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Ecke für Profis  15.06.2019
.LANDWIRTSCHAFT: Gründe für hohe Preise der Schweizer Schlachttiere
Dem Schweizer Lebensmittelmarkt haftet ein Hochpreis-Ruf an. Vor allem bei der Fleischproduktion liegen die Kosten höher als im umliegenden Ausland. Ein Vergleich mit Deutschland erklärt die Gründe.

Schweizer Mastbetriebe halten durchschnittlich 130 Schweine, deutsche hingegen 1180 Tiere. (Bild: LID)


Eine Auswertung des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW knüpft an die Analyse zu Preis- und Konsumunterschieden von Schweizer und deutschen Verbrauchern an. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung steht der Vergleich auf Produzentenstufe. Dabei werden einerseits die Produktionsstruktur und andererseits die Produzentenpreise in Deutschland und in der Schweiz miteinander verglichen. Die Hintergründe der Analyse sowie deren Ergebnisse dienen somit auch als Erklärungsansätze für die hohen Preisunterschiede auf Konsumentenstufe.

Der Schweizer Fleischmarkt ist naturgemäss deutlich kleiner als jener in Deutschland: Im Jahr 2018 betrug die gesamte Schweizer Produktion rund 490 000 Tonnen. Das deutsche Produktionsvolumen erreichte 7'940'000 Tonnen und war damit um das 16-fache höher. Der Selbstversorgungsgrad (Anteil Inlandproduktion am Inlandkonsum) liegt in der Schweiz bei 82 %, in Deutschland liegt dieser Wert bei 115.6%. Das bedeutet, dass Deutschland insgesamt einen Export- und die Schweiz im Gegensatz dazu einen Importbedarf aufweist.

In beiden Ländern verzeichnet Schweinefleisch die höchsten Produktionsmengen, allerdings nicht im gleichen Ausmass. In Deutschland nimmt die Schweineproduktion mit 61,6 % der gesamten Fleischproduktion (ohne Innereien) eine starke Rolle ein. In der Schweiz hat Schweinefleisch mit 47 % eine etwas weniger dominierende Position in der Produktion, bleibt aber dennoch mit Abstand die wichtigste Fleischart. Umgekehrt nimmt die Rindfleischproduktion in der Schweiz eine viel bedeutendere Rolle ein als in Deutschland. Zusammen mit Kalbfleisch werden damit 30 % der inländischen Fleischproduktion erzeugt, in Deutschland sind es nur rund 14 %.

Kalbfleisch für sich betrachtet besetzt in Deutschland anteilsmässig mit 0,6% eine kleinere Nische als Lammfleisch in der Schweiz (1,1%). Der Grund liegt nicht zuletzt an der topografischen Gegebenheit der Schweiz, welche eine graslandbasierte Landwirtschaft begünstigt, was die Rindviehhaltung begünstigt. Anteilmässig ähnlich sieht es beim Geflügel aus. Hier sind die Produktionsanteile mit etwas mehr als einem Fünftel vergleichbar.

Tierwohl steht in der Schweiz stärker im Fokus

Für die Tierhaltung massgebend sind die gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien privater oder staatlicher Tierhaltungsprogramme. Die bedeutendsten Haltungsformen in der Schweiz neben dem QM-Standard (Einhaltung des gesetzlichen Mindeststandards) sind Bio und IP (integrierte Produktion) sowie weitere privatrechtlich organisierte Labelvorgaben. Diese Produktionsformen stützen sich auf Vorgaben, welche über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen.

Die Mehrkosten, welche bei der Einhaltung der strikteren Vorgaben anfallen, werden mit höheren Produzentenpreisen oder bundesseitig durch Beiträge aus den staatlichen Tierwohlprogrammen (BTS/RAUS) abgegolten. Der Anteil dieser Labels ist je Tiergattung unterschiedlich. Bei der Schweineproduktion wurden 2018 rund 34 %, bei Kalb 25 %, Lamm 10 %, Rindvieh 29 % (Rinder und Kühe) der Tiere in einem der grossen Labelkanäle geschlachtet. In Deutschland hingegen existieren aktuell keine eindeutigen Daten zur Labelproduktion. Deren Anteil wird aus Expertensicht aber auf einen tiefen einstelligen Wert geschätzt. Wie sich die Situation mit der Umsetzung der staatlichen Initiative für mehr Tierwohl entwickelt, lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen.

