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Report  06.01.2017
Fleisch und Seafood kombinieren?
Ist Surf’n’Turf - die Kombination von Fleisch mit Seafood - reine Effekthascherei oder macht sie Sinn? Und gibt es Regeln dazu?

Luma-Beef mit Crevette «aufgepeppt» im Restaurant Equinox des Renaissance Zürich Tower Hotels («pimp my steak»)


Surf `n` Turf oder «Surf and turf», die Kombination von Landtier- und Seafoodfleisch, ist an der Weltausstellung 1962 in Seattle lanciert worden. Zuerst war sie daher vor allem in nordamerikanischen Steakhäusern populär. Kombiniert wurden normalerweise Schwänze von Amerikanischen Hummern oder Crevetten mit einem Steak.


Gekochte Crevetten kombiniert mit gebratener Pouletbrust («Surf & Turf»).


Aber wie oft wurde etwas «erfunden», das es in ähnlicher Form schon gab: Diese Kombination ist eine uralte Tradition gemäss dem katalanisch-schweizerischen Starkoch David Martínez Salvany: «Gerade in der katalanischen Küche mit ihrer Lage zwischen Meer und Land hat die Verbindung von Fleisch und Fisch lange Tradition. Dort gibt es an Ostern zum Beispiel immer Stockfisch mit Blutwurst.»


Paella mit Kaninchen und Meeresfrüchten


Und Paella ist ein Paradebeispiel mit seiner Mischung von Poulet, Muscheln und Calamares. Ein bekannter Tapas in San Sebastian ist Tintenfisch gefüllt mit Blutwurst. Auch in Asien und anderen Weltregionen ist die Land-Meer-Tier-Mariage üblich: Chao Muk ist eine deftige vietnamesische Suppe mit Krabben, Tintenfisch und Blutwurst. In Russland gibt es Piroschki, kleine Teigtaschen gefüllt mit mit Fleisch, Fisch, Kohl und Wurst.


Surf+Turf-Burger mit gezupftem Rindfleisch im Focacciabrot vom Zürcher Gourmet Burger-Restaurant “The Butcher”


Aber die neue amerikanische Variante kombiniert vor allem edle Komponenten und ist daher umstritten. In Sterns «Enzyklopädie des schlechten Geschmacks» wird Surf and Turf als Inbegriff von kulinarischem Kitsch dargestellt: es gehe darum, Extravaganz zu markieren, indem die zwei teuersten Komponenten kombiniert werden: «Sie werden nicht wegen des Geschmacks sondern zur vulgären Selbstdarstellung bestellt». Surf`n`Turf-Rezepte in Kochbüchern und vor allem im Internet kombinieren in der Tat vor allem Edelkomponenten.

Auch Schweizer Spitzenköche zeigen sich skeptisch in einer Umfrage des Gastromagazins Gastrofacts: Beat Caduff von Caduff`s Wineloft in Zürich und Robert Speth (Bild) vom Chesery in Gstaad lehnen diese Kombination ab und auch Heiko Nieder vom Dolder Grand-Restaurant «verdreht die Augen». «Es muss nicht immer Kaviar sein», sagte schon der österreichische Schriftstellers Johannes Mario Simmel, der 1960 seinem Roman diesen Titel gab. Der Thuner Comestibler Fritz Gertsch lancierte in diesem Sinne Buntbarsch-Saltimbocca d.h. mit Rohschinken umwickelte Fischfilets.

Sensorisch nicht immer kompatibel

Wenn man einmal von der optischen Effekthascherei absieht, stellt sich die Frage, ob Fleisch und Seafood sensorisch kompatibel sind und wenn ja welche Arten. Man erinnere sich an die wichtigste Mariageregel: Kombiniere nie eine edle dezente Zutat mit einer weniger edlen intensiven – diese würde die Edelzutat unterdrücken. Sowohl bei Frischfleisch wie auch frischem Seafood befindet sich das Aroma im Fettanteil (im Gegensatz zu den fermentierten Produkten, wo es durch die Mikroorganismen gebildet wird). Mild schmeckt daher fettarmes Fleisch wie Poulet- oder Trutenbrust ohne Haut sowie Kalbfleisch.


Pouletbrust ohne Haut von jungen Hühnern ist fettarm und schmeckt sehr dezent. Sie lässt sich gut mit intensiveren Komponenten kombinieren


Generell schmeckt das Fleisch junger Tiere dezenter, weil es einen geringeren Fettgehalt aufweist. Umgekehrt sind fetter Speck oder die fettreiche Haut von Geflügel intensiv im Aroma. Analog dazu: Fettarme Fisch und Meeresfrüchte schmecken meistens dezent, fettreiche Fische wie Sardine, Sardelle, Hering, Lachs, Makrele, Thunfisch, Aal und Karpfen dagegen intensiv. Konzentriertes Fischaroma bietet notabene der berüchtigte Lebertran.


Saltimbocca mit Buntbarschfilet von Fritz Gertsch Comestibles


Einen Edelfisch mit dem währschaften Speck zu bardieren ist daher nur sinnvoll, wenn man dem Speck die Priorität geben will. Die Kombination von Rindsfilet mit Riesencrevetten ist zwar sensorisch akzeptabel, da beide Edelkomponenten etwa gleich stark sind in der Intensität. Aber diese Mariage-Regel fokussiert auf den Geschmack. Beim Surf `n` Turf steht derselbe jedoch nicht im Vordergrund sondern eher das Aussehen. Ein wenig Effekthascherei schwingt dabei oft mit, wenn man den Kommentar der «Enzyklopädie des schlechten Geschmacks» gutheisst. (GB)
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