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Report  26.10.2013
Biofleisch legt zu
Fleischskandale verunsichern die Konsumenten. Manche essen weniger Fleisch oder verzichten ganz darauf. Andere entdecken Biofleisch.

Biofleisch vom Uelihof: Die Kunden zahlen mehr für ein gutes Gewissen.


Biofleisch ist zwar noch eine Nische im Fleischmarkt. Nur 4,4 Prozent betrug der Anteil von Bio im Jahr 2012 am Gesamtumsatz von verkauftem Fleisch in der Schweiz. Doch die Nachfrage ist im letzten Jahr mit 13,8 Prozent am stärksten von allen Bioprodukten gewachsen. Die Gründe laut Biosuisse: Biofleisch wird seit einigen Jahren mehr nachgefragt, weil die Konsumenten Qualität wünschen und erwarten, dass die Tierhaltung und die Fütterung in Ordnung ist.

Ein Biofleisch-Spezialist ist die Ueli-Hof AG, ein Biohof mit eigener Metzgerei. Der Ursprung des Unternehmens liegt im Horwer Ortsteil St. Niklausen LU. Dort bewirtschaftet Ueli Unternährer den modernen Biobauernhof Mättiwil mit seiner Familie. «Den Tieren geht es gut bei uns », sagt er. «Wir nehmen uns die nötige Zeit für sie, die vielerorts fehlt.»

Natura-Beef ist das bedeutendste Rindfleischlabel der Biomarke Naturaplan von Coop. Die Nachfrage nach Natura-Beef wuchs. Aber die einsetzende Entwicklung gefiel der Bauernfamilie nicht. «Der Druck nahm zu und wir mussten immer mehr produzieren. Die artgerecht aufgezogenen Tiere wurden schliesslich mit Sammeltransportern abgeholt und über lange Strecken in die grossen Schlachthäuser transportiert. Das entsprach nicht unseren Vorstellungen von Tierwohl.»

Es folgte der Ausstieg aus dem Programm. 2002 gründete die Familie die Ueli-Hof AG. Seither hat die Bauernfamilie die Wertschöpfungskette wieder selber in der Hand. Von der Aufzucht über die Schlachtung bis zur Verarbeitung geschieht alles in der Region. Geschäftsführer der Firma ist seit 2012 Martin Schmitz, der auch für die Fleischverarbeitung verantwortlich ist.


Biowurst-Sortiment der Marke Fidelio im Biosupermarkt Rägeboge.


Auf dem Hof Mättiwil halten Unternährers Kühe, Rinder, Schweine und Lämmer auf tier- und naturgerechte Weise. Die Schweine haben Auslauf auf die Weide und können sich im Schlamm suhlen wie in der Natur. Das Vieh hat einen grossen Freilaufstall.

In der Biolandwirtschaft werden Voraussetzungen geschaffen, damit die Tiere gesund bleiben. Man bevorzugt deshalb einheimische Tierrassen. Unternährers halten Original-Braunvieh. «Diese Rasse ist besonders robust und gibt nahrhafte Milch für die Kälber», erklärt der Landwirt. Wird ein Tier trotzdem krank, was auf dem Hof Mättwil praktisch nie vorkomme, wird es zuerst mit homoöpathischen Mitteln behandelt.

Antibiotika kommt im Gegensatz zur konventionellen Tierhaltung nur bei schweren Erkrankungen zum Einsatz und der Tierarzt muss sie verschreiben. Auch darf das Vieh auf Mättiwil seine Hörner behalten (in der konventionellen Landwirtschaft wird oft enthornt).

Die Tiere werden auf Biohöfen artgerecht gefüttert. «Kraftfutter wie Soja und Getreide oder Wachstumsbeschleuniger sind tabu», sagt Sabine Lubow von der Organisation Biosuisse. «Im Biolandbau geht man nicht davon aus, das ein Tier eine Turbomaschine ist, die möglichst viel und schnell wachsen und produzieren soll. Man gibt der Natur Zeit.» Dadurch verlängern sich die Mastzeiten und die Biobauern erzeugen – bezogen auf die Fläche – weniger Fleisch als ihre konventionell arbeitenden Kollegen. Das heisst aber auch weniger schnell Geld.

Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, Tierwohl und Qualität habe ihren Preis, rechtfertigt sich Ueli Unternährer. Ihre Produkte sind 15 bis 20 Prozent teurer als die Biofleisch-Labels der Grossverteiler.

Trotzdem ist die Kundschaft von Ueli-Hof treu – und nicht unbedingt reich. «Viele Kunden sagen, sie essen wenig Fleisch, aber wenn sie welches kaufen, wollen sie wissen, wo es herkommt», sagt der Landwirt. Der Erfolg gibt Ueli-Hof recht, es ist kein Geheimnis, dass Unternährers Geschäft gut läuft.

Tiere möglichst wenig stressen

Immer wieder steht in dieser Branche der Tiertransport in der Kritik. Oft leidet das Vieh auf dem Weg zum Schlachthof über mehrere Stunden. Schmitz distanziert sich davon und betont: «Wir können das Tierwohl auch auf dem letzten Weg vom Hof bis an die Verkaufsfront garantieren.» Dazu gehörten ein respektvoller Umgang und kurze Transportwege. «Die Tiere sind maximal eine Stunde unterwegs und werden nicht zuerst auf Sammeltransporten in der halben Schweiz herumgefahren. Wir reduzieren so den Stress aufs Minimum», sagt Schmitz.

Die Ueli-Hof AG praktiziert die gewerbliche Einzelschlachtung. Geschlachtet wird in Rain beim Dorfmetzger Kümin. Anschliessend wir das ganze Tier im Verarbeitungsbetrieb in Littau verarbeitet. Aus dem Fleisch entstehen verschiedenste Produkte, die nach traditionellen Methoden hergestellt werden. Zum Beispiel traditionell geräucherte Rohwürste, die im Hofladen Mättiwil und in den beiden Uelihof-Metzgereien in Luzern und in Meggen verkauft werden. Als «Highlight» bezeichnet der Geschäftsführer den ein Jahr lang gereiften Meersalzschinken.



Biofleisch wird heute mehrheitlich von Biobauern oder Grossverteilern angeboten, aber es gibt auch gewerbliche Metzgereien mit Bio-Zertifizierung oder Biofleisch im Angebot als vorverpackte Handelsware.


Lohnt sich der hohe Preis, den der Konsument für Biofleisch zahlt? Sabine Lubow von Biosuisse findet Ja. «Wir behaupten nicht, dass Biofleisch generell besser ist. Aber es ist sicher geschmackvoll. Und Biofleisch zieht kein Wasser sondern bleibt schön saftig. Es ist seinen Preis wert.»

Dass die Schweiz von Skandalen um falsche Bioprodukte verschont geblieben ist, ist kein Zufall. Die Kontrollen und die Gesetze sind hierzulande strenger als beim EU-Biolabel. Die Biobauern werden mindestens einmal jährlich von der unabhängigen Bioinspecta kontrolliert.



Ein prominenter Biobauer, der Biofleisch-Hofprodukte verkauft, ist Renzo Blumenthal, Ex-Mister Schweiz. Er bietet mehrere Sorten Trockenwürste in seinem Webshop an.


«In der Schweiz muss der gesamte Landwirtschaftsbetrieb auf Bio umgestellt werden. Dazu sind nur wenige bereit. Aber diejenigen, die umstellen wollen, stellen auch im Kopf um», sagt Sabine Lubow. Zum Vergleich: In der EU kann ein Bauer Biomilch produzieren und daneben auf dem gleichen Hof konventionell Gemüse anbauen oder eine Schweinemast betreiben, bei der die Tiere ständig eingesperrt sind. (Text: Marc Benedetti. Bilder und Legenden: GB)

Auch erschienen im www.zentralplus.ch
(gb)
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