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Report  31.12.2008
Terroirprodukte legen weiter zu
Herkunftsbetonte Produkte wie AOC/IGP und Regionalmarken sind ein Megatrend der letzten Jahre, der auch weiterhin Potenzial besitzt - auch im Export. Allerdings locken erfolgreiche Strategien immer auch Trittbrettfahrer an, was Imagerisiken birgt. Welche Varianten von Herkunftsdeklaratonen gibt es und lohnt sich eine Zertifierung?

Das Schweizer Register der Ursprungsbezeichnungen enthält derzeit 17 AOC und 7 IGP-Produkte, letztere Fleisch- und Wurstwaren. 13 Anträge sind hängig, darunter 6 für Fleisch- und Wurstwaren. Für «Jambon de la borne» und «Boutefas» wurden erstmals bei bei Fleischprodukten AOC-Anträge gestellt.


Das Konsumenteninteresse an Terroirprodukten wächst stetig. Eine Bestätigung dafür war der Besucherrekord an der Heimatproduktemesse «Goûts et Terroirs» in Bulle FR Anfang November. Terroirprodukte im engeren Sinn wie Weine, Olivenöle und Alpkäse sind sensorisch einzigartig dank prägendem Einfluss des Terroirs (Boden, Klima, Traditionen). Wie weit der spezifische Einfluss von Anbau, Verarbeitung und Rezepten geht, ist schwer zu sagen. Fachleute können beispielsweise blind Walliser und Bündner Trockenfleisch unterscheiden, aber hier sind nicht nur die Terroirs sondern auch die Rezepte leicht verschieden. Kein sensorischer Unterschied besteht jedoch bei pasteurisierter Milch unterschiedlicher Herkunft innerhalb der Schweiz.

Bei Terroirprodukten im weiteren Sinn ist zwar eine Herkunft deklariert, aber diese beinhaltet lediglich die Verarbeitung, so etwa bei Blütensirup oder Kräuterbonbons. Dennoch hält Raphael Sermet, Mitinhaber der Berner Zertifizierungsfirma ProCert die Begriffe Herkunft und Terroir mit Blick auf die Zukunft für gleichwertig, «da Regionalprodukte, die rein durch lokale Wertschöpfung entstehen nicht mehr zertifizierbar sein werden». Allerdings ist die Grösse eines Terroirs relativ flexibel und kann theoretisch auch die ganze Schweiz umfassen. Ein Sonderfall ist Mineralwasser, das zwar eine terroirbedingte sensorische Prägung besitzt, «aber es gilt nicht als typisches Terroir-Produkt», so Barbara Pokorny, Kommunikationsverantwortliche der AOC/IGP-Vereinigung. «Dies weil kein menschliches Savoir-faire bei der Verarbeitung dazukommt».

Gemäss Sermet haben alle Herkunftskonzepte Erfolgschancen ausser zu kleine Regionen mit zuwenig Unterstützung des lokales Gewerbes. Er meint, «die Produktemengen sollten gross genug sein um Grossverteiler anzusprechen». Als Mindestgrösse verweist er auf das Beispiel Entlebuch, eine zwar kleine Region aber mit erfolgreichem Regionalproduktemarketing. «Auch nach oben gibt es Grenzen, so Sermet, «Beispielsweise «Aus der Region» (ADR) Aare - von Freiburg bis in den Aargau - besitzt die maximale Grösse, um noch als Einheit aufzutreten».



Der extraharte Sbrinz ist ein Zentralschweizer Terroirprodukt mit AOC-Eintrag seit 2002. Er wird oft nur als Reibkäse verwendet, eignet sich aber auch als Fingerfood in Form von Möckli oder Hobelrollen. Die Reifezeit beträgt mind. 18 Monate aber richtig rezent wird er erst ab circa 22 Monaten.

Im Gegensatz zu Slowfood-Produkten, die auch handwerkliche Herstellung und besonderen Genusswert fordern, haben bei reinen Terroirkonzepten (ebenso wie bei Bio) auch Industrieprodukte Chancen, und gemäss Erfahrung von ProCert machen «einige wenige mengenmässig etwa gleichviel aus wie die handwerklichen». Beispiele sind ADR-Brote von JOWA-Bäckereien, IGP-Wurstwaren von Bell sowie Micarna und ADR-Milch und –Butter von Emmi. Aber bei der Sortenzahl überwiegen die handwerklichen Terroirprodukte, dies vor allem bei Käse.

Zertifizierung ist kein Muss aber sinnvoll

Während AOC/IGP zertifizierungspflichtig sind, können die privatrechtlichen Regionalmarkenprogramme selbst entscheiden, ob sie von ihren Teilnehmern eine Zertifizierung verlangen. Allerdings: wenn sie Absatzförderung beantragen, kann das Bundesamt für Landwirtschaft sich auf Mindeststandards stützen, welche die Interessengemeinschaft «IG Regionalprodukte» definiert, und diese bekennt sich zur Zertifizierungspflicht. Damit werden Regio-Programme aufgewertet und bieten eine sinnvolle Alternative zur AOC/IGP-Deklaration. Diese stellt jedoch weitere und höhere Anforderungen, vor allem an die Traditionalität. Aber beide Konzepte eignen sich besonders für Kleinbetriebe. «Hersteller, welche die AOC-Anforderungen bezüglich Traditionalität nicht erfüllen, können sich einem zertifizierten Regionalmarkenprogramm anschliessen», rät Pokorny. «Auch dort profitieren sie von einem verstärkten Marktauftritt».

Die Zertifizierung ist für die Hersteller zwar mit einigen Stunden Aufwand pro Jahr verbunden sowie mit Kosten, vergleichbar mit einer Biozertifizierung. Aber sowohl die Konsumenten wie auch die Markeninhaber geniessen Vorteile: «Mit der Kontrolle vor Ort vermeidet man Trittbrettfahrer oder Programme, die ihre Priorität einseitig auf reine Werbung setzen», sagt Sermet. Konkret: man vermeidet das Täuschungsrisiko. Die Regionalmarke erhält wesentlich mehr Glaubwürdigkeit und wird «Kassensturz-resistent». Allerdings gibt es auch erfolgreiche, nicht zertifizierte Regionalmarken-Programme wie «Natürli aus dem Zürcher Berggebiet» für Milchprodukte: Die Zertifizierung ist nicht der einzige Erfolgsfaktor und bietet auch keine kommerzielle Erfolgsgarantie.

Dank AOC besser exportfähig

Bei der Zertifizierungspflicht gleichen sich die Herkunftsdeklarationsarten an, aber andere Unterschiede bleiben bestehen: AOC besitzt national und international das beste Image: diese Deklaration ist dank den Weinen gut bekannt, daher können AOC-Produkte überregional vermarktet und exportiert werden. Regionalprodukte dagegen sind vor allem in der Herstellregion bekannt. Regionalmarken bezwecken die lokale Wirtschaftsförderung, AOC/IGP jedoch zusätzlich die Pflege von Traditionen und die sensorische Einzigartigkeit. Kaufmotive für beide Produktarten sind ferner kurze Transportwege und – generell bei Schweizer Produkten – die Lebensmittelsicherheit.

Die Kaufmotive für Terroirprodukte sowie die Wirkung der staatlichen Absatzförderung werden Gegenstand einer Studie bei Agridea. Die Ergebnisse stehen frühestens im Herbst 2009 zur Verfügung. Zur Untersuchung der Kommunikationswirkung von AOC und IGP ist ferner im Jahr 2010 eine Konsumenten-Erhebung geplant. Aber heute schon sagen Experten, dass die Kaufmotive regional verschieden sind – vor allem beim Vergleich zwischen der französischen und der deutschen Schweiz. Westschweizer orientieren sich eher an AOC - sie besitzen mehr Sensibilität und Erfahrung mit dem Genusswert. Deutschschweizer dagegen achten eher auf Labels. «Aber auch in der Westschweiz legen Regionalmarken zu», stellt Sermet fest.

Grösseres Mengenpotenzial bei Regionalmarken

Umgekehrt sind die Absatzförderungserfolge der AOC-Vereinigung je nach Produkt stark verschieden, und die durchschnittliche Tendenz zeigt nach oben. «Vom Verschwinden bedrohte Spezialitäten wie der Rheintaler Ribelmais oder die Poire à Botzi haben vor allem dank AOC-Status wieder Erfolg», meint Pokorny, «und der Tête de Moine verzeichnet seit Jahren ein starkes Wachstum im Export», dies allerdings bei relativ kleinen Tonnagen. Die mengenmässig grössten AOC-Produkte sind Gruyère und Emmentaler, die zusammen über 82% aller AOC/IGP-Produkte ausmachen. Bei Produkten mit kleinen Mengen bzw aus kleinen Regionen, wie dem Genfer Gemüse «Cardon épineux», dem Munder Safran oder der Saucisse d’Ajoie ist das Potenzial stark limitiert. «Aber das Wachstum ist bei AOC/IGP-Produkten nicht erstrangig, sondern die Steigerung der Wertschöpfung», betont Pokorny, «dies weil ein Wachstum im Gegensatz zu Industrieprodukten durch die Pflicht zur regionalen Herstellung nicht beliebig gesteigert werden kann).


Portionen-Fleischkäse der Ochsen Metzg in Gossau SG mit Gütesiegel des zertifizierten Ostschweizer Reginalmarkenprogramms Culinarium.


Bei den Regionalmarken ist das Potenzial grösser, weil diese keine Anforderungen an die Traditionalität erfüllen müssen. Auch Neuheiten können als Regionalprodukte zertifiziert werden. Aber AOC-Produkte kommen über ihre Vermarktung in den Genuss einer staatlichen Absatzförderung. «Durch die Kumulation der Mittel in unserer Vereinigung erreichen die Marketingmassnahmen eine gute Effizienz», so Pokorny. «Es ist kaum möglich, bei Regionalmarken ähnliche Summen fürs Marketing zu generieren. Ausserdem profitiert die AOC/IGP-Absatzförderung von Bundesmitteln, welche bis zu 50% der Eigenmittel ausmachen können».


Herkunftskonzepte in Kürze

AOC / IGP sind staatlich geregelte und zertifizierte Herkunftsdeklarationen. Auch viele ausländische Terroirprodukte wie Parmaschinken, Camembert, Champagner, oder Aceto Balsamico Tradizionale di Modena sind AOC-geschützt. Ebenfalls staatlich geregelt sind Berg- und Alpprodukte (Stichworte: Heidi, Pro Montagna), die ab 2009 zertifizierungspflichtig sind. Und es gibt privatrechtlich geregelte wie die Regionalmarken, die nicht zertifizierungspflichtig sind. Diese haben sich zu einer Interessengemeinschaft «IG Regionalmarken» zusammengeschlossen und nationale Mindestanforderungen definiert (www.ig-regionalprodukte.ch). Einer davon ist das Bekenntnis zur Zertifizierung. Zwar besteht keine generelle Pflicht dazu, aber wenn sich ein Markenprogramm zertifizieren lässt, müssen aufgrund der heutigen Akkreditierungsbedingungen Minimalstandards eingehalten werden. Die Idee der Regionalmarken stammt aus Österreich (das Ostschweizer Programm Culinarium besitzt eine Lizenz der gleichnamigen österreichischen Marke).

Anforderungen an Regionalprodukte

Bei zusammengesetzten Produkten (mit mehr als einer Zutat) müssen mindestens 75% der Zutaten aus der entsprechenden Region stammen.

Unverarbeitete und verarbeitete Produkte aus nur einer Zutat sowie nicht veredeltes Fleisch müssen zu 100 % aus der entsprechenden Region stammen.

Betriebe, die ihren Sitz in der Nähe einer Regionsgrenze haben, können Zutaten in der Höhe von max. 10% aus Bezirken beziehen, welche die Regionsgrenze tangieren.

Die Wertschöpfung muss zu mindestens zwei Dritteln in der entsprechenden Region generiert werden.

Es dürfen nur Erzeugnisse mit der Regionalmarke gekennzeichnet werden, die einem Produktezertifizierungs-Verfahren einer akkreditierten Zertifizierungsstelle unterstellt sind.

Quelle: www.ig-regionalprodukte.ch
(gb)
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