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Barbecue ist im Gegensatz zum Grillieren eine Niedertemperatur-Garung. Statt einer Kruste entsteht der berühmte rote Barbecuerand.
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Die Indianer machten es den Amerikanern vor: Sie wickelten ihr Büffelfleisch nach der Jagd in Felle ein und garten es in heissen Steinen. Das moderne Prinzip ist ähnlich: Niedertemperatur-Garen von Fleisch beruht auf kurzem Anbraten und sehr langsamem Garen unter 100 Grad. Wenn die gewünschte Kerntemperatur erreicht ist, kann das Fleisch stundenlang ohne Qualitätsverlust essbereit gehalten werden.
Bei der konventionellen Garmethode hingegen beträgt die Ofentemperatur 200 Grad, die Kerntemperatur steigt schneller an, und die äussere Fleischschicht erfährt eine forcierte Hitzeeinwirkung: Dies führt einerseits zur erwünschten Krustenbildung, andererseits aber zu hohem Garverlust durch Saftaustritt und Wasserverdampfung, allenfalls gar zu ausgetrocknetem Fleisch.
Muskuläre Struktur des Fleisches erhalten
Niedertemperatur-Garen hat Vorteile: Das Fleisch wird zarter und verliert weniger Saft, dadurch bleibt es nicht nur saftiger, sondern ergibt auch mehr Tranchen. Der Braten kann zeitunabhängig vorproduziert und warmgehalten werden. Wenn man eine Kruste wünscht, muss man das Fleischstück nach dem Garen anbraten, ein Bratenjus hingegen steht für die Sauce nicht zur Verfügung - er bleibt im Fleisch. So wie ein traditioneller Braten im Ofen viel Fingerspitzengefühl erfordert, ist auch das moderne Niedertemperatur-Garen eine lernbare Kunst.
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Rehschulter schmoren
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Der deutsche Fleischexperte Professor Karl O. Honikel erklärt die unterschiedlichen Vorgänge beim sanften Garen und beim «rabiaten» Schmoren: «Wird ein Edelstück schonend gegart, d.h. bei langsamer Temperaturerhöhung, spalten die muskeleigenen Enzyme sowohl die Myofibrillenstruktur wie auch das Bindegewebe und machen dadurch das Fleisch zart. Aber beim Weichschmoren (d.h. Erhitzen mit einer gewissen Menge Wasser), werden die Enzyme durch einen raschen Anstieg auf Temperaturen über 55 Grad frühzeitig inaktiviert».
Dabei entsteht eine andere Art von Zartheit, die sich vor allem auf die Auflösung äusserer Bindegewebsschichten (Gelatinisierung) beschränkt. Die inneren Schichten dagegen, das Epi- und Endomysium ebenso wie ein Teil der Myobrillenstruktur, bleiben intakt und lassen separierbare Fasern entstehen. Dies kennt man vom Sauerbraten aus Kuhfleisch oder bindegewebsreichen Halsstücken, oder noch ausgeprägter erscheinen sie bei zu kurz gekochtem Gulasch aus dem bindegewebsreichen Halsbereich des Rindes, das daher gern in den Zähnen hängen bleibt.
Ein zartes Edelstück ist gut gereiftes Fleisch, das zudem meistens wenig Bindegewebe enthält. Währschafte Stücke dagegen wie Hals oder Vorderviertel vom Rind enthalten mehr Bindegewebe. Dieses ist bei einer mehrere Jahre alten Kuh zudem zäh und löst sich bei Hitze kaum auf; nur in saurem Milieu wie bei der Zubereitung von Sauerbraten geht es in Lösung.
«Fleisch in Zahnlücken hat seine Ursache fast immer in zu wenig gelöstem Bindegewebe», so Honikel. Dies kommt auch bei salamiartigen Rohwürsten vor und ist dort sogar meistens als solches zu erkennen, weil es in der Rohwurst kaum abgebaut wird.
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Niedergar-Gerät Hold-o-mat von Hugentobler Kochsysteme.
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Auch Metzgermeister und Buchautor Werner Wirth («Gabelzart» - Fleisch sanft-Garen, Verlag We Wi, Urtenen) empfiehlt, mageres Fleisch ohne Anbraten zu garen und erst nachher anzubraten. Und nur bei Stücken mit viel Auflagefett sei Anbraten sinnvoll.
Für die Zubereitung von Geschnetzeltem an Sauce würde er das Fleisch ebenfalls ohne anzubraten in der fertigen heissen Sauce pochieren – auf diese Weise wird es so zart, dass man es mit der Gabel zerteilen kann. Wirth verwendet den Begriff «sanft garen», da beim herkömmlichen «Niedergaren» in der Schweiz das Fleisch zuerst angebraten wird (im Gegensatz zu den USA).
«Jeder Druck beim Fleisch führt zu Spannungen, diese führen automatisch zu einem erhöhten Saftaustritt», erklärt Wirth, der Meister seines Fachs. Das Adjektiv «gabelzart» umschreibt den Zustand eines butterweichen Fleischstücks, das beim Essen dank seiner fischähnlichen Konsistenz den Gebrauch eines Messers überflüssig machen kann. (GB)
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