausserdem sei die heimische Gänserasse Bianca Romagnola der französischen Oie de Toulouse weit überlegen und ergebe auch eine bessere Leber. Die Ficatum- Leber schmeckt zudem leicht süsslicher, feiner und schmelzender als jene aus Mais. Und sie ist teurer. Trasmundi-Fiechter, die selber Geflügel aufzieht, ist jedoch misstrauisch gegenüber Produkten, die angeblich von ungestopften Tieren stammen.

Ein weiterer Kompromiss ist die «sanfte Stopfmast», wie sie die auf Entenprodukte spezialisierte Handelsfirma «La Maison du Canard» praktizieren lässt. Inhaber Werner Kunz betont, dass sein französischer Lieferant «ein Kleinbetrieb mit traditioneller Produktion ist. Er verwendet keine «Pistolen» sondern Trichter und stopft die Vögel von Hand je nach ihrem Aufnahmevermögen. Sie werden im Freien aufgezogen und erst zwei Wochen vor dem Schlachten gestopft». So oder so nehmen sie dann fünfmal mehr Nahrung auf als ungestopfte.



Das Aroma der Foie gras erinnert nur entfernt an Leber


«Entenleber ist prägnanter als Gänseleber», vergleicht Kunz, «und ausserdem günstiger». Beides sind Wasservögel. Die Gans ernährt sich jedoch vegetarisch und frisst keine Insekten, Schnecken oder Würmer. Daher ist das Aroma dezenter. Aber Trasmundi-Fiechter meint, ob das Produkt von Gänsen oder von Enten stamme, mache geschmacklich einen eher geringen Unterschied.

Foie gras in der Politik

«Wenn es um tierische Produkte geht, lässt die Schweiz gerne im Ausland produzieren», berichtete kürzlich Hansuli Huber, Geschäftsführer Schweizer Tierschutz STS: «Alleine für die 300 t importierter Foie gras werden eine halbe Million Enten/Gänse zwangsgestopft». Über tierquälerische Herstellung von Stopfleber wurde auch debattiert, als SP-Nationalrat Matthias Aebischer im Sommer im Parlament einen Vorstoss lancierte, um den Import von Stopfleber zu verbieten: «Wenn wir in der Schweiz eine gewisse Tierhaltung verbieten, weil es sich um Tierquälerei handelt, können wir nicht einfach die entsprechenden Produkte aus dem Ausland beziehen», meint er. Das Stopfen ist in der Schweiz seit 1978 verboten. Zwar wurde der Vorstoss vom Nationalrat gutgeheissen, doch im November verwarf der Ständerat die Vorlage mit 37 zu 4 Stimmen. Die Westschweizer konnten die Abstimmung deutlich für sich entscheiden. (GB)


«Natürliches Entenlebermousse» im Restaurant Kaisers Reblaube mit Kakaonibs als Dekor und Feigenpüree mit pochierten Quittenstücken.



Rezept: Peter Brunners Terrine aus ungestopfter Entenleber

Kulinarikautor und Küchenchef Peter Brunner (ehemals Restaurant Reblaube) hat das Rezept für seine Terrine aus ungestopfter Entenleber für den Hausgebrauch leicht abgeändert:

200 g Enten- oder Gänseleber
4 Eigelb
2 EL Cognac
2 EL Madeira
Salz, Pfeffer
360 g flüssige Butter, nicht zu warm

Sehnen und grünliche Gallenreste der Leber entfernen. Mit Eigelb und Spirituosen mixen und durch ein Sieb streichen. Salzen und pfeffern. Langsam die flüssige Butter dazugeben wie bei einer Mayonnaise. In eine Terrinenform füllen und bei 85 bis 90 zwei Stunden im Ofen garen.

Foie gras in Geschichte, Wirtschaft und Politik

Etwa 2500 Jahre v.Ch. erkannten bereits die Ägypter, dass sich Zugvögel für ihre langen Flüge Energie anzufressen und darum sehr gefrässig sind. Dieses Fressverhalten machte man sich zunutze, um die Tiere zu mästen. Im Allgemeinen werden Gänse und Enten mit Getreide gestopft. Aber schon die alten Römer entdeckten, dass die Stopfleber einen feineren Geschmack erhält, wenn man die Tiere zusätzlich mit Feigen, Datteln, eingeweichtem Weissbrot oder so genannten Stopfnudeln aus Gerste mästet.