Nach aktueller Einschätzung der Agridea (Studie zum Vergleich von Tierschutz und Tier- wohl) wird der stärkere Fokus auf das Tierwohl in der Schweiz auch auf gesetzlicher Ebene gestützt. Allerdings steigen die Bestrebungen im Ausland in Richtung einer tierwohlgerechteren Haltung. In wesentlichen Aspekten wie etwa Mindestplatzbedarf oder Tiertransport weist die Schweizer Tierproduktion striktere Vorschriften aus.

Grosse Unterschiede in der Betriebsgrösse

Neben den geografischen Restriktionen der Schweiz wirkt sich auch die Höchstbestandsverordnung massgeblich auf die Betriebsstruktur aus. Mit der Höchstbestandsverordnung legt der Bund für jede Tiergattung die maximal Anzahl Tiere fest, die pro Betrieb gehalten werden dürfen. Eine äquivalente Gesetzgebung gibt es in Deutschland nicht. Entsprechend gibt es hier grosse Unterschiede in der Betriebsgrösse. Die markanteste Differenz zeigt sich in der durchschnittlichen Betriebsgrösse bei Mastschweinen. Während 2018 in der Schweiz durchschnittlich knapp 130 Mastschweine je Betrieb gehalten wurden, waren es in Deutschland rund 1180 Tiere oder 9-mal mehr. In der Schaf/Lamm-Haltung handelt es sich um einen Faktor 4 (42 vs. 165 Tiere) und beim Rindvieh (Kuh/Rind/Kalb inkl. Milchwirtschaft) um einen Faktor 2 (44 vs. 86 Tiere).

Höchste Preisdifferenz beim Schwein

Bei der Betrachtung der Preisunterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland spielen die aufgeführten Aspekte eine wichtige Rolle bei der Interpretation der Auswertung. Zur besseren Vergleichbarkeit der Produzentenpreise wurde bei den verschiedenen Tiergattungen eine vergleichbare Taxierung betrachtet (Schweiz: Taxierung nach CHTAX und Deutschland: Taxierung nach (S)EUROP). Die Anteile der bedeutendsten Produktionsformen/Label fliessen als Gewichtungsfaktoren in den Preisvergleich ein. Die Preise für Deutschland enthalten der Bedeutung entsprechend ebenfalls Tiere aus Bio- und Labelproduktion.

Die Preisunterschiede sind über alle beobachteten Tiergattungen hoch. Die grössten Unterschiede wurden bei Kalb (138 %) und Schwein (149 %) beobachtet. Dies ist nicht überraschend. Einerseits hat Kalbfleisch eine tiefere Bedeutung für den Verbraucher in Deutschland als in der Schweiz. Andererseits fällt Kalbfleisch aufgrund der Verknüpfung mit dem Milchmarkt zwingend an und muss ebenfalls verwertet werden, was sich auf den Preis auswirkt. Das betrifft sowohl den deutschen wie auch den Schweizer Kälbermarkt.

Beim Schwein steht Deutschland im Gegensatz zur Schweiz im internationalen Wettbewerb. Als Netto-Exporteur besteht eine Abhängigkeit von der Marktsituation in anderen Produzentenländern und in den Importländern, wodurch der exogene Preisdruck deutlich grösser ist. Zudem sind durch die Grössenunterschiede in Deutschland Skaleneffekte sichtbar, welche in der Schweizer Landwirtschaft nicht umsetzbar sind (rechtlich als auch praktisch).

Die Analyse zeigt, dass ein reiner Preisvergleich zwischen der Schweiz und den umliegenden Ländern ohne begleitenden Informationen ein unvollständiges Bild zeigt. Weitere Einflussfaktoren zu den oben genannten wie die eingesetzten Rassen, die Lohnkosten, die Kosten für Betriebsmittel (Futter, Medikamente, Infrastruktur etc.), die Absatzkanäle, Konsumtrends etc liefern zusätzliche Erklärungsansätze für Preisunterschiede und müssen in einer sauberen Interpretation eines Preisvergleichs beachtet werden. (Text: BLW)
(gb)
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