Foodfachzeitung im Internet
Donnerstag, 10. Oktober 2024
Report
Druckansicht26.01.2013
Schweizer Schweinefleisch-Dilemma
Die Schweiz produziert Schweinefleisch mit hohen Auflagen und daher auch hohen Kosten. Das Gesundheitsniveau ist dafür sehr hoch und die Fleischqualität sehr gut.


Die hohe Schweizer Fleischqualität wird immer weniger honoriert, und der Einkaufstourismus nimmt zu, vor allem zwecks Fleischeinkauf jenseits der Grenze. Die steigenden Kosten für die Schweinemäster und die tiefen Preise für Schlachtschweine erlauben kaum eine wirtschaftliche Produktion.


In Absprache mit der Fleischbranche produzieren Schweizer Bauern ein „Universalschwein“, bei welchem nicht einfach der Fleischanteil maximiert wird sondern ein Schlachtkörper, aus dem gleichermassen Bankfleisch hoher sensorischer Qualität als auch Fleisch und Fett entsteht, das hervorragend für die Verarbeitung zu Produkten geeignet ist (Fettqualität, Wasserbindungsvermögen).

Das Schweizer Schweine-Zuchtprogramm setzt im Gegensatz zu ausländischen auf eigene, in der Schweiz nach Qualitätsgesichtspunkten weiterentwickelte Rassen. Weltweit einzigartig ist die Zucht auf einen optimalen intramuskulären Fettgehalt, der mit einem höheren Genusswert des Fleisches einhergeht. Die Gewichtung der Merkmale ist auf die Fleisch- und Fettqualität ausgelegt. Die gesamte Population ist PSE-stressfrei gezüchtet. PSE (pale-soft-exudative) ist ein Fleischfehler und bedeutet «blass, weich-wabbelig und wässerig und wasserlässig».

Die Qualitätsbezahlung erfolgt basiert auf einen optimalen, begrenzten Muskelfleischanteil. Im Ausland wird ein maximaler Anteil honoriert, dadurch gibt es mehr Qualitätsfehler wie PSE, zu wenig intramuskuläres Fett und mehr Tropfsaftverlust.

Ebenfalls einzigartig ist die Einbeziehung der Fettqualität in die Bezahlung der Schlachtkörper. Damit wird eine hohe Verarbeitungsqualität des Schweinefettes gewährleistet. Derzeit läuft ein Projekt, in dem neue Bewertungskriterien der Fettqualität entwickelt und geprüft werden, um eine Verbesserung der Nachhaltigkeit der Fütterung bei Aufrechterhaltung der hohen Fettqualität zu erreichen. Parallel dazu wird eine Methode zur züchterischen Verbesserung der Fettqualität erarbeitet. Darüber hinaus ist die Fütterung der Schweizer Schweine GVO-frei. Auch dies ist weltweit einzigartig.

Gute sensorische Qualität und hohes Tierwohl

Der vergleichsweise hohe intramuskuläre Fettgehalt, das gute Wasserbindungsvermögen und die hohe Stress-Stabilität der Tiere ermöglichen einen hohen Genusswert bzgl. Zartheit, Saftigkeit und Aroma/Geschmack. Fleischabnehmer und –verarbeiter bestätigen die bessere Qualität des Schweizer Schweinefleisches gegenüber Import-Ware (direkte sensorische Vergleiche auf wissenschaftlicher Basis stehen noch aus).

In der Haltung gibt es sehr grosse Unterschiede zwischen der Schweiz und der EU. Die Haltungsvorschriften sind hierzulande bedeutend strenger - das Tierwohl erhält einen hohen Stellenwert. Beispiele: Alle Abferkelbuchten mit freier Bewegung der Muttersau mit rund doppelt so viel Platz, Kastration unter Schmerzauschaltung (Schmerzmittel und Narkose), Gruppenhaltung der Galtsauen (seit langer Zeit umgesetzt) und ein Verbot der Vollflächenroste für Mastschweine ab 2018. Seit 1.9.2012 müssen alle Schweine jederzeit Beschäftigungmöglichkeiten haben.


