delikatessenschweiz.ch
Report  05.07.2014
Food Pairings: wie und warum
Lebensmittel gezielt kombinieren nennt man Mariage oder heute öfters Food Pairing. Gelungene und nachhaltige sind selten Zufälle. Viele haben Tradition wie Bratwurst mit Bürli. Dies hat meistens erklärbare Gründe.


Klassische Kombinationen sind Käse, Wein und Brot, Spargeln mit Sauce Hollandaise und Tomaten mit Mozzarella.

Die moderne Mariage von Fleisch mit Seafood heisst «Surf+Turf».

Aber Achtung: ein dezentes Fischfilet mit einem intensiven Rauchspeck umwickelt kommt kaum noch zur Geltung.


Was zu was passt, ist vor allem eine Frage der individuellen Vorliebe. Aber es gibt klassische Kombinationen, früher Mariage genannt und heute oft «Food Pairing», die sachliche Ursachen besitzen. Diese können sensorisch, regional, saisonal, ernährungsphysiologisch, technologisch oder marketing-motiviert sein.

«Sensorische verfolgen das Ziel der Harmonie, welche entweder durch Kombinieren ähnlicher Komponenten erreichbar ist oder durch Kombinieren gegensätzlicher, die sich somit zu einer Harmonie ergänzen», erklärte kürzlich der Sensoriker Patrick Zbinden in einem Referat am Backforum der Vereinigung der Backbranche VDB Schweiz. «Eine Harmonie entsteht auch, wenn gleiche Aromastoffe in beiden Komponenten enthalten sind. Genussexperten reden von Harmonie, wenn die Aromen beider möglichst lange parallel im Gaumen wahrgenommen werden, d.h. kein Aroma einer Zutat sollte am Ende überwiegen».


Extravagante Mariage bei Mövenpick: Rohschinken mit Glacé


Sensorische Mariages sind wie gesagt Geschmackssache: jeder darf kombinieren was ihm gefällt. Es gibt nur eine sinnvolle Regel: «du sollst nicht eine edle dezente Zutat mit einer weniger edlen intensiven kombinieren». Diese würde die edle zu stark konkurrenzieren oder gar überdecken. Aus diesem Grund ist (intensiver) Senf zur (dezenten) Kalbsbratwurst in der Ostschweiz verpönt. Diese Tradition stammt aber aus der Zeit, als es noch keine Edel-Senfsorten gab.

Bei zwei edlen Zutaten darf die eine intensiver sein, wobei Ostschweizer dann mit einer gewissen Berechtigung einwenden könnten, dass man zu Edelsenf ja auch eine Weisswurst essen könnte. Das Aroma der Kalbsbratwurst solle nicht konkurrenziert werden. Das ist auch eine Frage des Masses: isst man Wurst mit Senf oder Senf mit Wurst?

Beliebte Kombination bei den Barbaren

Dasselbe Dilemma entsteht beim Kombinieren von edlem Rauchlachs mit Meerrettichmousse oder noch edlerem Kaviar mit noch stärkeren Zwiebelringen. Bei Gourmets gilt dies als barbarisch. Je edler eine Komponente, desto eher hat sie einen Soloauftritt im Gaumen verdient. Das gilt also auch für einen Spitzen-Butterzopf: Liebhaber eines dicken Butter-Honig-Belags können auch einen normalen Zopf als Unterlage verwenden.

Die Dreier-Mariage Zopf-Butter-Honig ist ein Beispiel für eine Kombination von dezenten Komponenten. Gegensätzlich sind dagegen Kaffee, Milch und Zucker: der intensive bittere Kaffee wird durch die dezente milde Milch oder den rein süssen Zucker abgestumpft. Aber auch hier: je edler der Kaffee, desto verpönter ist irgend eine weitere Zutat. Dasselbe gilt für Kakao und Milchpulver in der Milchschokolade. Gegensätzlich sind auch die milde Papaya und die saure, intensive Limette: in Kombination entsteht ein ausgewogener Fruchtsalat.


Ein Muss in Bayern: Bierbrezel mit Weisswurst, süssem Senf und Bier


Die Mariage von Wurst und Senf ist aber auch ein Beispiel einer ernährungsphysiologischen Mariage: das Senföl stimuliert die Produktion von Speichel, Magensäure und Galle und fördert somit die Verdauung von schweren (fett- und proteinreichen) Lebensmitteln. Dasselbe gilt für viele Gewürze und Kräuter. So regt ebenfalls Majoran die Verdauung an und wird sogar oft Wurstkraut genannt.

