Foodfachzeitung im Internet
Admin aufrufen
Samstag, 5. Oktober 2024
Ecke für Profis
Druckansicht 24.03.2023
.BÄCKEREI: FODMAPs vermeiden aber nicht Gluten verteufeln
Weizenfreie und vor allem glutenfreie Ernährung führt oft zu weniger Vollkorn-Konsum, was ernährungsphysiologisch nicht sinnvoll ist. Glutenfreie Produkte sind nicht per se gesünder, oft aber kalorienhaltiger, da Gluten oft durch Fett ersetzt wird.

Weizen steuert heute etwa 20 Prozent der Kohlenhydrate und 20 Prozent des Proteins zur Ernährung der Weltbevölkerung bei. Zudem enthält Vollkornweizen zahlreiche wichtige Vitamine, Spurenelemente, Mineral- und Ballaststoffe. Insofern ist Weizen aus der menschlichen Ernährung nicht wegzudenken. Andererseits denken nicht wenige Menschen, dass sie dieses Getreide nicht gut vertragen.

Die Arbeitsgruppe Weizen an der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Dazu ihr Leiter Professor Friedrich Longin: „Die mit grossem Abstand häufigste Erkrankung, bei der Weizen nicht vertragen wird und bei der lebenslang nicht nur auf Weizen, sondern auf alle glutenhaltigen Getreide verzichtet werden muss, ist die Zöliakie, eine immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeit.“

Bei Zöliakiepatienten kommt es durch Kontakt mit Gluten zur Bildung von Antikörpern. Das löst eine Immunantwort des Körpers aus, die ganz unterschiedlich sein kann. Mögliche Symptome sind etwa Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, aber auch Verstopfung und eine schlechte Gewichtszunahme. Wie man eine Zöliakie bekommt, ist im Detail wissenschaftlich noch nicht abschliessend geklärt. Fest steht, dass man Gluten zu sich nehmen muss, sonst kann die Zöliakie nicht ausbrechen.

Bekannt ist auch, dass eine bestimmte genetische „Grundausstattung“ bei diesen Menschen vorhanden sein muss. Das betrifft etwa 25 Prozent der deutschen Bevölkerung, aber nur ein Prozent entwickelt eine Zöliakie. Die Gründe hierfür sind noch nicht geklärt. Bekannt ist ferner, dass es familiäre Häufungen gibt: Wenn ein Geschwisterkind Zöliakie hat, steigt das Risiko selber eine Zöliakie zu bekommen, auf circa zehn Prozent.

Seltener, und auch immunologisch bedingt, ist die Weizenallergie. Man nimmt an, dass in Deutschland 0,1 Prozent aller Menschen eine „echte“ Weizenallergie haben. Sie ist also zehnmal seltener als Zöliakie. Hierbei bildet der Betroffene sogenannte Immunglobulin E- (IgE) Antikörper und es kommt nach einigen Minuten bis Stunden zu Blähungen und Durchfall, zum Teil auch Hautausschlag, Gesichtsrötung und -schwellung, Atemnot, etc.

Darüber hinaus gibt es noch eine weitaus weniger klare aber doch wissenschaftlich akzeptierte sogenannte Weizensensitivität (medizinisch: die „Nicht-Zöliakie Glutensensitivität“). Die Symptome sind sehr weitläufig, von klassischen Magen-Darm-Beschwerden über Unwohlsein bis hin zu Müdigkeit und anderen. Hiervon sollen ein bis acht Prozent der Weltbevölkerung betroffen sein. Aktuell werden zwei Hypothesen in der Wissenschaft überprüft.

Die erste: α-Amylase Trypsin Inhibitoren (ATI’s) könnten Auslöser dieser Sensitivität sein. ATI’s sind Proteine, die natürlicherweise im Weizen und anderen Rohstoffen vorkommen. Aussagen, dass moderner Weizen im Gegensatz zu alten Weizenarten beziehungsweise -sorten viel ATI’s enthält, sind nicht korrekt. Es scheint vielmehr eine grosse Variation in den Sorten sowie einen erheblichen Umwelteinfluss auf die Ausprägung von ATI’s zu geben.

Die zweite Hypothese: Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole (FODMAPs). Ein vermehrtes Vorkommen dieser Substanzen im Dickdarm könnte die dort befindlichen Bakterien in ihrer Stoffwechselaktivität fördern und deren Stoffwechselprodukte könnten die Symptome der Betroffenen verursachen (Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen und Durchfall). Ähnlich wie bei Lactose und Fructose, die auch zu den FODMAPs gehören.

Professor Longin ist der Auffassung, dass der Effekt eher überschätzt wird: „In den letzten zwei Jahren ist mehrfach wissenschaftlich belegt worden, dass die allermeisten Brotsorten in Deutschland wenig bis fast keine FODMAPs enthalten, weil diese durch die Hefe- und/oder Sauerteiggärung im Brotteig binnen ein bis drei Stunden fast vollständig abgebaut wurden.“

Allerdings, so Longin, würden beim professionellen Backen zum Teil einige Zusatzstoffe, Enzyme und Zuckerersatzstoffe eingesetzt, in anderen Lebensmitteln teilweise aber deutlich mehr. Und einige Backwaren werden auch direkt gebacken mit minimalsten Teiggehzeiten. Hier gelte es, sich differenziert mit allen möglichen Ursachen zu beschäftigen. Eine Ernährung ohne Weizen und mehr noch, eine komplett glutenfreie Ernährung – wenn es nicht sein muss – führt oft zu reduzierter Aufnahme von Vollkornprodukten, was ernährungsphysiologisch nicht sinnvoll ist. Glutenfreie Produkte sind nicht per se gesünder, oft aber kalorienhaltiger, da Gluten oft durch Fett ersetzt wird.

Ein gänzlich anderer Aspekt ist die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen und Spurenelementen, zum Beispiel Eisen, Zink, Magnesium und Selen, die auch die ernährungsphysiologische Bedeutung von Vollkornprodukten mitbegründet. Diese sind nämlich zumindest teilweise für den Menschen nicht verfügbar, weil sie in einem Phytatkomplex im Getreide gebunden sind. Phytat ist das Salz der Phytinsäure. Es ist die Speicherform für Phosphor in Pflanzen und kommt neben Vollkornprodukten auch in Hülsenfrüchten und Ölsaaten vor.

Kurz zusammengefasst: Eine lange Teigführung hat den grössten Einfluss auf die Inhaltsstoffe, aber auch auf die Teigeigenschaften und somit das Backergebnis. Unter einer langen Teigführung versteht man, dass der Teig nach dem Ansetzen deutlich längere Teigruhezeiten hat, also nicht sofort bei Raumtemperatur geht und binnen ein bis drei Stunden verbacken wird. Bei einer langen Teigführung arbeiten Hefen, Sauerteigbakterien und getreideeigene Enzyme intensiv im Teig. Eine lange Teigführung reduziert – wie oben erwähnt – den FODMAP-Gehalt und hat zudem das Potenzial, die Backqualität und Aromen der Brote positiv zu beeinflussen. (BZfE)
(gb)

Ecke für Profis – die neuesten Beiträge
01.10.2024
d.METZGEREI: SwissSkills Championships der Fleischfachleute 2024
01.10.2024
d.Metzgerei: Erfolgreiche Süffa 2024 im Rückblick
27.09.2024
d .ERNÄHRUNG: Chatbots nur bedingt für Empfehlungen geeignet
20.09.2024
d.LANDWIRTSCHAFT: Eierproduzenten planen Kükentöten abzuschaffen
13.09.2024
d .ERNÄHRUNG: Gesunde UND nachhaltige Ernährung mit neuer Pyramide
04.09.2024 d.ERNÄHRUNG: Fleisch/Milch-Ersatzprodukte gesünder und ökologischer?
28.08.2024 d .METZGEREI: Schweizer Ausbein-Meisterschaft im Rückblick
23.08.2024 d.LANDWIRTSCHAFT: Vertical Farming für weltweite Proteinversorgung
16.08.2024 d .GASTRONOMIE: Nach Vegi-Monat sinkt Fleischkonsum
09.08.2024 d .CONFISERIE: Trends bei Röstprozessen
02.08.2024 d.MOLKEREI: Vom Butterloch zum Butterberg
26.07.2024 d.GASTRONOMIE: Erfolgskonzepte der Ernährung in der GV
19.07.2024 d .ERNÄHRUNG: Hochwertige Pflanzenöle gesünder als tierische Fette
12.07.2024 d.LANDWIRTSCHAFT: Bio-Rekord in der Schweiz trotz Produzentenfrust
05.07.2024 d .MOLKEREI: Optimistischer Ausblick für Schweizer Käsebranche
28.06.2024 d.GASTRONOMIE: Roboter im Restaurant auf dem Vormarsch
20.06.2024 d.CONFISERIE: «Gesunde» Süsswaren weiterhin im Trend
14.06.2024 d.BÄCKEREI: Gluten – Freispruch für modernen Weizen
07.06.2024 d .KONDITOREI: Globale Glacetrends 2024
31.05.2024 d.ERNÄHRUNG: Aktuelle Entwicklungen beim Nutri-Score
23.05.2024 d.CONFISERIE: Schokolade mit vollem Kakaofruchtgehalt entwickelt
17.05.2024 d.ERNÄHRUNG: Molkenprotein-Gel baut Alkohol im Körper ab
10.05.2024 d.ERNÄHRUNG: Kaffee bietet mehr als nur Coffein
03.05.2024 d.TECHNOLOGIE: Smarte Schnelltests für Haltbarkeits-Ermittlung
26.04.2024 d.TECHNOLOGIE: Laborfleisch aus dem Bioreaktor
19.04.2024 d.BÄCKEREI: Weniger Dauerbackwaren exportiert im 2023
12.04.2024 d.MOLKEREI: Schweiz ist wieder Käse-Weltmeister
05.04.2024 dCONFISERIE: Schweizer Zuckerwaren boomen im Export
30.03.2024 d.METZGEREI: Anteil der Fleischalternativen auf tiefem Niveau leicht im Plus
22.03.2024 d.VERPACKUNG: Zwischen Schutz, Risiko und Ökologie
Ecke für Profis
01.10.2024
.METZGEREI: SwissSkills Championships der Fleischfachleute 2024

Schweizer Meisterschaften der Fleischfachleute im Rückblick: Die besten Talente ausgezeichnet.
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland