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Druckansicht06.02.2016
Können Hausfrauen selber Würste machen?
Das kürzlich erschienene Buch «Wurstwerkstatt» vom Spitzenkoch Stefan Wiesner erklärt dem Publikum die Wurstherstellung. Sogar Profi-Köche wursten selten selber, aber «do it yourself» ist im Trend. Chancen und Risiken der Wurstherstellung im Haushalt.


Wurst «stossen» in einer Metzgerei mit dem Vakuumfüller.


Gourmet-Gastronomen stellen oft Backwaren selbst her, sogar Brote. Käse dagegen selten. Aber einige Gastro-Köche stellen Würste her, am bekanntesten ist der Entlebucher Spitzenkoch Stefan Wiesner, bekannt als «Hexer», da er auch mit Steinen und Heu kocht. Er ist gelernter Koch mit Wirteprüfung, Berufsbildner, Dozent FHNW, Buchautor und leitet den Gasthof Rössli in Escholzmann LU auf dem hohen Niveau von 17 Gault-Millau-Punkten.

Nun hat er im AT Verlag ein Buch herausgegeben über die Kunst des Wurstens: «Wurstwerkstatt: Brat- und Siedwürste einfach selber machen. Rezepte für Würste aller Art - von traditionell bis avantgardistisch. Anleitungen Schritt für Schritt». Dabei scheut er den Vergleich mit Produkten der professionellen Metzgerschaft nicht: «Selbst gemachte Würste schmecken viel besser als jede Handelsware und lassen sich auf unendlich vielfältige Weise variieren», verspricht der Spitzenkoch.

Das Buch erklärt Grundlagen und Grundzubereitungen von Würsten Schritt für Schritt: Welche Geräte und Hilfsmittel werden benötigt? Welche Därme oder andere Hüllen eignen sich? Welche Mengenanteile an Fleisch und Fett ergeben die richtige Bindung? Wie viel Salz braucht es und welche Würzzutaten passen?

Allerdings konzentriert sich Wiesner auf den Typ der Bratwurst aus gewolftem Brät für die sofortige Garung durch Braten, Dämpfen, Pochieren und so weiter bis zum «Confieren» in warmem Fett. Als Gerät nötig sei nur eine moderne haushaltübliche Universal-Küchenmaschine mit Wolf- und Füllaufsatz (zB Kenwwod, KitchenAid). Aber er beschreibt auch das Kalträuchern mit einer Räucherpistole und erklärt die Zutaten vom Nitritpökelsalz bis zu Wursthüllen.


Foom-Räucherpistole zum Kalträuchern. Im Brenntopf werden Holzspäne verbrannt, eine Turbine fördert den Rauch.


In seinen Rezepten kommt Pökelsalz jedoch nicht vor - sie beinhalten keine Tipps zur Haltbarmachung. Auf ein Kapitel dazu verzichtet das Buch, auch auf die Themen Hygiene, Fermentierung, Trocknung, Brühwurst und Kutter. Das alles würde die Hobbyköche überfordern und wohl von der Lust am Experimentieren abhalten. Denn dies ist das Neue und Besondere an Wiesners Buch: Es richtet sich an Herrn und Frau Jedermann, nicht an Profis wie Metzger oder Köche. Laien sollten in der Tat keine Risiken eingehen mit kaum verstandenen Hürdenkonzepten und Zusatzstoffen in reiner Form wie Pökelsalz.

Bei den Wurstsorten beschreibt Wiesner fast nur brave oder extravagante Eigenkreationen von Alpschwein- über Forellen- bis zu Tofuwurst. Bei den Wursthüllen präsentiert der Meister der avantgardistischen Naturküche auch ausgefallene Alternativen mit Bananenschalen, Teig, Hölzern oder Knochen. Die Prozessschritte vom Mischen über Füllen, Binden bis zum Garen sind verständlich erklärt. Ein ausführliches Lexikon der Geschmacksfamilien und –kombinationen rundet das Werk ab.

Auch wenn wohl nicht viele normale Hobbyköche mithilfe dieses Buches nun regelmässig Würste selber machen, lohnt sich die Lektüre doch, um die «Wurst, das unbekannte Wesen» besser zu verstehen. Und wohl anhand eigener Erfahrungen festzustellen, dass Metzger und Spezialisten wie Wiesner auf einem weit höheren Level operieren als Otto Normalverbraucher.


Immer öfter zeigen Metzger dem Publikum die Kunst der Wurstherstellung wie hier der Genfer Metzger André Vidonne an der «Goûts et Terroirs»-Messe in Bulle letzten Oktober.


Der Do it yourself-Trend in der Küche ist zwar Realität, aber bei der Produktqualität können nur die wenigsten Hausfrauen mit Profis mithalten, sei es beim Brot-Backen, Glacé-Herstellen, Praliné-Füllen oder eben beim Wursten. Daran ändern auch spannende Kochbücher und lustige Kochsendungen nicht viel, aber sie schaffen eine willkommene Sensibilität für eigene Ambitionen im Vergleich zur Kunst der Profis. (GB)

Buchtipp: Wurstwerkstatt
Von Stefan Wiesner, Monica Wiesner-Auretto
ISBN: 978-3-03800-882-8
Einband: Gebunden, Umfang: 208 Seiten, Gewicht: 950 g, Format: 21.5 cm x 27 cm 39.90 CHF
AT Verlag www.at-verlag.ch