Proteine aufwerten

Bei den ernährungsphysiologischen Paarungen ist vor allem die Kombinationen von zwei proteinhaltigen Komponenten zu nennen, die sich gegenseitig aufwerten. So besitzen sowohl Bohnen wie auch Mais Defizite bei gewissen Aminosäuren, den Proteinbausteinen. Aber nicht bei denselben, so dass sie sich gemeinsam zur Vollwertigkeit ergänzen. Dasselbe geschieht beim Kombinieren von Rindfleisch mit Kartoffeln oder Weizen mit Milch. In Mexiko ist daher die traditionelle Kombination der dortigen Grundnahrungsmittel Mais und Bohnen gesundheitlich bedingt und war bei den Ureinwohnern lebenswichtig.

Maisprotein enthält kein Lysin und Tryptophan. Beides sind essentielleAminosäuren. Eine alleinige Maisernährung würde daher zu einem Mangel führen, den aber die Bohnen ausgleichen können. Ein überwiegender Maisverzehr birgt auch die Gefahr des Vitaminmangels Pellagra. Niacin, ein B-Vitamin, ist im Mais gebunden. Nur mit der Aminosäure Tryptophan, die in klassischen Maissorten fast fehlt, kann der Organismus dieses Niacin freisetzen. Neuere Maiszüchtungen enthalten allerdings mehr Lysin und Tryptophan als die früheren.

Regional und Saisonal

Regionale und saisonale Pairings müssen nicht sensorisch ausgeklügelt sein, denn auch der Gewohnheitseffekt spielt mit. Regional sind beispielsweise Bratwurst mit Bürli in St.Gallen, Roggenbrot mit Trockenfleisch im Wallis oder Bierbrezel mit Weisswurst in Bayern. Saisonal ist die Mariage von Spargel mit Schinken. Aber bei der Frage welcher Schinken zu welchem Spargel gelten sensorische Kriterien. Beide Komponenten sind edel. Bleichspargel ist dezent, Grünspargel hat dagegen eine intensive Gemüsenote.



Klassisch: Spargeln mit Schinken


Beim Schinken ist der Rohschinken die stärkere Variante, besonders geräucherter. Kochschinken ist dezenter, und die ebenfalls oft verwendete Trutenbrust noch milder. Klassisch und korrekt ist die Kombination von Bleichspargel mit Rohschinken, wenn man letzteren als edleren Partner betrachtet. Bei der Mariage von Rohschinken mit Grünspargel wetteifern zwei starke Partner. Wer Grünspargel mit Kochschinken verkuppelt, gibt dem Spargelaroma den Vortritt.

Technologie und Marketing

Mit Zitronensaft mariniert man gewisse Früchte und Gemüse, da die antioxidative Ascorbinsäure der Zitrone die Bräunung verhindert. Diese Kombination ist technologisch motiviert. Ebenfalls mit Zitronensaft konservierte man früher Seafood, als es noch keine Kühlschränke gab. Oder man überdeckte damit den Geschmack des beginnenden Verderbs. Heute kritisieren Gourmets zu recht, dass das Aroma von dezentem edlem Fisch dadurch unterdrückt wird. Heute noch dient Zitronensaft oder Balsamessig aber zu recht als Marinadezutat, um die Haltbarkeit des Fleisches zu verbessern.



Sehr extravagante Kombinationen wie diese Oliven mit Schokolade bei einem Spitzenkoch haben kaum nachhaltigen Erfolg und eignen sich eher als Limited Edition, aber bei dezent extravaganten ist der Mensch lernfähig.


Zu guter Letzt einige Beispiele für marketing-motivierte Food-Pairings, die heute wohl bei neuen Kreationen die Mehrheit bilden und mehr oder weniger der Effekt-Hascherei dienen. Viele moderne Köche und Delikatessenhersteller haben dieses Experimentierfeld entdeckt.

Vor einigen Jahren wurde die Kombination von Schokolade mit Wein an Messen und in Kursen zelebriert. Schokolade harmoniert zwar mit Schnaps aber gegen Wein gibt es gewichtige Vorbehalte: Eine wässerige Flüssigkeit kann nicht lange zusammen mit Schokolade, die zuerst schmelzen muss, im Gaumen verbleiben. Der Alkoholgehalt des Weines ist zu gering, um die Auflösung des Kakaobutters zu beschleunigen. Und die starke Säure des Weins erschlägt die elegante dezente Säure des Kakaos. Besser passen rezenter Hartkäse und Balsamessig zusammen, ebenfalls von findigen Delikatessenhändlern lanciert.

Beides sind starke Partner, die sich ergänzen und zusammen alle Geschmackstypen gleichzeitig bieten: Süss, sauer, salzig, bitter und Umami (d.h. Bouillonnote). Ein Tipp von Zbinden für experimentierfreudige Marketingstrategen: «extravagante Pairings zuerst als Limited Edition lancieren». In der Tat: Parings mit nachhaltigem Konsumenteninteresse zu finden ist eine Kunst, denn der Mensch ist beim Essen vor allem eines: konservativ. (GB)



Klassisch: süsse Erdbeere, herbe Rharbarber und Creme. Milchprodukte puffern die Säure des Rhabarbers.



Die biologische Wertigkeit von Proteinen

Die biologische Wertigkeit eines Proteins ist ein Mass dafür, wie gut es in körpereigenes Protein umgesetzt werden kann. Je ähnlicher das Nahrungsprotein dem Körperprotein in seinem Aminosäurenspektrum ist, desto weniger Nahrungsprotein wird benötigt. Als Referenzwert dient Vollei, dessen biologische Wertigkeit willkürlich auf 100% gesetzt wurde.

Wird ein Nahrungsprotein besser als Eiprotein vom Körper verwertet, hat es eine biologische Wertigkeit über 100. schlechter als Eiprotein verwertet, liegt es unter 100. Je höher die biologische Wertigkeit ist, desto niedriger ist die Bedarfsmenge. Um den Bedarf mit Proteinen aus Vollei zu decken, ist eine tägliche Menge von 0,5 g pro Kilogramm magerem Körpergewicht erforderlich. Mit zunehmender biologischer Wertigkeit sinkt die erforderliche Zufuhr; z. B. bei 136 auf unter 0,4 g/kg.

Durch geschickte Kombination können Nahrungsmittel mit einer relativ geringen biologischen Wertigkeit zu einer biologisch hochwertigen Mahlzeit werden, da sich die Aminosäurespektren der jeweiligen Proteine ergänzen. Tierisches Protein ist meist besser verwertbar als pflanzliches Protein, da dessen Aminosäurenspektrum derjenigen des körpereigenen Proteins ähnlicher ist.

Die Kombination Bohnen–Mais spielt eine wichtige Rolle bei der Optimierung der meist eiweissarmen Ernährung in Entwicklungsländern. Weitere Kombinationsbeispiele bei denen die biologische Wertigkeit wesentlich erhöht wird: Hülsenfrüchte–Fleisch, Brot–Fleisch, Aspik–Fleisch.

Besondere Bedeutung kommt den essentiellen Aminosäuren zu. Proteinquellen, die nicht alle essenziellen Aminosäuren enthalten, werden als „unvollständiges Protein“ bezeichnet und haben eine biologische Wertigkeit von 0. Durch die geeignete Kombination mit anderen Proteinquellen kann auch hier die Wertigkeit jedoch deutlich erhöht werden.

Biologische Wertigkeit einiger Lebensmittel

Vollei (Referenzwert) 100
Molkenprotein 104–110
Rindfleisch 92
Thunfisch 92
Kuhmilch 88
Edamer Käse 85
Soja 84–86
Quinoa 83
Reis 81
Kartoffeln 76
Roggenmehl (82 % Ausmahlung) 76–83
Bohnen 72
Mais 72
Hafer 60
Weizenmehl (83 % Ausmahlung) 56–59

Rezept-Prozent bei zwei Komponenten und die entstehende Wertigkeit:
35 % Vollei und 65 % Kartoffel: 137
75 % Milch und 25 % Weizenmehl: 123
60 % Hühnerei und 40 % Soja: 122
71 % Hühnerei und 29 % Milch: 122
68 % Hühnerei und 32 % Weizen: 118
77 % Rindfleisch und 23 % Kartoffeln: 114
75 % Milch und 25 % Weizen: 105
52 % Bohnen und 48 % Mais: 101
(gb)
© copyright delikatessenschweiz.ch