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24.03.2024
Planted lanciert veganes Whole-Muscle-Steak

Planted stellt die neueste kulinarische Innovation vor: das planted.steak, ein neuartiges fermentiertes Vegan-Steak auf pflanzlicher Basis mit sensorischen Eigenschaften wie ein Fleischsteak.
Report
Druckansicht20.06.2015
Nose to Tail: Megatrend der Fleischbranche
Die möglichst vollständige Nutzung eines Tieres für die menschliche Ernährung erlebt derzeit ein Comeback und ist nicht nur ein Vorteil für die Nachhaltigkeit sondern auch ökonomisch interessant. Wie sieht die Verwertung «vom Schnörrli bis zum Schwänzli»


Kalbskopf mit Vinaigrette: ein selten gewordener Klassiker


In wohlhabenden Ländern kommen heute vor allem Edelfleischstücke auf den Teller. Filets und Steaks lassen sich schnell und einfach zubereiten. Ausserdem wird der Konsument beim Anblick eines Medaillons nicht ans Tier erinnert. Schon Knochen, Haut und Schwarte sind oft unerwünscht, vor allem kleine Knochen wie bei Poulet und Kaninchen. Pouletbrüste sind mit Abstand am meisten gefragt, Pouletschenkel und -flügeli hingegen weniger, daher offerieren moderne Metzgereien immer mehr ausgebeinte Schenkelsteaks oder solche ohne Haut.

Dieses Phänomen stellt sich in der ganzen Fleischverarbeitung. Eine Sau hat auch Füsse, Innereien, Fett und Blut, einen Schwanz und einen Kopf mit Ohren, Schnörrli und Zunge. Das alles ist essbar, wird aber hierzulande meistens links liegengelassen. Ungeniessbar sind nur Borsten, Klauen und der Mageninhalt. Chinesen und die Bevölkerungen in Entwicklungsländern dagegen mögen Schweinefüsse, Öhrli und Schwänzli. In Schwarzafrika findet man knochenloses Fleisch oft langweilig.


Schweinshaxe, hierzulande auch Wädli oder Gnagi genannt. Die Haxe ist stark durchwachsen und von einer dicken Fettschicht umgeben. Das Fleisch ist sehr zart und aromatisch, muss aber lange gegart werden. Es sollte sich bei allen Garmethoden leicht vom Knochen lösen lassen. Die Zubereitungsweise ist regional unterschiedlich: Während die Haxe in Norddeutschland meist gepökelt und gekocht wird, grilliert man sie in Süddeutschland und Österreich in der Regel ungepökelt im Ofen. Die Schwarte bildet dabei eine mürbe Kruste.


Der Markt für essbare Tiernebenprodukte war in der Schweiz vor fünfzig Jahren noch gross, ist aber heute nur noch eine Nische, auch wenn die traditionelle „Metzgete“ «eingefleischte» Liebhaber besitzt. Innereien haben ein Akzeptanz- und Imageproblem, nicht zuletzt wegen dem Cholesterin-Hype. Ausserdem sind die mageren Pouletbrüste ohne Haut preiswert, beliebt und einfach zuzubereiten.

Nebenprodukte, die sich nicht verwursten, exportieren oder anderweitig verkaufen lassen - zum Beispiel an Pharmafirmen, landen bei Centravo in Lyss. Die Firma im Dienste der Metzgerschaft sammelt pro Jahr 180’000 Tonnen Schlachtnebenprodukte ein. Zum Vergleich: Dieser Menge stehen rund 340’000 Tonnen an verkaufsfertigem Fleisch gegenüber.

Potenzial für Gastronomen

Auch viele Gastroköche denken primär an Edelstücke, weil sie davon ausgehen, dass ihre Gäste genau diese wollen. Und weil deren Zubereitung einfacher ist und der Verkaufserfolg garantiert. Aber es gibt auch andere, welche einen hohen Verwertungsgrad des Tieres zum Konzept machen. Und Fleischproduzenten, die selber schlachten, verkaufen meistens Mischpakete, damit sie nicht auf den Schmorstücken sitzen bleiben.


Kutteln Zürcher Art: an Weisswein-Rahm-Sauce. Farblich nicht das Gelbe vom Ei (weisse Kutteln in weisser Sauce) aber sehr schmackhaft.


In der Schweiz entdecken immer mehr Gourmetrestaurants das «Nose to Tail»-Konzept. Die Gastronomie ist in der Tat dazu prädestiniert: sie erzielt mehr Wertschöpfung bei währschaften Komponenten, und Profiköche besitzen mehr Knowhow für deren Zubereitung als Hobbyköche, die den Aufwand zum langen Schmoren oft scheuen. Kutteln als Beispiel müssen stundenlang gekocht werden.

Sogar Spitzenköche profilieren sich heute manchmal mit Schnörrli und Schwänzli, allerdings zum Teil eher mit dekorativen Anwendungen und weniger mit magenfüllenden. Samuel Zaugg, Gastrofachmann bei Proviande ist sich sicher: «Mit der Technik des Niedergarens, ob konventionell oder Sous-Vide, ist die Zubereitung währschafter Stücke nicht aufwändig, und der Koch kann sich mit solchen Spezialitäten profilieren».

Auf Herz und Nieren

Ein Spitzenkoch, der «Nose to Tail» nicht nur alibimässig sondern gezielt praktiziert, ist Stefan Wieser vom Rössli in Escholzmatt LU. Der avantgardistische Naturkoch ist seit Jahren bekannt als Küchenchef, der eine Heusuppe kreierte und selbst wurstet. Er offeriert nun Gerichte mit Innereien und gibt Kurse dazu. Herz und Lunge kocht er eineinhalb Stunden gemäss einem Bericht des «Züritipp». Danach presst er die Lunge, «damit sie fest in der Konsistenz wird – ungepresst wäre sie eher schwammig», so Wieser. Eher gräulich sehen die Innereien nach den ersten Zubereitungsschritten aus und schmecken noch fad. Herz und Lunge schneidet Wieser in nudelförmige Stücke.


Rindsherz, -niere und Kalbshirn in einer italienischen Delikatessenmetzgerei


Er macht eine Sauce aus dem Sud, Rahm und Butter. Kurz vor dem Servieren wärmt er das Fleisch darin auf und gibt gebratene Pilze und Schnittlauch dazu. Warum solche aromatischen Zutaten? Im Gegensatz zu Magerfleisch, das reifen darf und durch den Proteinabbau Aroma entwickelt, sind Innereien leicht verderblich und müssen frisch zubereitet werden. Sie bleiben daher dezent, auch die Nierli. Nur die Leber besitzt Eigengeschmack.

Wiesner schneidet Kalbshirn in drei Zentimeter dicke Scheiben, paniert sie und bratet sie mit Öl und Butter. Ein Estragonschaum auf der Basis des Suds mit viel Butter ergänzt das Stück, das wie ein kleines dickes Wiener Schnitzel aussieht und ausgezeichnet schmeckt – aber eben: die Röstaromen der Panade und das Bratfett bestimmen den Geschmack. Die «grauen Zellen» selbst sind neutral wie reine Gelatine.

Die Konsistenz von Hirn ist leicht gallertartig und gewöhnungsbedürftig. Es erinnert an Milken, ist aber weicher und zergeht fast auf der Zunge. Wieser bezeichnet paniertes Kalbshirn als sein Lieblingsgericht. Allerdings stellt der Spitzenkoch fest: «Innereien sprechen fast nur Männer an. Bei Frauen hört es auf bei Leber, Kutteln und Milken».


Paniertes Kalbshirn ist in Bayern eine traditionelle Spezialität


Einer der weltweit prominenten Köche, die «Nose to tail» zelebrieren, ist der Engländer Fergus Henderson, ein Pionier der nachhaltigen Küche und Buchautor. Er kocht so, weil es schmeckt, nicht weil die Küche aufsehenerregend oder spektakulär sein soll. Seine knusprigen Schweineschwänze sollen köstlich sein. Weil aber der kulinarische Ansatz wohltuend anachronistisch, die Küche interessant und wohlschmeckend, und sein Restaurant «St. John» ein schönes Lokal ist, verbreitete sich die Botschaft schnell.

Im 1999 veröffentlichte Fergus Henderson das Kochbuch «Nose to Tail Eating» und beschrieb darin die Grundlagen seiner Küche. Es erlangte Kultstatus und gewann Preise. Im Herbst 2014 kam es in deutscher Übersetzung heraus im Echtzeit-Verlag.

Tiere liefern nicht nur Fleisch

Egal ob Kotelett oder Kutteln: zuerst muss ein Tier geschlachtet und zerlegt werden. Es liefert dabei grob gesehen einen Schlachtkörper und sogenannte Schlachtabgänge. Diese variieren in Art und Menge je nach Tierart. Notabene: Der Begriff Schlachtabgang bedeutet keineswegs ungeniessbaren Abfall, es handelt sich um alles, was nicht zum Schlachtköper gehört, also um Nebenprodukte, die zum grössten Teil einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.

Beim Rind beträgt der Schlachtabgang 48%, (vor allem Magen und Darm mit Inhalt) beim Schwein nur 21%. Beim Rind wird also 52% des Lebendgewichtes in den Metzgereien verwendet. Auch beim Geflügel sind es rund 50%, beim Schwein jedoch fast 80%. Dieses ideale Schlachttier besitzt allerdings mehr Fett als Rind und Huhn. Das Fell des Rindes (8% vom Lebendgewicht) ist zwar nicht essbar, wird aber als Leder genutzt.



Die Schwarte des Schweins (ca 6% des Lebendgewichtes) ist essbar und wird als Wurstzutat verwendet bei währschaften Wurstsorten. Hier ein Kotelettstück mit Schwarte, d.h. ein Bauernkotelett.


Bei beiden Tierarten zählen Leber, Nieren, Herz und Lunge zum Schlachtabgang. Beim Rind gelten Kopf und Füsse als Schlachtabgang, beim Schwein zählen sie zum Schlachtgewicht. Das Blut (3-4% des Lebendgewichts) zählt bei beiden zum Schlachtabgang, wird aber im Herbst und Winter teilweise für Blutwurst verwendet oder ganzjährig bei einigen Wurstwaren für die Farbgebung. Apropos Wurst: ihre Hülle besteht sehr oft aus Naturdarm vom Schwein, Schaf oder Rind. Nur ein kleiner Teil des Tieres ist Risikomaterial und muss nach der Verarbeitung zu Tierfett bzw. Tiermehl verbrannt werden. Seit der BSE-Krise sind dies Wirbelsäulen, Schädel, Hirn und Augen von älteren Rindern.


Grillierte Milke auf Rucola, ein Gericht von Grillweltmeister Grillueli Bernold


Einige Innereien werden je nach Nachfrage entweder kulinarisch verwendet oder aber zu Tierfutter verarbeitet: Kalbsleber und –milken sind teure Delikatessen, die meisten andern Nebenprodukte zählen zu den währschaften Komponenten wie z.B. Kutteln, Haxen, Nieren, Zunge, Ochenschwanz u.a. Und es gibt regionale Innereien-Spezialitäten wie Kalbshirn in der Westschweiz und gefüllte Schweinsfüsse im Tessin (Zampone), um zwei Schweizer Produkte zu nennen.

Im Ausland gibt es weitere. Berühmt ist der schottische Haggis: mit Innereien gefüllter Schafsmagen. Die Schotten ernähren sich stark von tierischen Produkten, da sich ihr raues Klima vor allem für die Tierhaltung eignet, ähnlich wie bei uns die Bergebiete. So ist auch mit Brot und Zwiebeln gefülltes Lammherz eine schottische Spezialität. Und in Entwicklungsländern, wo Kleintier-Hausschlachtungen durch Privatpersonen sogar in Städten vorkommen, sind grillierte Innereien eine sinnvolle und preiswerte Armeleutekost.


Rezept: Gebratene Pouletherzen. Pouletherzen unter fliessendem Wasser abwaschen und gut abtropfen lassen. Butterschmalz in einer Pfanne erhitzen, Herzen zugeben und anbraten. Dann erst würzen und Zwiebelringe beifügen. Hitze um 1/4 reduzieren und so lange braten, bis die Zwiebelringe weich sind. Immer wieder umrühren. Zum Schluss zerkleinerte Peterli unterrühren. (Quelle: www.kochbar.de)


Rezept:
Kalbskopf klassische Art

800 gr Kalbskopf, in Stücke geschnitten
2 EL Olivenöl (od. Rapsöl)
Salz, Pfeffer aus der Mühle
1 dl trockener Weisswein
1 ltr Bouillon

Kalbskopf im erwärmten Öl bei mittlerer Hitze anbraten, würzen. Mit dem Weisswein ablöschen einkochen lassen, und die Bouillon angiessen aufkochen lassen und während 90 Minuten bei kleiner Hitze weich schmoren. 1 dl Sud beiseite stellen, Rest abgiessen, evt. zur Weiterverwendung. Kalbskopf auf Teller anrichten, mit Gemüse-Vinaigrette nappieren. (Quelle: www.hochkapfchuchi.ch)

Rezept:
HAGGIS, schottischer gefüllter Schafsmagen

1 Schafsmagen
1 Satz Schafsinnereien aus Herz, Lungen, Luftröhre, Leber und Gedärmen
3 Zwiebeln, geschält und gehackt
Ein Löffel Butter
250g kernige Haferflocken, geröstet
200g Rindertalg
5 dl von dem Kochwasser der Innereien, oder 5 dl Hühnerbouillon
Meersalz und schwarzer Pfeffer Pimentpulver


Haggis: schottisches Nationalgericht, eine Innereien-Eintopf-Wurst mit Schafmagen als Hülle.


Die Innereien in einen grossen Topf legen und mit Salzwasser bedecken. Zum Kochen bringen, dann die Hitze reduzieren und 2 Stunden lang köcheln, dabei immer wieder abschäumen. Die Luftröhre über den Topfrand in ein Gefäss heraushängen lassen, das die eventuell austretende Lungenflüssigkeit auffängt. Alles im Kochwasser abkühlen lassen. Sind die Innereien ausgekühlt, herausnehmen und 5 dl von dem Wasser aufheben. Die Luftröhre abschneiden und wegwerfen. Den Rest der Innereien in Stücke schneiden und durch den gröberen Einsatzdes Fleischwolfs treiben.

In der Zwischenzeit die Zwiebeln in Butter weich dünsten und die Haferflocken rösten, falls sie noch ungeröstet sind. Dem Fleisch die Haferflocken, den Talg und dieZwiebeln zufügen.

Den Schafsmagen mit der groben Seite nach innen wenden und ein Stück ohne Löcher suchen. Die Masse dort hineinfüllen und dann den Magen an beiden Seiten fest zubinden. So abschneiden, dass die Enden grosszügig überstehen.

3 Stunden lang in leicht siedendem Wasser kochen. Zum Servieren den Haggis aus dem Wasser holen, aus der Alufolie schälen, aufschlitzen und den Inhalt mit dem Löffel auf Teller verteilen.
(Quelle: «Nose to Tail» Kochbuch von Fergus Henderson, auf Deutsch. Echtzeit Verlag, www.echtzeit.ch)
(gb)

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