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Druckansicht14.11.2008
Kiwis gedeihen auch im Waadtland
Seit einem Vierteljahrhundert werden auf Dominique Streits Bio-Plantage am Genfersee Kiwis angebaut. Obwohl Nachbarn und Kollegen anfangs skeptisch waren, wachsen die Kiwis bestens und überstehen sogar den Winterfrost.


Vor fast einem Vierteljahrhundert hat Dominique Streit
hier seine ersten Kiwis geerntet.


Wandert man durch das Waadtländer Dorf Allaman am Genfersee, seinen gewundenen Strassen entlang bergab und schliesslich durch einen alten Steinbogen, so sieht man sie plötzlich vor sich: die Sträucher der ersten Kiwiplantage der Schweiz. Schon seit 1984 bauen der heute 54-jährige Gutsherr Dominique Streit und sein Team von 2 bis 30 Personen auf den 14 Hektaren Land Kiwis an. Doch auch der Duft von Äpfeln liegt in der Luft. Er stammt von der grossen Fruchtpresse. "Viele Obstbauern aus der Gegend liefern ihr Obst hierher und ich mache dann Fruchtsaft daraus", sagt Streit.

Doch angepflanzt werden hier ausschliesslich Kiwis. Am Anfang wurde nur die Sorte Hayward angebaut, die weltweit 90 Prozent der Kiwiproduktion ausmacht. Vor zwei Jahren rodete Streit vier Hektaren, um die Fläche mit der italienischen Sommerkiwi neu zu bepflanzen. Diese können schon zwei Wochen früher geerntet werden, wodurch die Bio-Kiwis hier eine längere Saison haben. Ausserdem erreicht man so ein abwechslungsreicheres Sortiment. Die restlichen zehn Hektaren Hayward blieben bestehen.

Ein Schlepper mit angehängten Holzkarren fährt vorbei: Jetzt, Mitte Oktober, ist Erntezeit für die Sommerkiwi. Was diese ausserdem von der anderen Sorte unterscheidet, ist ihr Geschmack: Die Sommerkiwi ist mit ihren 18 Prozent Zuckergehalt deutlich süsser als die Hayward, die nur 12 Prozent Saccharose enthält. Ausserdem hat ihr Fruchtfleisch einen limettenähnlichen Geschmack.


Plantagenarbeiter pflücken insgesamt 420 Tonnen
Kiwis pro Saison.


Von China in die Schweiz

Beide der hier wachsenden Sorten gehören zur Gattung der Actinidia chinesis. Ihr lateinischer Name bedeutet "Die Sonnenförmige aus China". Vom Reich der Mitte aus wurde sie Anfang des 20. Jahrhunderts nach Neuseeland exportiert und dort in grossem Stil angebaut. Die "Chinesische Stachelbeere", wie sie damals noch hiess, erhielt den Namen des neuseeländischen Nationalvogels, eben dem Kiwi, um bessere Absatzchancen zu erhalten. In den Sommermonaten, in denen keine europäischen Kiwis erhältlich sind, finden sich neuseeländische Früchte in unseren Regalen. Während der restlichen Zeit importiert die Schweiz Kiwis aus Spanien, Frankreich und Italien, dem Land, dass mit seinen 500’000 Tonnen Kiwis pro Jahr in Europa Nummer eins ist.

Dass Streit sich dazu entschlossen hat, Kiwis anzubauen, liegt vor allem an den optimalen geografischen und klimatischen Gegebenheiten in Allaman. "Wenn im Frühling und Sommer bewässert werden muss, entnehmen wir das Wasser direkt dem Genfersee", sagt Streit. Das Seewasser ist zu dieser Zeit wärmer als Leitungswasser, was optimal für das Gedeihen der Kiwipflanze ist.

Spätfrost verlangt nach Tricks

Unter dem Blattdach der Schlingpflanzen, die an Holzstäbe aufgebunden sind und eine Länge von zehn Metern erreichen, hört man ein fröhliches Sprachengewirr. Rund 30 Tonnen Kiwis pro Hektar pflücken die Saisonarbeiter in den gut vier Wochen zwischen Mitte Oktober und Mitte November. Dieses Jahr sieht es nach einer sehr guten Ernte aus. "2003 hatten wir nicht so viel Glück", erinnert sich der Betreibsleiter. Im Frühling mass man noch eisige Temperaturen von minus zehn Grad und es wehte kaum Wind, wodurch sich die kalte Luft absetzen konnte und 70 Prozent der Ernte verloren ging.

Derartige Probleme treten aber zum Glück nur alle paar Jahre auf. Ansonsten gedeiht die Frucht hier hervorragend, weil es im Frühling nicht zu kalt und im Sommer nicht zu warm ist. Auch der Winter richtet keine Schäden an. Nur auf Spätfrost reagiert die Kiwi empfindlich. Bis zu einer Temperatur von minus vier Grad kann man den Schaden mithilfe von Wasser eindämmen. Dazu werden die Pflanzen nass gespritzt, das Wasser gefriert und es bildet sich eine Eisschicht, die sich um die Kiwischale hüllt. Unter dieser Schutzhülle bleibt die Temperatur bei konstant null Grad und es entstehen keine Frostschäden.

Wird es allerdings noch kälter, hilft diese Methode nicht. Immerhin liegt die Kiwiplantage auf einer leicht geneigten Fläche, wodurch die kalte Luft nach unten abfliessen kann und zumindest die weiter oben liegenden Pflanzen weniger frostgefährdet sind.


Die Thurgauer Minikiwi ist wesentlich kleiner als ihre
grosse Verwandte. Ihre Schale ist unbehaart und essbar.


Mini-Kiwis aus dem Thurgau

Mini-Kiwis sind bei uns schon seit längerem als Hausgartenpflanzen bekannt. Sie haben, ähnlich einer Stachelbeere, einen Durchmesser von drei bis vier Zentimetern. Seit 2002 werden sie auch auf Obstplantagen angepflanzt – die meisten davon im Thurgau. "Die kleinen Kiwis sind sehr aromatisch und je nach Sorte schmecken sie intensiver und meist süsser als die grossen", erzählt Thomas Imhof, Leiter der Fachstelle für Gemüse- und Beerenbau LBBZ Arenenberg. Mini-Kiwis werden mit ihrer dünnen, unbehaarten Schale gegessen und unterscheiden sich ansonsten kaum von ihren grossen Verwandten.
Ein Vorteil der unscheinbaren Frucht ist allerdings ihre Kältebeständigkeit: "Die Mini-Kiwis gedeihen gut im typischen Obstklima, das wir hier im Thurgau haben. Es gibt sogar Sorten, die ohne weiteres bis zu 25 Grad Minus aushalten. Allerdings sind sie sehr empfindlich gegen Spätfrost", so Imhof. Trotzdem wachsen die Schlingpflanzen, die in der Natur auf bis zu 30 Meter hohe Bäume klettern, im Freien. Ab einer Höhe von 1,8 Metern werden sie wieder herabgebunden. Die Ernte der Beerenfrucht beginnt manchmal schon im August und dauert bis zu sechs Wochen.

Nachreifen bei null Grad

Nach dem Pflücken werden die Kiwis in die grossen Holzanhänger des Schleppers gelegt und zum hauseigenen Kühlraum gebracht, der knapp 1'000 Kubikmeter umfasst. Hier lagern die Kiwis bei exakt null Grad. Das ist die optimale Temperatur für die Frucht, um Stärkemoleküle in Saccharose umzuwandeln und damit den gewünschten Geschmack zu entwickeln. In zwei bis drei Wochen werden die ersten Kiwis ausgeliefert und finden sich dann noch bis Ende Mai in den Obstabteilungen von Coop, Migros und anderen Detailhändlern.


Der Zuckergehalt der Frucht wird mit dem
Refraktometer gemessen.


Bevor es allerdings soweit ist, wird die Kiwi noch auf ihre Qualität geprüft. Durch leichtes Zusammendrücken der Frucht erkennt Streit, ob diese zu hart oder zu weich ist. Zu hart würde bedeuten, dass die Kiwi noch nicht reif genug ist und bis zu zwei Wochen im Kühlraum nachreifen muss. Zu weich deutet auf eine überreife Frucht hin, die man nicht mehr verkaufen, sondern höchstens noch für Saft verwenden kann.

Aber auch der Zuckeranteil muss gemessen werden. Streit nimmt ein Refraktometer zur Hand und schneidet eine Sommerkiwi und eine Hayward in der Mitte durch. Dann lässt er je einen Tropfen Fruchtsaft auf das Messfeld des Geräts fallen und siehe da: Die Sommerkiwi hat mittlerweile einen Zuckergehalt von über zehn Prozent, die Hayward bislang nur sechs Prozent. Genug Potenzial also zum Nachreifen. "Den wichtigsten Qualitätstest jedoch führe ich immer noch selbst durch", sagt Dominique Streit – und beisst genüsslich in eine frisch geschälte Sommerkiwi.

(Quelle: LID / Daniela Rafalt)
(gb)

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