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Fermentieren wiederentdeckt
Seit mehr über den gesundheitlichen Nutzen fermentierter Lebensmittel bekannt geworden ist, finden immer Menschen zu dieser uralten Tradition zurück.



Fermentieren ist eine alte Methode, Lebensmittel zu konservieren oder geschmacklich zu verbessern. Letzteres geschieht bei der Brotherstellung mit Hefe und/oder Sauerteig.


Die Entdeckung der Fermentation liegt in der Menschheitsgeschichte weit zurück. Als die Menschen vor etwa 12000 Jahren allmählich sesshaft wurden, nahm das Haltbarmachen von Lebensmitteln an Bedeutung rasch zu. Nur so kam man trotz kargem Nahrungsangebot auch während dem Winterhalbjahr gut über die Runden.

Den Prozess der Fermentation, also die Transformation von Lebensmitteln durch Mikroorganismen, hat man vermutlich durch Zufall entdeckt. Da fiel vielleicht ein Bienennest vom Baum und kurz darauf fing es an zu regnen. Durch spontan vorhandene Hefen kam es zu einer Fermentation des feuchten Honigs, zu einer Alkoholgärung. Die Menschen damals haben das Ergebnis möglicherweise eines Tages aus Neugier probiert und für gut befunden. Die erste gezielt angewandte Fermentation war somit wahrscheinlich für Met (Honigwein).

Mit der Kultivierung von Getreide wurde die Fermentation dann auch für die Herstellung von Bier und Brot eingesetzt. Später wurden Gemüse, Milch und andere Lebensmittel aus kulinarischen wie auch aus Gründen der Haltbarmachung fermentiert. Die gesundheitlichen Vorteile dieser neuen Konservierungsmethode entdeckte man erst viel später.

Steril-Konserven verdrängen Fermentation

Fast vergessen gegangen ist die häusliche Fermentation durch den Einfluss anderer Methoden der Haltbarmachung von Lebensmitteln. Anfang 19. Jahrhundert hat Napoleon ein Preisgeld ausgeschrieben für denjenigen, der ihm für die Versorgung der Truppen auf seinen geplanten Feldzügen haltbare Lebensmittel produzieren kann. Nicolas Appert gewann 1810 diesen Preis. Er erhitzte Lebensmittel über 100 Grad und verschloss sie in luftdichten Glasflaschen.

Noch im selben Jahr kam der britische Kaufmann Peter Durand auf die Idee, die Einkoch-Methode von Appert mit Blechkanistern umzusetzen. Er gilt damit als Erfinder der Konservendose. 1813 wurde in England die erste Konservenfabrik eröffnet und die industrialisierte Haltbarmachung von Nahrungsmitteln nahm ihren Lauf.

Diese Art der Haltbarmachung hat die Fermentation von Lebensmitteln allmählich, aber für viele Jahrzehnte, in den Hintergrund gedrängt. Vor allem in den Städten ging diese uralte Tradition fast ganz vergessen. Auf dem Land wurden gewisse Techniken wie die Produktion von Sauerkraut jedoch stetig weiterhin gepflegt

Arten von Fermentation

Bei der eben erwähnten Herstellung von Sauerkraut handelt es sich um eine Fermentation durch Milchsäurebakterien. Es gibt jedoch viele unterschiedliche Arten dieser biochemischen Transformation. Bei vielen Lebensmitteln unseres täglichen Konsums ist uns übrigens gar nicht bewusst, dass es sich um fermentierte Lebensmittel handelt. So sind Brot, Joghurt, Tee, Kakao, Käse, Salami und Kaffee häufig fermentiert. Dabei geht es vor allem um den kulinarischen Aspekt.

Dies ist eine Möglichkeit Fermentation in verschiedene Arten einzuteilen, nämlich nach dem Ausgangsstoff, dem Rohstoff. So gibt es eine Fermentation von Gemüse, Früchte, Getreide, Hülsenfrüchte, Honig, Milch, Fleisch, Fisch, Tee oder Kaffee. Zwei weitere Klassifizierungen sind jedoch vermutlich hilfreicher und sinnvoller. So lassen sich die Fermentationsarten nach Mikroorganismen einteilen, also nach den kleinen "Helfern", die für den Prozess verantwortlich sind.