Schweizer Bauern lassen Schweine selten auf die Weide sondern meistens nur auf eine Betonterrassse, denn sie würden beim Suhlen ein Feld in wenigen Tagen komplett umpfügen. Aber es gibt Ausnahmen wie das Ormalinger Weideschwein von Hofgut & Hofmetzg in 4466 Ormalingen und das Kabier-Schwein von Sepp Dähler in 9063 Stein AR.


Zusätzlich zu den hohen Tierschutzauflagen werden zwei Drittel der Tiere in freiwilligen Tierwohlprogrammen gehalten: RAUS (ständiger Auslauf ins Freie mit zusätzlicher Bewegungsfläche) und BTS (besonders tierfreundliche Haltungssysteme) mit bodenbedeckender Einstreu im Liegebereich und Mehrflächensysteme.

Das Verbot, Schwänze zu kupieren, gilt in der Schweiz schon seit Jahren – im EU-Ausland ist dies noch die Regel, obwohl ebenfalls verboten und eigentlich nur als Ausnahme bei Notwendigkeit gestattet. Dies ist ein klarer Hinweis auf die ungünstigeren Haltungsbedingungen, die Schwanzbeissen hervorrufen. Insgesamt erfolgt die Umsetzung von Auflagen in der Schweiz sicherlich konsequenter und besser.

Tiergesundheit und Antibiotika

In der Schweizer Schweineproduktion besteht ein hohes Gesundheitsniveau, das weltweit einmalig ist. Die Schweiz ist offiziell frei von Afrikanischer Schweinepest, klassischer Schweinepest, Aujeszky und PRRS.



Schweinefleisch-Rack


Mit Flächensanierungsprogrammen wurden EP und APP getilgt und zu bekämpfenden Seuchen erklärt. Mehr als 80% aller Zuchtbetriebe sowie circa die Hälfte aller Mastbetriebe sind freiwillig dem Schweinegesundheitsdienst angeschlossen und müssen unverdächtig sein für pRA, Räude und Brachyspira hyodysenteriae. Die SGD-Betriebe müssen überdies eine Anzahl Richtlinien einhalten, die zur Verbesserung von Management, Hygiene, Biosicherheit, Gesundheit und einem reduzierten Einsatz von Antibiotika beitragen.

Der Schweinegesundheitsdienst SGD wurde 1965 gegründet, weil viele Zucht- und Mastbetriebe Probleme mit Atemwegserkrankungen und Räude hatten und deswegen grosse wirtschaftliche Einbussen erlitten. Auf den 1. Januar 2002 wurden die 4 Genossenschaften aufgelöst und als Verband Schweinegesundheitsdienst Schweiz (VSGD) neu organisiert. Am 1. Januar 2005 erfolgte die Eingliederung des SGD in die SUISAG und auf den 1. Januar 2006 wurde das neue Gesundheitsprogramm in Kraft gesetzt. Der Bund erteilt dem SGD einen Leistungsauftrag basierend auf der Verordnung über die Unterstützung des Beratungs- und Gesundheitsdienstes in der Schweinehaltung. www.suisag.ch

Antimikrobielle Leistungsförderer sind seit 1999 verboten. Kein SGD-Betrieb darf kontinuierlich vorbeugend Antibiotika einsetzen, ansonsten verliert er den höchsten Gesundheitsstatus. Die Rückstandsfreiheit im Fleisch ist ausgewiesen. Ein noch restriktiverer Einsatz von Antibiotika wird angestrebt.



Scheine-Hälften


Die Schweizer Hausschweine sind frei von Trichinen. Salmonellen sind in staatlichen Überwachungsprojekten nur selten nachweisbar, klinische Salmonellose ist praktisch unbekannt. Im Gegensatz dazu kämpfen alle unsere Nachbarländer mit vielen dieser Krankheiten, die in der Schweiz gar nicht vorkommen. Einzig einzelne skandinavische Länder kommen punkto Gesundheitsstatus in die Nähe des Gesundheitsniveaus der Schweizer Schweine.

