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Druckansicht16.08.2019
China kulinarisch betrachtet
Die chinesische Küche ist eine der weltweit erfolgreichsten. Nahrungstabus kennen Chinesen nicht – sie essen alles. Bemerkenswert ist die Beliebtheit der Nose-to-Tail-Fleischsorten und das Desinteresse an Salaten, Desserts und Milchprodukten.



Peking Ente


Von chinesischer Küche zu sprechen ist eigentlich eine grobe Verallgemeinerung – ebenso wenig kann man ja von einer europäischen Küche sprechen. Es gibt viele unterschiedliche Kochstile von Provinz zu Provinz, denn China ist angesichts der Grösse des Landes eine Welt für sich. Bemerkenswert ist, dass Aberglaube und die Verschmelzung von Nahrungs- und Heilmittel eine grosse Rolle spielen.

Die chinesische Küche ist in allen Ländern beliebt, dies aus mehreren Gründen. Die Attraktivität beruht auf dem Ethno-Trend und dem Erlebniswert. Vorteile sind die Frische der Zutaten, die schonende Zubereitung im Wok aber nicht zuletzt auch moderate Preise, die sich Herr und Frau Jedermann leisten können. Wokgerichte, Häppchen und Suppen sind die wichtigsten Komponenten. Salate und Milchprodukte dagegen spielen keine grosse Rolle und auch Desserts nicht, wohl weil die Chinesen schon vielen Hauptgang-Komponenten eine nennenswerte Menge Zucker zusetzen, vor allem im Süden.

Milchprodukte gibt es auch deswegen in der traditionellen chinesischen Küche nicht, da ein grosser Teil der Bevölkerung laktoseintolerant ist. Wie in anderen Kulturen ist ein Trend zu schärferen Speisen in wärmeren Regionen festzustellen. Reis wird überall gegessen. Angebaut wird er im subtropischen bis tropischen Süden, im eher kontinentalem Steppenklima des Nordens dagegen in erster Linie Weizen. Fleisch ist wichtig. Die beliebteste Sorte ist Schweinefleisch, gefolgt von Poulet, Rind und Ente. Auch Schaffleisch ist wegen der islamischen Minderheit populär. Ferner konsumieren die Chinesen viel Seafood und Tofu.

Chinesen sind Alles-Esser

Während Europäer Knuspriges wie Pommes frites schätzen oder Zartes wie Kalbsfilet, lieben Chinesen auch knorpelige, gummige, schlabberige, schleimige und klebrige Lebensmittel. Und das Klischee stimme, dass Chinesen alles essen, was Beine hat, ausser Tischen und Stühlen. Und sie essen alle Teile des Tiers, also auch Herz, Lunge, Pfoten, Schweinerüssel, Ohren, Uterus usw. Sie importieren diese Spezialitäten sogar.

Seit Kurzem hat Centravo, welche in der Schweiz Schlachtnebenprodukte verarbeitet, die China-Zulassung erhalten und exportiert nach China.

In China isst man vieles, was bei uns verboten, verpönt oder verschmäht wird wie Schildkröten, Schlangen, Insekten − somit nicht nur «alles, was vier Beine hat», sondern auch vieles mit null, zwei oder sechs Beinen, Flügeln oder Flossen. Nicht unerwähnt sei das Hunde- und Katzenfleisch, das in einigen südlichen Regionen verzehrt wird. Es ist nur sporadisch erhältlich und relativ teuer. Dagegen regt sich auch in China mehr und mehr Widerstand, seit der Hund als Haustier immer populärer wird.

Und eine weitere Extravaganz stellen Pekinger Restaurants dar, die auf Penisse und Hoden spezialisiert sind. In der chinesischen Medizin setzt man seit jeher Tierpenisse gegen Nierenleiden und Erektionsstörungen ein. Die Tiere werden nicht immer gezielt getötet, sondern sterben zum Teil zu einem zufälligen Zeitpunkt der Zubereitung. Der Sinn davon ist vor allem die Frische, und auf dem Land besteht oft keine Kühlkette.

Haifischflossensuppe, ein ursprünglich kantonesisches Regionalgericht, gehört zu den China-Klassikern. Geschätzt wird sie nicht primär wegen ihres Geschmacks, sondern dank der gelatinösen Konsistenz, berichtet Wikipedia. Die Konsistenz gleiche jener der Vogelnestersuppe, und wie diese stehe sie im Ruf, die Lebenskraft zu stärken. Wegen ihres hohen Preises wird sie heute vor allem aus Prestigegründen konsumiert, etwa bei Festbanketten und zu Hochzeiten. Grundlage der Suppe bilden die geschmacksarmen knorpeligen Haifischflossen, die so lange in Hühnerbouillon gekocht werden, bis sie sich auflösen. Das Ergebnis gleiche Glasnudeln aus Mungobohnenstärke.

Rotwein boomt

Gemüse ist in vielen Arten und Formen Teil der chinesischen Gerichte. Auffällig im Vergleich zu Europa ist die zahlreiche Verwendung von Pflanzenkeimen und -sprossen sowie das Anbraten und Dünsten von Gemüse anstatt des Kochens in Wasser. Mittlerweile steigt der Käsekonsum nach westlichem Vorbild in China, da bei Käse die Laktose durch die Milchsäurebakterien weitgehend bis vollständig abgebaut ist. Stark im Trend ist ebenfalls Wein, vor allem Rotwein.

Dies beruht vor allem auf der Adaption des westlichen Lebensstils und nicht nur auf Importen: China wächst auch als Wein-Produzent. Im 2016 produzierte China 11 Mio Hektoliter – mehr als Bordeaux, Deutschland oder Portugal. Auch bei Qualitätsweinen gibt es Fortschritte dank Knowhow-Import. Klassische chinesische Getränke sind vor allem Tee aber auch Bier, starker Schnaps, Pflaumen- und Reiswein. Die Bierherstellung wurde durch die deutsche Kolonie in Qingdao nachhaltig geprägt, wo sich auch heute noch eine Brauerei befindet. Beim Essen wird Alkohol in grossen Mengen konsumiert.

Der Wok hat in China eine jahrtausendealte Tradition, und auch in Europa wird er immer beliebter. Kochen im Wok geht schnell und ist dank der schonenden sowie kurzen Zubereitungsart gesund: Klein geschnittenes Gemüse, Fleisch und Fisch benötigen nur wenige Minuten Garzeit. Die Zutaten bleiben dadurch knackig und reich an Mikro-Nährstoffen.

Im Gegensatz zum Fritieren, ebenfalls ein Hochtemperatur-Kurzzeit-Garprozess, benötigt das Woken nur wenig Fett, weil die Bewegung viel intensiver ist. Aber die Fettaufnahme ist dennoch höher als beim hierzulande üblichen Dünsten. (GB)

Kommentar:
Essen, um gesund und glücklich zu sein

Das chinesische Volk ernährt sich in erster Linie, um gesund, fit und damit auch glücklich zu bleiben. Sie betrachten Nahrungsmittel als leichte Medizin, welche die Macht über den gesamten Körper hat. Wer sich falsch ernährt, stört dessen Harmonie. Ihr Geheimnis liegt in der Frische der Lebensmittel. Sie lagern diese nicht lange und bereiten sie mit sehr wenig Fett zu, essen generell weniger fettiges Fleisch als die Europäer – dafür doppelt so viel Obst und Gemüse.

Zu fast allen Gerichten wird Reis und Soja serviert. So beginnt schon der Tag mit Reis und Nudelsuppen sowie Beilagen, welche hineingegeben werden. Das war während unserer Reise gewöhnungsbedürftig für uns an Konfitüre, Käse und «Anken» gewohnte. Gewürzt werden die Speisen mit gesunden, uns oft unbekannten Kräutern und Pflanzenwurzeln. Salz ist tabu. Das Essen wird schonend zubereitet. Beim Dampfgaren (sogar das Brot), Blanchieren und Kurzbraten bleiben die Nährstoffe länger erhalten.

Die Chinesen teilen die Lebensmittel nicht nach Nährwerten, Kalorien, Vitaminen oder Kohlehydraten ein. Vielmehr wird die traditionelle Küche hochgehalten und Wert auf Geruch, Farbe, Geschmack und Qualität gelegt. So hat denn auch die hierzulande zelebrierte chinesische Küche mit dem Original nicht viel Gemeinsames. «Sweet and Sour» sind wir auf unserer Reise nicht einmal begegnet. Dafür dem fantastischen «Huoguo», dem Feuertopf, um welchen man sich setzt und in den Brühen (scharf oder mild) Fleisch, Gemüse, Tofu, Nudeln gart. Total verliebt haben wir uns auch in die unzähligen Variationen von Teigtaschen (Dumplings - Bild), mit deren herrlichen Innenleben. Wir erinnern uns an die geschmorten Schweinsfüsse, an die Hühnerkrallen oder die Froschschenkel in der Bouillon.

Auch die Rindfleisch-Ragouts mit Chili und die Chicken-Kreationen waren vom Feinsten. Kaum zu glauben, ich habe mich zum Bohnenquark- (bei uns bekannt als Tofu) Fan entwickelt. Die Lamians (handgezogene Nudeln) haben wir in Strassenküchen kennen gelernt – mitsamt den grillierten Austern, den Fleischspiessen und den Langustenschwänzen. Zum Abschluss gab’s Original Peking-Ente, deren Haut mit Honig mariniert wird und von der der Koch die Hautstücke heruntersäbelt, die man dann in einer Sauce dippt und alles mit frischem Lauch in kalte Weizenteigfladen einpackt. (Herbert Huber)
(gb)

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