Mit Starterkulturen setzt man bei der Käseherstellung die Fermentation in Gang und sorgt dafür, dass die erwünschten Mikroorganismen dominieren. Sie stiften das richtige Aroma und hemmen unerwünschte.


Eine Klassifizierung der Fermentationsarten nach Mikroorganismen kann sehr simpel oder auch sehr kompliziert sein. Simpel ist es, weil beim Fermentieren im Prinzip nur zwei grundsätzlich verschiedene biologische Lebensformen involviert sind, nämlich Bakterien und Pilze, wobei Pilze weiter in Hefen und Schimmelpilze eingeteilt werden können. Komplizierter wird es aber, bei einer genaueren Klassifizierung. Vereinfacht könnte man jedoch folgende Einteilung machen:

Bakterien:
•Milchsäurebakterien, z.B. Joghurt, Sauerkraut, Gravad Lachs
•Essigsäurebakterien, z.B. Apfelessig, Weinessig
•Propionsäurebakterien, z.B. Hartkäse (z.B. Emmentaler)
•Bacillus-Bakterien, z.B. Natto, Schokolade

Pilze:
•Hefen, z.B. Brot, Bier, Wein
•Schimmelpilze, z.B. geschimmelte Rohwurst, Camembertkäse

Eine gute Übersicht ermöglicht jedoch auch die Einteilung nach Art der Methode. So gibt es die wilde Fermentation (Spontangärung) durch die auf dem Lebensmittel vorhandenen Mikroben, wie bei Sauerkraut. Eine andere Methode ist die Fermentation mittels einer reinen/isolierten Starterkultur. Beispielsweise wird Camembert mit Schimmelsporen geimpft oder Backhefe wird zur Herstellung von Brot eingesetzt.

Eine weitere Methode, die ursprünglich praktiziert wurde, ist einen Teil eines bereits fermentieren Produkts zu nehmen (z.B. Joghurt, Sauerteig), um damit eine neue Fermentation anzusetzen. Für bestimmte Fermente haben sich im Laufe der Zeit sogar physische Starterkulturen entwickelt, wie der Kombucha-Pilz oder Kefirknollen.

"Fermentation ist mehr als ein Trend"

Ernährungscoach Rafael Järmann im Interview des landw. Informationsdiestes LID über das Wiederentdeckung der Fermentation und deren Nutzen für die Gesundheit: Nicht jede Art des Fermentierens bietet automatisch gesundheitliche Vorteile, jedoch gibt es diese durchaus bei vielen Lebensmitteln. Vereinfacht lassen sich die gesundheitlichen Vorteile in fünf Kategorien fassen.

Erstens wird durch das Fermentieren ein Lebensmittel vorverdaut. Das heisst, komplexe Nährstoffe (z.B. Proteine, Kohlenhydrate) werden in ihre einfacheren Bausteine zerlegt und können so vom Körper leichter verdaut werden. So ist beispielsweise Sauerkraut leichter verdaulich als roher Kohl, Tempeh leichter als gekochte Sojabohnen, Joghurt leichter als Milch.

Zweitens werden durch den Fermentationsprozess Antinährstoffe (z.B. Phytinsäure, Oxalsäure) abgebaut, welche die Aufnahme von Mineralstoffen hindern. Sogar Giftstoffe (z.B. Blausäure) können durch die Fermentation abgebaut werden und so ein Nahrungsmittel wie z.B. Maniok essbar machen.

Drittens werden durch die Mikroorganismen während der Fermentation neue Stoffe gebildet. Einerseits sind das Nährstoffe wie diverse B-Vitamine und Vitamin K2. Anderseits produzieren die Mikroben viele neue Stoffe, die erst noch erforscht werden müssen und die möglicherweise gesundheitlichen Nutzen haben können.

Viertens enthalten fermentiere Lebensmittel Präbiotika und Probiotika. Probiotika sind die lebenden Mikroben selber, die unseren Darm und allgemeine Gesundheit unterstützen. Präbiotika sind Ballaststoffe, die den Bakterien als Nahrung dienen. Gesundheitsfördernde Probiotika finden sich aber nur in fermentierten Lebensmitteln, die nicht erhitzt wurden. Also vor allem in Speisen wie Sauerkraut, Kimchi oder Kefir, die wir zu Hause selber zubereiten. Denn im Laden sind diese Produkte meistens pasteurisiert.

Fünftens bieten korrekt fermentierte Lebensmittel eine sehr hohe Nahrungsmittelsicherheit, da sie korrekt gelagert von mikrobieller Verunreinigung und Verderb geschützt sind. Ein Grund, warum die WHO die Fermentation in Ländern fördern möchte, wo eine schlechte Lebensmittelhygiene und/oder auch Nahrungsknappheit vorherrschen.

LID: Warum ist man wieder auf die alte Methode des Fermentierens zurückgekommen?

Das hat diverse Gründe. Anteil daran hat sicher ein allgemeines Umdenken in unserer Gesellschaft. Das viele Jahrzehnte vorherrschende «antibiotische» Denkmuster, in dem es darum ging, Mikroben möglichst zu bekämpfen und alles steril und keimfrei zu halten, wird zunehmend um einen «probiotischen» Denkansatz ergänzt. Das heisst, Mikroben sind abgesehen von wenigen Ausnahmen keineswegs schlecht für uns, sondern sehr nützlich und gesundheitlich sogar lebenswichtig. Wir fokussieren also vermehrt darauf, wie wir probiotische Bakterien erhalten und fördern können.

Da wie erwähnt gewisse fermentierte Lebensmittel reich an Probiotika sind, kam man wieder auf diese alte Konservierungsart zurück. Vielen Menschen, welche diese Tradition heute wiederaufleben lassen, geht es aber auch um Selbstbestimmung bei der Ernährung, mehr Unabhängigkeit von der Nahrungsmittelindustrie sowie um kulinarische Gründe.

LID: Ist die Wiederentdeckung der Fermentation nicht bloss ein Trend?

Ich glaube, dass die Fermentation viel mehr als nur ein Trend ist. Das zeigt auch die Entwicklung, dass es zurzeit rege Forschung zum Thema gibt. In gewissen Ländern sind sogar bereits Bemühungen im Gang, um fermentierte Lebensmittel in die offiziellen Ernährungsempfehlungen miteinfliessen zu lassen.

Ernährungscoach Rafael Järmann bietet Fermentations-Kurse an. Er sagt, Sauerkraut eigne sich bestens als Einsteiger-Rezept.



Sauerkraut ist vergorener Kabis



Rezept: Sauerkraut selber herstellen

Zutaten: 1 bis 2 Köpfe Weisskohl, 2 Teelöffel Speisesalz. Wer möchte fügt Kümmel, Wacholderbeeren oder Lorbeerblätter hinzu. Oder auch Karotten, Apfelscheiben oder Gewürze und Kräuter, die dem Sauerkraut eine schärfere Würze verleihen.

Ausrüstung: Einmachglas mit Deckel, grosses Messer, etwas zum Stampfen, z.B. einen Kartoffelstampfer.

Zubereitung: Die äusseren Blätter des Kohls sowie der Strunk entfernen und einige Blätter zur Seite legen. Dann mit dem Messer in feine Streifen geschnitten oder auch hobeln. Dann Schicht für Schicht einsalzen, resp. andere Gewürze oder Zutaten beigeben. Und stampfen. Und zwar so lange bis die austretende Flüssigkeit den Kohl bedeckt. Dies macht man für jede Schicht. Die letzte Schicht am besten mit den ganzen Kohlblättern, die man aufbewahrt hat, bedecken und mit dem Deckel verschliessen. Zum Lagern kommt der Behälter an einen kühlen und dunklen Ort. Mindestens eine Woche oder bis zu mehreren Monaten lagern. (LID)

(gb)

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