Weisser und purpurner Weizen könnten eine Ernährung mit Vollkorn attraktiver machen, weil sie hellere Backwaren liefern, weniger derb nach Vollkorn schmecken oder gängige Weizensorten durch ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen überbieten. Farbige Weizensorten könnten daher eine gesunde, schmackhafte Alternative zu herkömmlichem Vollkornbrot darstellen. Dass Farbweizen im Bäckereihandwerk ansprechende und schmackhafte Brote liefern kann, belegten Praxistests mit Forschenden der Universität Hohenheim und einem Bäckereibetrieb.
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„Weizen liefert weltweit gesehen etwa 20 Prozent unseres täglichen Energiebedarfs. In manchen Ländern liefern alleine Weizenbrote 20 Prozent der täglichen Ballaststoffe und Proteine. Manche Annahmen gehen sogar von höheren Werten aus“, erklärt Lebensmitteltechnologe Prof. Dr. Jekle: „Die wertvollen Inhaltsstoffe sind aber vor allem in den Randschichten der Körner vorhanden. Sie kommen somit hauptsächlich in Vollkornprodukten vor, sodass sich die Versorgung durch mehr Vollkorn verbessern liesse.“
Trotz dieser Eigenschaften sei der Konsum von Vollkornbackwaren aber immer noch sehr gering, berichtet Heiner Beck, Inhaber des Bäckereibetriebs BeckaBeck: „Aktuell beträgt der Anteil von Vollkorn im Brotmarkt nur etwa 11 Prozent – Tendenz sinkend.“ Ein Phänomen, das er selbst auch im Verkauf beobachte: „Für einen Grossteil der Verbraucher:innen muss Brot soft und hell sein. Vielen ist Vollkorn einfach zu herb.“
Abhilfe für dieses Problem sieht Christian Böck bei der Aroma- und Qualitätsanalyse der Testbrote unter anderem in der Optik der Brote aus weissen Weizen: „Je heller das Korn, desto heller ist auch die Brotkrume“, erläutert der Bäckermeister. „Weisse Weizensorten liefern deshalb ein deutlich helleres und somit für viele Menschen ansprechenderes Vollkornbrot als die gängigen roten Weizensorten.“
Die weissen Weizensorten überzeugen nicht nur durch einen deutlich milderen Geschmack als die Vollkornbrote aus normalem Weizen. Sie punkten auch in Laboranalysen: „Unsere Laboruntersuchungen konnten zeigen, dass weisse Weizensorten ein ähnlich gutes Nährstoffspektrum wie der in Deutschland gängige rote Weizen aufweisen“, führt Jana Kant, Doktorandin am Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel, aus.
Purpurne übertreffen rote Weizensorten
Purpurfarbener Weizen liefert dunklere Brote als gängiger roter Weizen. In den Aroma- und Geschmacksanalysen weisen die Brote zudem einen intensiven schokoladig-nussigen Geschmack auf. Vor allem punkten Purpur-Weizensorten jedoch aus ernährungsphysiologischer Sicht: Sie weisen einen hohen Gehalt an gesunden Pflanzenstoffen auf – sogenannten Anthocyanen, die für eine dunkel purpurne Färbung der Weizenkörner sorgen und zum Beispiel auch in roten und blauen Früchten vorkommen.
Weisser und purpurner Weizen sind zwar weniger ertragreich als herkömmliche Weizensorten, könnten jedoch eine Ernährung mit Vollkorn attraktiver zu machen
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Prof. Dr. Jekle: „In unseren Laboranalysen konnten wir feststellen, dass die Brote aus purpurnem Weizen in etwa neunmal so viele Anthocyane enthalten wie Brote aus rotem Weizen.“ Allerdings: Auch die Anthocyane seien lediglich in den äusseren Randschichten der Körner vorhanden, führt Jana Kant aus: „Das spricht dafür, auch bei der Verarbeitung von purpurnem Weizen auf Vollkorn zu setzen“, so die Wissenschaftlerin.
Im Praxisbackversuch wollen die Forschenden daher testen, ob die Farbweizen-Sorten auch qualitativ und geschmacklich mit dem in Deutschland gängigen roten Weizen mithalten können. Das gemeinsame Ziel der beiden Hohenheimer Wissenschaftler: Den Verzehr von ernährungsphysiologisch vorteilhaftem Vollkorn attraktiver machen – durch Brot aus farbigem Weizen.
Praxistest bestanden – trotz kleiner Schwächen
Einige wenige Schwächen zeigen sich bei den bisher kaum etablierten farbigen Weizensorten im Praxisbackversuch. Deutliche Unterschiede fallen den beiden Bäckermeistern zwischen den purpurnen und weissen Weizensorten auf: „Das Backvolumen einiger purpurfarbener Sorten kann mit rotem Weizen gut mithalten. Viele klassische Gebäcke lassen sich sicherlich problemlos damit herstellen“, mutmasst Heiner Beck.
Der weisse Weizen zeigt hingegen eine wesentlich schlechtere Teigstabilität. „Die Herstellung von Toastbroten oder Schnittbrötchen könnte damit zur Herausforderung werden“, so Christian Böck. Die Testbrote aus weissem Weizen konnten dennoch überzeugen. „Handwerker:innen könnten durch den Einsatz von Sauer- oder Vorteigen, angepasster Knetung oder Backformen die Teigstabilität verbessern – ähnlich wie bei Dinkel oder Emmer“, ergänzt Beck.
„Weisse und purpurne Weizensorten schnitten im Feld überraschend gut ab“, erklärt Prof. Dr. Longin. „Und wir denken, dass weisse und purpurne Weizen einiges zu einer gesunden Ernährung mit Brot beitragen können.“
Das Ergebnis des Feldversuchs: Die Ernteerträge fielen im Vergleich zu den roten Weizensorten geringer aus. „Im Durchschnitt lieferten die weissen Weizensorten rund 10 Prozent weniger Ertrag als roter Weizen. Bei purpurnen Weizensorten waren es knapp 15 Prozent weniger.“
Bedeutende Nachteile liessen sich jedoch nicht erkennen. Im Gegenteil: „Weisse und purpurne Weizensorten waren auf einem agronomisch besseren Niveau als alternative Weizenarten wie Emmer und Einkorn – und erwiesen sich als erstaunlich resistent gegenüber Krankheiten.“
Das Fazit der Fachleute aus Wissenschaft und Handwerk: „Unsere Feld-, Labor- und Backversuche zeigen, dass weisse und purpurne Weizensorten dazu beitragen könnten, mehr Menschen für Vollkornbackwaren zu begeistern und eine gesunde Ernährung mit Brot zu fördern“, fasst Prof. Dr. Friedrich Longin zusammen.
(Text und Bilder: Uni Hohenheim www.uni-hohenheim.de)
(gb)