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Report  02.10.2010
Trendige schwäbische Maultaschen auf den Teller
Maultaschen, die deutsche Antwort auf die italienischen Ravioli, erobern die Küchen Europas. Gastronomen, Metzgereien und Hobbyköche können diese grossformatigen Teigwaren fertig kaufen und kochen oder selbst herstellen.


Maultaschen füllen und wickeln in der schwäbischen Metzgerei Failenschmid


Maultaschen sind schwäbische grossformatige gefüllte Teigtaschen, deren Füllung in den Teig gewickelt wird. Dies im Gegensatz zu Ravioli, wo ein Ober- und ein Untersheet mit der Füllung dazwischen verpresst und gestanzt wird. Das Wickeln vereinfacht die handwerkliche Herstellung, und die Grossformatigkeit erlaubt eine speditive Produktion.

Der Maultaschenteig besteht aus Hartweizengriess und/oder Mehl, Vollei, Wasser und Salz. Die Füllung enthält Schweinefleisch, Rindfleisch, häufig Rauchspeck, Spinat, Petersilie, Zwiebeln, Eier, Gewürze, Brot und Lauch. Je nach Region, Tradition und Familie gibt es spezielle Rezepte, die gekochten Schinken, geräucherte Schinkenwurst, Hackfleisch oder Bratenreste vorsehen.

Die möglichst feine Füllmasse legt man auf den ausgerollten Nudelteig aus, zum Verschliessen drückt man die Ränder einfach zusammen. Oft wird der Teig mehrfach gerollt und in etwa vier Zentimeter dicke Scheiben geschnitten. Nudelteig und Füllung wechseln sich dann in dünnen Schichten ab. Die Teigtaschen werden gegart, entweder in kochendem Wasser oder Fleischbrühe, in der sie als Suppeneinlage auch serviert werden können.



Maultaschen Kochen bei Failenschmid


Weitere Zubereitungsarten sind gratiniert sowie „geschmälzt“ (die gegarten Maultaschen werden mit in brauner Butter angebratenen Zwiebeln übergossen) oder „geröstet“ (man bratet die erkalteten Maultaschen in Streifen geschnitten in der Pfanne mit Zwiebeln und/oder verquirlten Eiern). Dazu gibt es oft Kartoffelsalat

Maultaschen werden heute im Schwabenland von nahezu allen Metzgereien und bürgerlichen Restaurants angeboten. Zwei Beispiele: Metzgermeister Ludwig Failenschmid, Bio-Metzgerei Failenschmid in D-Gächingen, variiert die Füllungen seiner Maultaschen von Lamm über Spinat bis zu Wildschwein. Die klassische Variante mit Fleisch sei aber der Renner. Die Rentabilität bezeichnet Ludwig Failenschmid als «in Ordnung», doch da die Herstellung beim Metzger Handarbeit ist, sind die Produktionskosten relativ hoch. Zum Einen sind die Zutaten regionaler Herkunft selten günstig zu haben, und zum Andern dauert die Herstellung von Hand länger als mit Maschinen.

Den Teig bezieht Failenschmid frisch vom örtlichen Bäcker. Den Vorteil der handgemachten Metzger-Maultasche sieht er darin, dass nicht nur er sondern „auch unsere Kunden wissen, was drin ist.“ Durch die hauseigene Wicklung sehen Failenschmid-Maultaschen anders aus als maschinell gefertigte, und durch den hohen Fleischanteil sind sie sehr exklusiv. Damit stellen sie ein Profilierungsinstrument für seinen Betrieb dar.

Nachteil der handwerklich hergestellten Maultasche ist die kürzere Haltbarkeit verglichen mit maschinell hergestellten und ab Band verpackten. Failenschmid-Kunden erhalten die Maultaschen kesselfrisch im Laden. Ein Grossteil wird für Gastronomen, Wiederverkäufer und Grossabnehmer vakuumverpackt. Auch per Postversand treten die schwäbischen Spezialitäten ihren Weg an.

Ebenso die Kronenmetzgerei StirnerSinn in D-Gerlingen bestätigt, dass die handwerklich hergestellten Maultaschen teurer sind als die industriellen. Ulrich StirnerSinn ist DLG-Prüfer und räumt allerdings ein, dass Maultaschen von Grossherstellern nicht nur den Qualitätsprüfungen standhalten sondern auch gut schmecken und aussehen. Der Metzgereikunde aber setze voraus, dass Maultaschen, die er im Fachgeschäft kauft, selbst hergestellt sind.

„Wir verwenden mehr Hackfleisch und Brät, frischen Spinat und frische Zwiebel“, erklärt Metzgermeister StirnerSinn, „und natürlich prägt die Handarbeit die Individualität unserer Produkte.“ Den Teig bezieht die Metzgerei von der Metzgereinkaufsgenosschenschaft MEGA.



Gekochte, geschnittene und gebratene Maultaschen der schwäbischen Metzgerei Mülhaupt



Mit geschützter Herkunftsbezeichnung

Die „Schwäbische Maultasche und Suppenmaultasche“ ist seit 2009 von der EU in ihrer Herkunftsbezeichnung geschützt und fällt in die Klasse geschützte geografische Angabe (g.g.A.). Sie müssen seither in Baden-Württemberg oder im Regierungsbezirk Schwaben des Freistaates Bayern hergestellt sein. „Maultaschen sind ein unverwechselbares Markenzeichen der schwäbischen Esskultur und gehören zu den bekanntesten und beliebtesten regionalen Speisen in Deutschland“, sagt Martin Bihlmaier, Geschäftsführer des Teigwarenherstellers Bürger und Sprecher der Schutzgemeinschaft „Schwäbische Maultasche“.

Der Herrgott sah nicht alles

Zur Entstehung der Maultaschen gibt es verschiedene Legenden. Eine besagt, die Zisterziensermönche des Klosters Maulbronn wollten in der Fastenzeit das Fleisch vor ihrem Herrgott verstecken, was im Volksmund zum Beinamen „Herrgottsbscheisserle“ führte. Eine andere sagt, bei den Maultaschen handle es sich um eine schwäbische Kopie bekannter italienischer Teigwaren wie Ravioli und Tortellini, mitgebracht von den zahlreichen protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Norditalien. Aber auch in China findet man gefüllte Teigtaschen, ebenso in der Mongolei. Teigtaschen waren früher ein Gericht der armen Leute, da Fleisch-, Brot- und Gemüsereste in der Füllung verarbeitet werden konnten. (Text: Petra Götz) (gb)
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