Seitens der Zucht wird über die genetische Resistenz gegen pathogene Coli-Bakterien (und damit der Vorbeugung gegen Ferkeldurchfall und Ödemkrankheit) ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion des Einsatzes von Antibiotika geleistet.

Resistent gegen Stress

Sämtliche Schweizer Schweinerassen (auch die fleischreicheren Vaterrassen) sind genetisch reinerbig stressstabil. Dies ist im EU-Ausland häufig nicht der Fall. Teilweise setzen einzelne Zuchtprogramme sogar gezielt auf die Mutation, welche die Stressanfälligkeit hervorruft, da diese mit einem höheren Fleischanteil der Schlachtkörper gekoppelt ist.



Schweins-Kotelett mit Salbei


Stress kann sich in einem überstürzten Muskelstoffwechsel während und nach der Schlachtung auswirken, was ein schlechtes Wasserbindungsvermögen und eine strohige Konsistenz des Fleisches hervorrufen kann (sogenanntes PSE-Fleisch). PSE-Fleisch als Folge von Stress kommt hierzulande nur noch selten vor. Dennoch empfiehlt sich ein schonender Umgang mit den Tieren. Dies kann vor allem hinsichtlich spezieller Qualitätsprobleme in Schinken wie der Destrukturierung von Bedeutung sein.



Text GB. Basierend auf Infos von: Judith Peter-Egli , SUISAG Schweinegesundheitsdienst Martin Scheeder (Bild), SUISAG Geschäftsbereich Zucht. Adrian Schütz, Suisseporcs. Henning Luther, SUISAG, Leiter Zuchtprogramm)


(gb)

Report – die neuesten Beiträge
06.10.2024
dWeihnachtsgebäck schon im Oktober?
25.09.2024
dDie offiziell besten Metzgereien 2024
19.09.2024
dPflanzlicher Milchersatz: umweltschonend aber nährwertärmer
08.09.2024
dSchokoladeimitationen ohne Kakao im Trend
01.09.2024
d Warme Schärfe dank Wasabi und Ingwer
21.08.2024dBrombeeren – wilde schmecken intensiver
14.08.2024dGlacesorten, -macharten und -trends
07.08.2024dFeige: Eine der ältesten Früchte der Welt
31.07.2024dEin Hoch auf Schweizer Bier
24.07.2024dJetzt hochwertige Beeren richtig verarbeiten
17.07.2024dFleisch kontra Ersatzprodukte - gesundheitlich betrachtet
10.07.2024dJetzt Aprikosen verarbeiten: Frische Vielfalt
03.07.2024dWie wird selbst gemachte Glace cremig?
26.06.2024dBio und Fleischersatz stossen an Grenzen
19.06.2024dMultitalente Blumenkohl und Romanesco
12.06.2024dNeuartige Kaffeealternative mit regionalen Rohstoffen
05.06.2024dHochverarbeitetes oft ungesund aber nicht immer
29.05.2024dGelungene Beefsteak-Imitation von Planted
22.05.2024d Food-Handwerker mit wissenschaftlichen Ambitionen
15.05.2024d(Un)sinn von Süssstoffen zum Abspecken
08.05.2024dZartes Fleisch – wissenschaftlich erklärt
01.05.2024dBackhefe: mehr als ein Triebmittel
24.04.2024dSchweizer Bierkultur im Wandel
17.04.2024dExotische Würzsaucen zu Grilladen
11.04.2024dBio bei Aldi und Lidl bis 25% billiger als bei Migros und Coop
03.04.2024dWie schädlich ist rotes Fleisch für Gesundheit und Umwelt?
27.03.2024dWie gesund ist Fruchtzucker?
20.03.2024dSterben die Unverpackt-Läden?
13.03.2024dWiesenmilch ist gesünder und umweltschonender
07.03.2024dInnovatives Biertreber-Upgrading
Ecke für Profis
08.10.2024
.LANDWIRTSCHAFT: Comeback der Puschlaver Kastanien

Früher waren Kastanien im Puschlav ein Grundnahrungsmittel. Getreide und Kartoffeln verdrängten sie. Krankheiten dezimierten die Bäume. Nun versucht man eine Revitalisierung.
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland