Fast alles, was Leib und Seele begehren: die Kartause Ittingen ist ein Bauernhof mit eigener Verarbeitung bis zu Fertigprodukten, ein Kultur- und Bildungszentrum und ein Behindertenwohnheim. Sie führt zwei Hotels und ein Restaurant. Aber sie ist heute kein Kloster mehr.
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Früher ein Kloster mit Selbstversorgung produziert heute die Kartause
Ittingen nördlich von Frauenfeld eine unvergleichbare Vielzahl von
Agrarprodukten und verarbeitet die meisten selbst. Das dank dem Bodensee
milde Thurgauer Klima favorisiert den Anbau von Reben und Obst, die in der
Kartause eine wichtige Rolle spielen. Sie produziert aber auch Raps,
Sonnenblumen, Hopfen und hält Milchkühe, Schweine, Schafe sowie Legehennen.
Nicht zu vergessen mehrere Regenbogenforellen-Teiche - die kleinste
Fischzucht der Schweiz.
Alle Handwerksbetriebe werden von erfahrenen Profis geführt. Die Mönche jedoch mussten Ittingen im 1848 verlassen nach der Aufhebung der Klöster im Thurgau. Dafür gibt es in der heutigen Stiftung ein Hotel mit Seminarzentrum und geschützte Werkstätten.
Der betriebseigene Metzgermeister Rolf Rieser
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Die eigene Käserei produziert ein komplettes Molkereisortiment von Joghurt
über Butter bis zu diversen Käsesorten, die im eigenen Keller reifen.
Rinder, Schweine und Schafe werden im nahen Trüttlikon von einem Lohnmetzger
geschlachtet und in der eigenen Metzgerei zu allen Produktarten veredelt:
Roh- und Brühwurst, Rohschinken, Fleischkäse, Schwartenmagen und Wädli
stehen im Klosterladen und Webshop zum Verkauf. Legehennen dienen der
Eierproduktion und einige landen letzten Endes als Suppenhuhn im Kochtopf
des eigenen Restaurants.
Das Restaurant Zur Mühle war früher in der Tat eine Mühle. Das Rad bewegt sich noch, treibt aber keine Mahlwerke mehr an.
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Aus den Früchten entstehen Saft, Sirup, Konfitüren und Edelbrände, aus Raps
und Sonnenblumen kaltgepresste Öle und aus den Kräutern der Gärtnerei Tees.
Forellen der eigenen Fischzucht werden im Restaurant «blau» serviert oder
als Rauchforelle im Laden verkauft.
Die Trauben der eigenen Reben diverser Traubensorten werden auf dem Hof zu Weiss-, Rot-, Federweiss- und Schaumwein gekeltert. Nicht ganz komplett sind die Wertschöpfungsketten beim Brot und Bier: Die Kartause baut eigenes Getreide an, es wird aber mit anderem Getreide aus der Region zusammen gemahlen. Ferner produziert sie Hopfen für das berühmte Ittinger Amberbier, das bei Heineken in Chur gebraut wird.
Amber heisst das Ittinger Kloster Bier im Pilsner Stil dank seiner dunkelgelb-rötlichen, bernsteinartigen Farbe, die von gedarrtem Malz stammt.
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Das eigene Gourmetrestaurant Mühle mitten im historischen
denkmalgeschützten Klosterhof serviert die Hofprodukte auf der grossen
Terrasse oder im Saal, wo ein antikes Mühlerad dreht. Das Restaurant ist für
die Verwendung von Ostschweizer Zutaten culinarium-zertifiziert, ebenso wie
der Käse und der Wein.
Rebkäse mit Weinhefe gepflegt
In der Käserei der Kartause Ittingen wird ausschliesslich die hofeigene
Milch von jährlich rund 400’000 kg zu acht verschiedenen Käsesorten sowie zu
Joghurt, Butter, Rahm und Pastmilch verarbeitet. Die eigene silofreie Milch,
die weder mit Milch anderer Produzenten gemischt noch transportiert werden
muss, besitzt eine Qualität, die sogar die Herstellung von Rohmilchweichkäse
erlaubt, den Rohmilch-Brie. Eine Besonderheit beim Rebkäse, einem
Halbhartkäse, ist die Rindenpflege mit Weinhefe, die dem Käse ein
nussig-hölziges Aroma verleiht und der Rinde die braune Farbe.
Rohmilch-Weichkäse ist eine der grössten hygienischen Herausforderungen für eine Käserei und eine der charaktervollsten Käsesorten.
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Der Hofkäse, ein Hartkäse aus Rohmilch hat eine rechteckige Laibform und ein
Gewicht von ca. 15 bis 18 kg. Während der Reifezeit werden die Käse
wöchentlich zweimal gewendet und eingerieben. Sie dauert für die milde
Variante 4 bis 5 Monate, für die rezente 10 bis 14 Monate und für die
extraharte 18 Monate.
Käsermeister Ruedi Tritten mit dem Rebkäse
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Die Molke, das Nebenprodukt der Käseherstellung, wird
an die eigenen Schweine verfüttert – in der Ostschweiz halten die meisten
Käsereien aus diesem Grund Schweine. Und neu offeriert der Klosterladen Erdbeermolke mit Erdbeeren aus der Nachbarschaft.
Moderne Metzgereiprodukte
In der Metzgerei wird ausschliesslich Kalb-, Schaf- und Schweinefleisch vom
eigenen Gutsbetrieb vom Metzger Rolf Rieser verarbeitet. Die
Metzgereiprodukte sind bewusst dezent im Salzgehalt – wichtig für eine
gesunde Ernährung.
Vesperspeck mit Pfeffercoating
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Eine Besonderheit ist Salami mit Brieschimmel, der im
Käsekeller geimpft wird und ein Brie-artiges Aroma entwickelt. Medaillenwürdig sind ferner der gegarte Vesperspeck im Pfeffermantel, der zuerst geräuchert und dann gekocht wird – eine Rarität in der Schweiz. Und der zarte Schwartenmagen, der keinen Magen enthält sondern Schwarte vom Kopf.
Bärlauch-Bratwurst im Restaurant Mühle von der eigenen Metzgerei einige Meter gegenüber.
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Die Bäckerei in der Restaurantküche verwendet einen Holzofen und eigenes
Holz zum Backen von Zopf und Ruchbrot. Die Konditorei stellt eigene Füllungen her sowie Kuchen und eine grosse Vielfalt von Konfitüren bis hin zu Rosenblütengelee. Eine
Spezialität ist der Choco-Klostercake mit dunkler Grand Cru Maracaibo-Schokolade, Haselnüssen und Mandeln, umhüllt von Mandelmasse und caramelisierten Kakaostückchen.
Bäckermeisterin Jacqueline Schwarz und ihr Holzbackofen
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Kleinste Schweizer Forellenzucht
Nebst Honigbienen züchtet man Regenbogenforellen in mehreren
kleinen Weihern im eigenen Quellwasser. Jungfische haben eigene Brutbecken.
Die Fischzucht wird nach ökologischen Grundsätzen betrieben: die Forellen
erhalten zertifiziertes Bio-Futter, d.h. Nebenprodukte der Speisefischverarbeitung, nicht von verpönten Futterfischfängen.
Die Forellen werden mit dem Netz gefangen und in der Rauchkammer (BIld unten) warm geräuchert
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Die Anzahl Forellen wird tief gehalten, damit man auf Medikamente verzichten kann. Man fängt sie mit dem Netz, betäubt sie elektrisch und schlachtet sie mit ca. anderthalb Jahren.
Die Forellen werden entweder in der eigenen Räucherei warm geräuchert und im Klosterladen verkauft oder kommen aus dem Wasser
direkt in die Restaurantküche.
Mit rund 66 ha Kulturland, 32 ha Wald und einer Alp im Toggenburg für die
Sömmerung der Rinder gehört der Gutsbetrieb zu den grössten im Kanton
Thurgau. Dies sind Voraussetzungen für die Selbstversorgung gemäss der
klösterlichen Tradition.
Der vielfältige Kulturenplan beinhaltet 25 ha
offenes Ackerland, 29 ha Wiesen und Weiden, 8 ha Weinreben, 2 ha Obst und 2
ha Hopfen. Die Kulturen werden streng nachhaltig und umweltschonend
bewirtschaftet.
Die Tierhaltung umfasst 60 Braunviehkühe, 180 Schweine, etwa 15 Engadiner Schafe und 40 Legehennen. Die Stallungen gelten als besonders
tierfreundlich. (GB)
Die Schweine werden u.a. mit Molke gefüttert, ein Nebenprodukt der hofeigenen Käserei
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Kartause Ittingen:
Lebensmittelproduktion im Überblick
Milch: gesamtes Molkereisortiment von Joghurt bis Käse
Rinder, Schweine, Schafe, Hühner: eigene Schlachtung und Verarbeitung
Legehennen für die Eierproduktion
Früchte für Konditoreiprodukte, Konfitüre, Saft, Sirup und Edelbrände
Forellen für «Forelle blau» und Rauchforelle
Raps, Sonnenblumen für kaltgepresste Öle
Kräuter für Tee
Reben für Weine und Schaumweine
Eigene Bäckerei: eigenes Mehl und Mehl von der Region
Eigener Hopfen wird zu Ittinger Amber gebraut bei Heineken in Chur
(gb)