Leseprobe: Entenwurst-Rezept

1 kg Entenfleisch mit Fett, durch Lochscheibe 5 gedreht
21 g Orangeat, zweimal in Wasser blanchiert, abgetrocknet, ½ cm klein gewürfelt
5 g Brombeeren, gefriergetrocknet
5 ml Heidelbeerdestillat, nicht gesüsst
2 g frisches Bohnenkraut, abgezupft
8 g frische Rotkrautsprossen
18-21 g Meersalz
Schweinedarm 36/38


Diese Entenwurst eignet sich zum Dämpfen, Dünsten, Sieden, Backen, Braten oder, wenn man aus dem Brät Frikadellen formt, zum Backen, Braten, Grillen. Hier zu kleinen Würstchen geformt, in Schweinedarm, beidseitig mit Grashalmen abgebunden, 15 Minuten im Dampfkörbchen über Entenfond (aus den Abschnitten und Knochen hergestellt) gedämpft.



Wurst-Typologie

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei? Weit gefehlt: es gibt auch Würste ohne Ende (allerdings sind sie rar). www.delikatessenschweiz.ch erklärt die wichtigsten Wursttypen (mit zwei Enden) und ihre Herstellung.

Rohwurst (Fleischerzeugnis zum Rohessen):
Aus rohen Zutaten, nicht gegart sondern gereift und roh gegessen. Haltbar gemacht mit Lufttrocknung, Salz und Pökelung, mit Rauch oder Edelschimmel. Beispiele: Landjäger, Salami, Salsiz. Ungekühlt haltbar.

Fleischerzeugnis zum Gekochtessen:
Aus rohen Zutaten, gegart oder roh verkauft, zum gegart essen. Beispiele: Saucissons, Schweinsbratwurst, Luganighe, Appenzeller Siedwurst. Die meisten sind leicht verderblich und kühlpflichtig.

Saucisson:
Rohwurst mit kurzer Reifung («abgebrochener» Reifung).

Brühwurst (Fleischerzeugnis gekocht)
Aus rohen Zutaten, gebrüht, mit oder ohne Räucherung. Kühlpflichtig. Beispiel: Cervelat, Wienerli (beide gepökelt), Kalbsbratwurst (ungepökelt).

Aufschnittwurst:
Brühwurst, die kalt in dünnen Tranchen serviert wird, z.B. Lyoner, Rouladen.

Kochwurst zum warm oder kalt essen:
Brät aus teilweise vorgekochten Zutaten, «gestossen» oder in Formen gefüllt und erhitzt. Kühlpflichtig. Beispiele: Blutwurst, Leberwurst, Terrinen.

Mettwurst:
streichfähige Rohwurst (mit abgebrochener Reifung)



Rondello-Salami von Rapelli. Die Tessiner Firma erhielt dafür vom Fleischfachverband 2006 die Goldmedaille. Die Herstellweise ist ein Fabrikationsgeheimnis.


Die wichtigsten Grossmengen-Zutaten sind Wurstfleisch (Anschnitte oder Zuschnitte von Hackfleischqualität oder mit sichtbarem Fett), Speck und Eis (so genannte Schüttung). Bei Volkswürsten teilweise auch Schwarten (vor allem bei Produkten zum warm essen). Die Hülle kann aus echtem Darm (Saiten) bestehen oder aus Kunstdarm, der nicht essbar ist. Weitere mögliche Grossmengen-Zutaten sind beispielsweise Leber, Nüsse, Gemüse, Wein, Milch und Käse. Hinzu kommen Kleinmengen-Zutaten wie Gewürze, Salz, Pökelsalz und allenfalls Schnaps oder Zitonenschale – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die typischen Prozesse der Herstellung:

Blitzen:
Pürieren der teilweise tiefgekühlten Zutaten mit hochtourigem Messerkranz im Kutter. So entsteht das Wurstbrät.

Pökeln (umröten):
mit Nitritsalz. Gibt Geschmack, Konservierung und mikrobielle Sicherheit. Gepökelt sind alle roten Wurstwaren, nicht gepökelt sind die weissen wie Kalbsbratwürste.

Stossen:
Maschinelles Abfüllen des Bräts in die Wursthülle (Bild).

Lufttrocknen:
meistens in kalter Luft, selten in heisser Luft. Dies geschieht in drei Phasen: abhängen, schwitzen, trocknen – oft während Wochen je nach Kaliber.

Reifen:
Proteinabbau während der Lufttrocknung, was zur Geschmacksentwiclung führt.

Räuchern:
im kalten oder warmen Rauch von Harthölzern. Gibt Farbe, Geschmack und eine leichte Trocknung und Konservierung. Selten wird als Alternative Flüssigrauch verwendet, der bei richtiger Anwendung geschmacklich gleichwertig ist.

Schimmeln:
meistens mit Edelschimmel, der an der Geschmackgebung beteiligt ist. Geschimmelte Würste gelten als eleganter, geräucherte als rustikaler.

Brühen:
Garprozess durch Dämpfen oder Tauchen in Heisswasser von rund 75 Grad bis zu einer Kerntemperatur von 70 Grad



Kutter, auch Blitz genannt


Informationen aus: «Alles ist Wurst - auf dem Wurstweg durch die Schweiz», Buch von Fritz von Gunten. Lehrbuch «Schweizer Wurstwaren» und basierend auf Informationen der Metzgereifachschule ABZ in Spiez.
(gb)

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