Heute wird Stopfleber überwiegend in Frankreich, Ungarn und Israel hergestellt. Bild: Gänsefarm in Ungarn.


Die Fettlebern entstehen durch Stopfen bzw Nudeln (französisch gavage), bei dem die Tiere in den letzten 21 bis 28 Tagen zwangsernährt werden. Rund drei bis viermal pro Tag wird ihnen mittels eines Rohres ein Futterbrei aus 95 Prozent Mais und 5 Prozent Schweineschmalz in den Magen gepumpt. Dadurch wiegen die Lebern statt üblicher 300 Gramm bei der Schlachtung 1000 bis 2000 Gramm, und der Fettgehalt schwankt zwischen 31 und 51 Prozent. Durch die Verfettung der Leber kommt es zu einer starken Ablagerung von Triglyceriden, im Gegenzug nimmt der Anteil an Phospholipiden ab. Der Gehalt an Cholesterin nimmt durch das Stopfen nicht zu.

Im 2005 wurde Foie gras von der französischen Nationalversammlung in einem Zusatz zum Landwirtschaftsgesetz zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe erklärt und ist dadurch von französischen Tierschutzgesetzen ausgenommen. Aber in vielen Ländern ist Stopfen verboten, Import und Verkauf jedoch zugelassen, beispielsweise in der Schweiz und der EU. Etwa 75 Prozent der Weltproduktion, davon 96 Prozent Entenleber und 4 Prozent Gänseleber sowie 98 Prozent der Verarbeitung finden in Frankreich statt, vor allem im Périgord und Elsass. Hinter Frankreich sind Ungarn mit 2600 Tonnen und Bulgarien mit 2000 Tonnen die bedeutendsten Produzenten.
(gb)

Report – die neuesten Beiträge
12.12.2024
dJetzt Pasteten und Terrinen auf den Teller
03.12.2024
dEmotional statt industriell: Zukunft von Schweizer Käse
25.11.2024
dEdle Kulturpilze: Teil 2
18.11.2024
dWelche Backwaren gesund sind und warum
10.11.2024
dSchokoladen und Branchli im Kassensturz-Test
01.11.2024 d Edle Kulturpilze: Teil 1
25.10.2024 dMarkt und Wettbewerb der Alpenprodukte in Stans
18.10.2024 dMehr Nüsse essen
11.10.2024 dSwiss Cheese Awards: Schweizer Käsemeister gekürt
06.10.2024 dWeihnachtsgebäck schon im Oktober?
25.09.2024 dDie offiziell besten Metzgereien 2024
19.09.2024 dPflanzlicher Milchersatz: umweltschonend aber nährwertärmer
08.09.2024 dSchokoladeimitationen ohne Kakao im Trend
01.09.2024 d Warme Schärfe dank Wasabi und Ingwer
21.08.2024 dBrombeeren – wilde schmecken intensiver
14.08.2024 dGlacesorten, -macharten und -trends
07.08.2024 dFeige: Eine der ältesten Früchte der Welt
31.07.2024 dEin Hoch auf Schweizer Bier
24.07.2024 dJetzt hochwertige Beeren richtig verarbeiten
17.07.2024 dFleisch kontra Ersatzprodukte - gesundheitlich betrachtet
10.07.2024 dJetzt Aprikosen verarbeiten: Frische Vielfalt
03.07.2024 dWie wird selbst gemachte Glace cremig?
26.06.2024 dBio und Fleischersatz stossen an Grenzen
19.06.2024 dMultitalente Blumenkohl und Romanesco
12.06.2024 dNeuartige Kaffeealternative mit regionalen Rohstoffen
05.06.2024 dHochverarbeitetes oft ungesund aber nicht immer
29.05.2024 dGelungene Beefsteak-Imitation von Planted
22.05.2024 d Food-Handwerker mit wissenschaftlichen Ambitionen
15.05.2024 d(Un)sinn von Süssstoffen zum Abspecken
08.05.2024 dZartes Fleisch – wissenschaftlich erklärt
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland