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Report  04.03.2021
Jetzt selber Brot backen: wie und warum
Während der Corona-Pandemie entdecken viele Menschen die Liebe zum Brotbacken. Je nach Sorte braucht dies mehr oder weniger Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Zeit. Langzeitgärung und Sauerteig verbessern Bekömmlichkeit und Frischhaltung.

Brot ist auch Nahrung für die Seele, vor allem selbst gebackenes. Einige Bäckereien geben Hobbybäckern Kurse wie zB die Biobäckerei Lehmann: https://lehmann-holzofenbeck.ch/kurse/


Wenn sich das Leben aufgrund von Homeoffice und Homeschooling vor allem zu Hause abspielt, kann die eigene Zubereitung von Brot leichter in den Alltag integriert werden. Manche suchen im neuen Hobby Entspannung und einen Ausgleich zu fehlenden Freizeitaktivitäten. Wer ein Brot zu Hause zubereitet, kann zwischen unzähligen Varianten wählen – mit Dinkel, Weizen oder Roggen, mit oder ohne Körner, aus dem Topf oder vom Blech, mit Hefe- oder Sauerteig, süss oder herzhaft. Wichtig sind zwei Methoden: lange Teiggärung und Verwendung von Sauerteig.

Eine verbreitete Meinung besagt: „Brot kann zu Blähungen und Verdauungsproblemen führen“. Dies wurde jetzt durch aktuelle Untersuchungen der Universität Hohenheim relativiert. Demnach treten diese Probleme nur dann auf, wenn das Brot sehr schnell hergestellt wurde. Brot ist ansonsten wesentlich bekömmlicher als vielfach angenommen. Die Forscher sowie die an den Untersuchungen beteiligen Ernährungsmediziner und Bäcker- meister fanden heraus, dass schon Teigruhezeiten von zwei Stunden ausreichen, um den Anteil sogenannter FODMAPs im Teig um bis zu 75 Prozent zu reduzieren.

FODMAP ist die Abkürzung für „fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols“. Dies meint eine Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen, die in vielen Nahrungsmitteln vorkommen und im Dünndarm nur schlecht resorbiert werden. Bei Reizdarm-Patienten können sie Schmerzen verursachen. Daher verzichten Betroffene oft auf Weizenprodukte.

Brot gehört aber zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Auch die neuen Studienerkenntnisse untermauern, dass ein Verzicht auf Brot wegen FODMAPs wenig hilfreich ist, sofern der Teig eine ausreichende Reifezeit hatte. Das Deutsche Brotinstitut spricht sich eindeutig für eine traditionelle Brotherstellung mit langen Teigreifezeiten und damit natürlichen Fermentationsprozesse aus. Die Forscher aus Hohenheim bestätigen dies.

In anderen Studien wurde deren positiver Effekt auf Aroma, Saftigkeit und Verfügbarkeit von Mineralstoffen eindeutig belegt. Doch halten sie die pauschal vereinfachende Haltung zu den FODMAPs in Backwaren für einseitig und das Thema FODMAPs in Backwaren für teilweise überbewertet. In der Studie wurden Brote und andere Backprodukte mit 21 verschiedenen Weizensorten und unterschiedlichen Teigreife- zeiten verglichen. Dabei wurden im Durchschnitt FODMAP-Gehalte von 0,22 Gramm je 100 Gramm gemessen, was ca. drei Brotscheiben entspricht. Im Vergleich dazu enthält ein einzelner Pfirsich bis zu 4 Gramm FODMAPs.

„Es ist somit fraglich, ob eine FODMAP- Konzentration in Broten mit diesen niedrigen Werten medizinisch eine Auswirkung auf Patienten hat, und wenn doch, wie viele Patienten tatsächlich davon betroffen sind“, so Prof. Dr. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin, der an der Studie beteiligt war. (Quelle und weitere Infos: www.brotinstitut.de)

Spontangärung von Sauerteig erhöht Nährwert und Verdaulichkeit

Wird ein Brot mit Sauerteig zubereitet, ist es länger haltbar und besser verdaulich. Es enthält auch mehr Mineral- und Ballaststoffe als Backwaren, für die künstlich hergestellte Hefen oder Bierhefe verwendet werden. Das ist ein Fazit einer Übersichtsarbeit der Freien Universität Bozen, für die mehr als 1.200 Studien der vergangenen 30 Jahre ausgewertet wurden.

Für einen Sauerteig werden Mehl und Wasser gemischt und über spontan entstehende Milchsäurebakterien und Hefen in Gärung gehalten. Die traditionelle Zubereitungsart hat vermutlich ihren Ursprung in Ägypten. Heute ist sie in der ganzen Welt verbreitet und für süsse und salzige Backwaren geeignet. In Frankreich wird Sauerteig für Baguette und Brioche, in Deutschland vor allem für Roggenbrote verwendet. Jeder Teig ist einzigartig, da sich die Mikroorganismen und die verwendeten Zutaten unterscheiden. Nicht nur Getreidemehle, sondern auch Pseudogetreide und Hülsenfrüchte sind für die Sauerteiggärung geeignet.

Während industrielle Backwaren früher fast nur mit Bierhefe oder künstlichen Hefen produziert wurden, setzen die Unternehmen seit rund 20 Jahren wieder häufiger auf Spontangärung. Denn Sauerteigprodukte haben viele Vorteile gegenüber anderen Backwaren, wie die Übersichtsarbeit bestätigt hat. Sie sind haltbarer, da sie das Pilzwachstum ohne Zusatz von chemischen Konservierungsmitteln hemmen können. Die Spontangärung mit natürlichen Mikroorganismen verbessert Volumen und Konsistenz des Backwerks. Auch mit ihrem sauren Geschmack, intensivem Aroma und der ausgeprägten Krumen- und Krustenfarbe konnten Sauerteigprodukte überzeugen, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Trends in Food Science & Technology”.


In der Kastenform gebackenes Sauerteigbrot


Ein weiterer Punkt waren gesundheitliche Aspekte: Mineralstoffe wie Zink, Kalzium, Eisen und Magnesium aus dem Mehl sind in den Sauerteig-Backwaren besser verfügbar. Ausserdem führt die Spontangärung zur Anreicherung von Ballaststoffen, ohne Geschmack oder Textur zu beeinträchtigen. Studien haben gezeigt, dass sich die Verdaulichkeit der Backwaren erhöht – auch für Menschen mit einer Unverträglichkeit für das Getreideeiweiss Gluten. Unerwünschte Substanzen wie Raffinose, die körperliche Beschwerden auslösen können, werden abgebaut.

Die zusammengetragenen Erkenntnisse können den Einsatz von Sauerteig im normalen Küchenalltag, aber auch in Industrie und Handwerk fördern. Gleichzeitig geben sie Impulse für neue Forschungsprojekte: Eine verkürzte Gärungszeit und eine höhere Stabilität würden die Einsatzmöglichkeiten steigern, erklären die Wissenschaftler. Es wäre auch interessant zu wissen, wie sich der Verzehr von Sauerteigprodukten auf das Darmmikrobiom auswirkt. (BZfE)

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